Kommunale Jobcenter profitieren von ihrer lokalen Verankerung

Alles unter einem kommunalen Verwaltungsdach: Kurze Wege beschleunigen die Integration der aus der Ukraine Geflüchteten, sagen Verantwortliche aus drei befragten Jobcentern. Sie zeigen sich zufrieden mit ihrer ersten Bilanz.
von Uwe Roth · 2. Februar 2023
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Die Zahlen beeindrucken: Im März 2022 waren in der Stadt Essen 7.500 Geflüchtete registriert. Das war ein Monat nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine. Mitte November erhielten 4.000 der Angekommenen vom kommunalen Jobcenter Leistungen nach SGB II. Der kurze Draht zu den städtischen Ämtern hat den Mitarbeitenden geholfen, Prozesse zu beschleunigen. „Wir sind gut verbrüdert und verschwestert“, sagt Heike Schupetta vom Jobcenter über den unkomplizierten Austausch innerhalb des Rathauses.

Die enge Betreuung wirkt sich aus ihrer Sicht positiv auf die Bereitschaft der Antragstellenden zur Kooperation aus. „Laut unserer Auswertung erscheinen bisher 83 Prozent zu den Gesprächen. Das ist ein guter Wert.“ Von Vorteil sei, dass die Menschen aus der Ukraine – im Gegensatz zu Geflüchteten aus anderen Staaten – in Deutschland gut vernetzt und digital unterwegs seien. Übersetzungsprogramme helfen bei der Kommunikation. Von der schnellen Vermittlung profitiert die Stadt. Einige sind bereits als Pflegekraft im ersten Arbeitsmarkt untergekommen. Auch bei Lieferdiensten und Transportunternehmen seien diese Menschen gefragt, die in der Regel einen Führerschein haben.

Externes Expertentum wird nach Bedarf hinzugezogen

Auch in anderen Jobcentern ist die Erfolgsbilanz auf schnelles Handeln zurückzuführen. Astrid Tönnis vom Jobcenter des Landkreises Steinfurt (450.000 Einwohner) beschreibt dies so: „Das kommunale Integrationszentrum, das Ausländeramt, das Sozialamt haben von Anfang an eng mit uns kooperiert. Wir haben uns wöchentlich mit allen Beteiligten per Videokonferenz abgestimmt.“ Bei komplizierten Themen – wie beispielsweise dem Ausländerrecht, Sozialversicherungen oder Krankenkassen – würden externe Experten hinzugezogen.

Listen mit den wichtigsten Fragen und Antworten würden laufend aktualisiert, „so dass alle immer Zugriff auf aktuelle Informationen haben“. Die Arbeitsvermittlung habe – um einen möglichst schnellen Übergang zu gewährleisten – kurzfristig die Prüfung der Anträge auf Vollständigkeit übernommen. „Durch diesen Einsatz haben wir viel Zeit bei der Bearbeitung der Anträge gewonnen“, stellt Tönnis fest.

Manche Dinge, wie beispielsweise Übersetzungsleistungen, bräuchten aufgrund personeller Engpässe länger. Damit die Menschen nicht monatelang alleingelassen werden, weil sie auf ihre Sprachkurse warten, berät und begleitet sie das Jobcenter weiterhin. Das heißt: „Wir überlegen gemeinsam, ob Zeugnisse schon übersetzt werden können, welche Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration sinnvoll sind oder ob bereits Praktika absolviert werden können.“

Neue Aufgaben schweißen das Team zusammen

„Die gemeinsame, erfolgreiche Aufgabenbewältigung hat uns insgesamt als Team stärker zusammengeschweißt“, sagt sie. Viele Mitarbeitende hätten kurzfristig andere Aufgaben übernommen. So hätten beispielsweise Arbeitsvermittler in der Bearbeitung der Anträge für die Leistungen ausgeholfen. Eine Ungleichbehandlung zu vermeiden bleibe eine stetige Herausforderung. „Zu uns kommen nicht nur Menschen aus der Ukraine, sondern auch viele Flüchtlinge aus anderen Regionen der Welt. Wir dürfen uns daher nicht zu sehr auf die Ukrainer fokussieren, sondern müssen Balance halten“, stellt Tönnis fest.

Tim Weimer vom Jobcenter des Landkreises Oberhavel sieht ebenso im schnellen Handeln den Vorteil kommunaler Jobcenter. Er sagt: „Es war uns wichtig, die Menschen so schnell wie möglich in den „Regelbetrieb“ des Jobcenters zu integrieren.“ Die ersten Gespräche hätten gezeigt, „dass die Menschen zuallererst Themen bewegen, die aus der Flüchtlingssituation resultieren“. In mehreren Veranstaltungen seien Themen wie Leistungsbezug, Wohnungssuche, Aufenthaltsrecht, aber auch Sprachkurse, Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen oder die Förderung bei Arbeitsaufnahme behandelt worden. Darüber hinaus sei die Netzwerkarbeit mit Wohlfahrtsverbänden, Beratungsstellen und anderen Einrichtungen verstärkt worden.

Mitunter steiniger Weg in den Arbeitsmarkt

Inzwischen verändere sich der Beratungsbedarf der ukrainischen Geflüchteten langsam, stellt Weimer fest. Nun trete die Arbeitsaufnahme in den Vordergrund. Die Erfahrungen aus 2015 und 2016 helfen aus seiner Sicht dabei, „hier die richtige Geschwindigkeit einzuhalten, niemanden zu überfordern, aber zugleich die Zielrichtung in den Vordergrund zu stellen.“ Insgesamt, so sein Fazit, werde den Menschen „der Weg in den Arbeitsmarkt geebnet, auch wenn dieser Weg wie bei allen Zugewanderten mitunter steinig ist“.

Autor*in
Uwe Roth

ist freier Journalist. Er ist Mitglied im Verein Deutsches Institut für Normung und dort im Redaktionskreis für eine DIN Einfache Sprache. Webseite: leichtgesagt.eu

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