Kommunen als Botschafter des fairen Handels

Der Kampagne Fairtrade-Towns haben sich bereits mehr als 450 Städte und Gemeinden angeschlossen. Unter ihnen ist auch die thüringische Kleinstadt Schmalkalden. Das Zertifizierung des Anbieters TransFair ist im Detail nicht unumstritten.
von Carl-Friedrich Höck · 9. Februar 2017
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Auch die thüringische Kleinstadt Schmalkalden hat sich im vergangenen Jahr auf den Weg gemacht, Fairtrade-Stadt zu werden. Dazu beschloss der Stadtrat: Gäste des Bürgermeisters bekommen Tee und Kaffee aus fairem Handel ausgeschenkt. In ­Präsentkörben der Stadt befindet sich mindestens ein Produkt aus fairem Handel. Und die Tourist-Information Schmalkalden soll mindestens ein fair gehandeltes Produkt zum Verkauf anbieten.

Schmalkalden: seit November 2016 offiziell Fairtrade-Stadt

Lohn der Bemühungen: Seit dem 25. November 2016 darf sich Schmalkalden offiziell Fairtrade-Stadt nennen. „Das steht unserer Stadt gut zu Gesicht“, meint Jana Lenk. Die Gleichstellungsbeauftragte vertritt die Stadt in einer Steuerungsgruppe, in der Kommune, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gemeinsam überlegen, wie sie das Projekt Fairtrade-Stadt mit Leben füllen. „Wir ruhen uns nicht auf dem Siegel aus, es geht weiter“, verspricht sie. Ein nächster Schritt war bereits die Verleihungszeremonie. „Wir hatten etwa 80 bis 90 Leute da und haben den Film „The True Cost“ gezeigt, in dem man sehen kann, unter welchen Bedingungen ­unsere Mode hergestellt wird“, sagt Lenk.

Idee aus Großbritannien

Vergeben wird das Label Fairtrade-Town (das auch Landkreise erhalten können) vom Verein TransFair. Mehr als 450 deutsche Kommunen haben sich der Kampagne seit dem Jahr 2009 bereits angeschlossen. Die Idee stamme aus Großbritannien, erläutert Kampagnenleiterin Lisa Herrmann. Ziel sei es, den fairen Handel auf die kommunale Agenda zu setzen. Oft gebe es vor Ort lokale Akteure, die sich seit Langem für fairen Handel engagieren. Die Kampagne bringe sie zusammen.

Fünf Kriterien für eine Bewerbung

Eine Bewerbung als Fairtrade-Stadt ist im Kern stets an fünf Bedingungen geknüpft, die je nach Größe der Kommunen unterschiedlich ausdefiniert werden: Es muss einen Ratsbeschluss geben, eine Steuerungsgruppe eingesetzt werden und eine Mindestzahl lokaler Geschäfte oder Cafés muss zwei oder mehr Fairtrade-Produkte anbieten. Öffentliche Einrichtungen wie Schulen, Vereine und Kirchen sollen Bildungsaktivitäten zum Thema durchführen, und die örtlichen Medien müssen über die Schritte auf dem Weg zur Fairtrade-Stadt berichten.

Zertifizierungsverfahren umstritten

Der Verein TransFair versteht sich als Lobby-Organisation, die sich für einen fairen Welthandel starkmacht. Neben den Mitgliedsbeiträgen finanziert TransFair seine Arbeit vor allem aus Lizenzgebühren: Der Verein zertifiziert fair gehandelte Produkte, und die Hersteller entrichten einen Obolus, um das Siegel verwenden zu dürfen. Das wiederum weckt den Argwohn ­einiger Kritiker. Als sich der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg für die Fairtrade-Kampagne bewarb, mahnte die Opposition, die Bezirkverwaltung dürfe sich nicht als Werbeträger für einen Zertifizierer einspannen lassen. Auch das Zertifizierungs-Verfahren selbst ist nicht unumstritten. Denn TransFair verleiht das Siegel auch an sogenannte Mischprodukte wie Schokoladenkekse, die nur zu gut 20 Prozent aus fair gehandelten Produkten bestehen. Verbraucherschutzverbände reden gar von „Etikettenschwindel“. Das Handelsunternehmen GEPA legt an die eigenen Produkte höhere Maßstäbe an und verwendet zunehmend nur noch das eigene Siegel. Ein weiterer, häufiger Kritikpunkt: Die Kriterien für eine Auszeichnung als Fairtrade-Stadt seien zu lasch, bemängeln selbst wohlmeinende Stimmen. Kommunalpolitiker könnten mit der Kampagne leicht etwas PR einheimsen, ohne sich ernsthaft für gerechten Welthandel engagieren zu müssen.

TransFair weist Kritik zurück

Lisa Herrmann von TransFair teilt diese Auffassung nicht. Für manche Kommunen seien die Kriterien eine große Heraus­forderung. Zudem sei die Kampagne als ein Angebot an die Kommunen zu verstehen: Sie soll neue Aktivitäten anstoßen. Sie soll den Kommunen und ihren Steuerungsgruppen aber auch Freiheiten lassen, damit diese das Projekt Fairtrade-Town in einer Weise ausbauen können, die zur jeweiligen Kommune passt. In eigener Sache betont Herrmann: „Wir sind ein gemeinnütziger Verein und verfolgen keine wirtschaftlichen Interessen.“ Zudem seien die Kriterien für eine Fairtrade-Town nicht zwingend an das eigene TransFair-Siegel gekoppelt: Auch anders zertifizierte Fairtrade-Produkte würden anerkannt, sofern die Standards der World Fair Trade Organization
(WFTO) eingehalten seien.

In Schmalkalden hat übrigens niemand laut Kritik an der Fairtrade-Kampagne geäußert, berichtet Bürgermeister Thomas Kaminski. Nur in kleiner Runde habe der eine oder andere angemerkt: eine ­Aktion in Schmalkalden werde die Welt nicht retten. „Wenn jeder so denkt, ist die Welt auch nicht zu retten – jemand muss anfangen!”, hält Kaminski dagegen. Und je mehr Städte sich beteiligen, umso mehr werde man auch gemeinsam bewirken.

 

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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