Kultur antizyklisch fördern
Es ist ein großer Erfolg, dass auf Initiative unseres damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder die Position des Staatsministers für Kultur geschaffen wurde, um die Verantwortung des Bundes in Kultur und Medien zu stärken. Die bisherigen „Beauftragten für Kultur und Medien“ haben auf unterschiedliche Weise die Bedeutung dieses Feldes hervorgehoben, vielfältige Initiativen sind entstanden. Zu den großen gesellschaftlichen Leistungen ihres Wirkens gehören ganz sicher die bundesweit erhöhte Wertschätzung der Kultur und die verbreitete Akzeptanz der notwendigen Mittelbereitstellung.
Länder und Kommunen sind in der Verantwortung
Fakt ist aber, dass die Kulturhoheit bei den Ländern und Kommunen liegt und damit auch die Verantwortung für die Sicherung der kulturellen Infrastruktur. Attraktive Kulturarbeit erfordert einen hohen Personalbedarf, und der ist, wenn seriös finanziert, teuer. In diesem Kontext ist es sehr zu begrüßen, dass sich die SPD-Bundestagsfraktion mit der sozialen Lage der Kunst- und Kulturschaffenden befasst und verschiedene Initiativen auf den Weg gebracht hat, um deren Arbeits- und Lebensverhältnisse zu verbessern. Wichtige Bausteine sind dabei die Stabilisierung des Künstlersozialabgabegesetzes und die Verbesserung des Urhebervertragsrechtes. Weitere Maßnahmen müssen folgen und sind bedauerlicherweise gerade an der CDU gescheitert, die für sich reklamiert, sehr viel für die Kulturförderung getan zu haben.
Es ist kein Geheimnis, dass sich die Kommunen in den vergangenen Jahren großen Herausforderungen stellen mussten. Dabei spielt der notwendige Strukturwandel in den Regionen ebenso eine Rolle wie die massiv gestiegenen Versorgungsleistungen. Derzeit besteht ein gravierendes Missverhältnis zwischen der kulturpolitischen Aufgabenwahrnehmung des Bundes einerseits und der der Länder und Kommunen auf der anderen Seite. Der Kulturhoheit der Länder wird zwar formal entsprochen, doch weil die Finanzen oft unzureichend sind, ist es schwer zu gestalten.
Abstimmung über Förderprogramme ist unbefriedigend
Diese Kulisse befördert die Wahrnehmung, dass Bundespolitik Glanzpunkte setzt, während in Ländern und Kommunen – abhängig von ihrem wirtschaftlichen Status – zum Teil „unscheinbar“ agiert wird. Denn die Finanzierung des schlichten Regelbetriebes ist nach wie vor die Königsdisziplin in der kommunalen Verantwortung. Die Abstimmung über Förderprogramme zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ist unbefriedigend. Zugespitzt gesagt, der Bund scheint zumindest in Teilbereichen nur schwer erkennbare Kriterien für Förderungen formuliert zu haben. Allerdings zeigt sich sehr deutlich, wie auf Eliten, Kooperationen und Repräsentanzkultur fokussiert wird.
An Bundesprogrammen können sich häufig nur Kommunen beteiligen, die in der Lage sind, Eigenmittel aufzubringen. So klafft eine Schere zwischen Regionen, die finanziell gut ausgestattet sind, und Kommunen, die dringend Hilfe benötigen. Eines sollte Haushältern aller föderalen Einheiten zudem klar sein: Das Einsparen in der Kultur generiert zwar kurzfristige Effekte, wird aber Haushalte nicht sanieren. Dagegen ist der gesellschaftliche Flurschaden von Einschnitten groß, gerade vor dem Hintergrund der gestiegenen Relevanz künstlerischer und kultureller Produktivität.
Nicht nur kurzfristig denken
Gerade die komplexen Anforderungen einer sich stets im Wandel befindenden Gesellschaft werden mit Hilfe von Kultur bewältigt. Wir beschäftigen uns mit Projekten, die inspirieren und in verschiedenste gesellschaftliche Spektren ausstrahlen. Eine antizyklische Förderung in diesem Bereich wirkt sich deshalb sehr positiv auf die gesellschaftliche Entwicklung aus. Menschenwürdige Lebensverhältnisse definieren sich nicht nur in Stein und Struktur. Der Status von Kulturschaffenden bleibt nach wie vor ein Seismograph für die freiheitliche Verfasstheit eines Gemeinwesens. Aus diesem und vielen anderen Gründen sollte es selbstverständlich sein, ein politisches Bündnis zu schmieden, um bürokratische Barrieren von Förderprogrammen abzubauen und nicht nur die „Starken“ gewinnen zu lassen. Es gilt, nachhaltige Strategien zu entwickeln, die dem Stellenwert der Arbeit von Kunst- und Kulturschaffenden gerecht werden. Ein erster wichtiger Schritt dafür ist ein seriöser Arbeitsprozess politischer Gremien, der auf Grundlage einer wissenschaftlichen Erhebung die bestehenden Verhältnisse analysiert und anschließend Förderkulissen im Sinne derer gestaltet, für die wir verantwortlich sind: die Kulturakteure.
Das wird mehr Zeit beanspruchen als ein kurzfristig angelegter Arbeitskreis, denn hier geht es um die Fundamente von Kulturförderpolitik, die ein grundlegendes kooperatives Verständnis voraussetzen. Auch ein „gutes Haus“ kann nicht in vier Wochen gebaut werden… Ernsthafte Aufgaben verlangen ernsthafte Arbeit.
Presse Bremen
ist Staatsrätin für Kultur in Bremen und schreibt als Gastautorin für die DEMO.