Kunstwerke zu „Kulturpfaden“ verknüpfen
Es geht um die Kunst im öffentlichen Raum, die nach Aussage von Udo Witthaus, Kulturdezernent in Bielefeld, deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient. Er hat gemeinsam mit den Städten Gütersloh und Herford ein „Regiopole“-Projekt initiiert, das ein neues Bewusstsein für die in den drei Städten vorhandenen Skulpturen schaffen soll. Wann und warum wurden Werke zu einer bestimmten Zeit von einem bestimmten Künstler an ihrem jetzigen Ort errichtet? In einer eigens eingerichteten Datenbank, so Witthaus, sollen sukzessive entsprechende Erkenntnisse hinterlegt werden. Es handele sich um ein „living document“, welches jederzeit um neue Fragestellungen und Feststellungen ergänzt werden könne.
Kunsthistorikerin Lasowski: „Beklagenswerter Zustand“
Viele Menschen wissen mit Kunstwerken im Stadtraum nur wenig anzufangen. Das Interesse hält sich in Grenzen. Man läuft achtlos an ihnen vorüber. Sie lösen weder Bewunderung noch Verärgerung aus. Sie werden häufig achselzuckend zur Kenntnis genommen. Und vielleicht ist das auch der Grund, weshalb viele Positionen sich heute in einem beklagenswerten Zustand befinden, sagt die Kölner Kunsthistorikerin Birgit Laskowski, die das Projekt in Ostwestfalen koordiniert. Sie soll in diesem und im kommenden Jahr in den drei Städten den Bestand von Kunst im öffentlichen Raum sichten, ihren Zustand beschreiben und Eigentumsfragen klären.
Immerhin 90.000 Euro lassen sich die Kommunen dieses Projekt pro Jahr kosten. Zum Auftrag der Kunsthistorikerin gehört es auch, sich Gedanken darüber zu machen, wie die vorhandenen Kunstwerke künftig besser wahrgenommen werden können. Werke von Henry Moore (Bielefeld), Dennis Oppenheim (Herford) oder Olafur Eliasson (Gütersloh) zeugen von der hohen Qualität vieler Objekte. Und schließlich geht auch darum, ob die Werke – ganz im Sinne des Stadtmarketings – miteinander zu einer Art Kulturpfad verknüpft werden können. Denn, so Laskowski, damit Kunst im öffentlichen Raum ihre Wirkung entfalten kann, müsse eine Verbindung der Bürger zu den Werken geschaffen werden.
Kontroverse um Ästhetik und Inszenierung von Stadträumen in Bonn
In Ostwestfalen scheint das Projekt bei der Bevölkerung weitgehend auf Akzeptanz zu stoßen. Dass das Thema Kunst im öffentlichen Raum aber auch zu kontroversen Debatten führen kann, lässt sich derzeit in Bonn beobachten. In der Bundesstadt ist ein heftiger Streit darüber entbrannt, ob und von wem neue Skulpturen an welchen Orten errichtet werden sollen. Und vor allem darüber, wer letztlich entscheidet. Es geht durchaus um ein Stück Hoheit in Fragen der Stadtentwicklung, um die Ästhetik und Inszenierung von Stadträumen.
Die private „Stiftung für Kunst und Kultur“ hatte vor einigen Jahren das „Kunstprojekt Bonn“ ins Leben gerufen. An markanten Orten wurden Skulpturen von namhaften Künstlern enthüllt: Tony Cragg, Markus Lüpertz, Stephan Balkenhol. Demnächst soll das Werk „Walking Bag“ von Erwin Wurm hinzukommen. Dem Geschäftsführer der Stiftung, Walter Smerling, schwebt ein „urbanes Museum“ vor. Er hat es verstanden, all seine Projekte ohne öffentliche Mittel und ausschließlich mit privatem Geld zu realisieren. Sein Tempo ist atemberaubend. Er hat glühende Anhänger und heftige Kritiker. An ihm scheiden sich die Geister.
Neues Kunstkonzept für Bonn gefordert
Smerlings Dynamik hat dazu geführt, dass die Stadt Bonn nur noch bedingt als eigenständiger Akteur ist Sachen Kunst im öffentlichen Raum wahrgenommen wird. Sie kann lediglich ihr Einverständnis zu den vorgesehenen Standorten erklären. Wer würde schon freiwillig auf einen (kostenlosen) Balkenhohl verzichten? Bei den medienwirksamen Enthüllungen der Kunstwerke im Bonner Stadtgebiet geben sich Prominente ein Stelldichein: NRW-Ministerpräsident Armin Laschet oder der frühere Kanzler Gerhard Schröder wohnten derartigen Ereignissen bereits bei.
Doch es regt sich auch Widerstand. Stephan Berg, Leiter des Kunstmuseums Bonn, verlangt ein grundlegend neues Kunstkonzept für die Stadt. Es sei nicht zielführend, so stellte er unlängst fest, im öffentlichen Raum einzig und allein Werke von „alten, weißen Männern mit Konzepten der 1980er Jahre“ zu zeigen. Darüber hinaus geht es ihm wie auch der Kulturdezernentin Bonns, Birgit Schneider-Bönninger, um mehr Transparenz und Partizipation. Wenn die Sozialdemokratin von Kunst im öffentlichen Raum spricht, dann schwebt ihr ein „Spiegel der Gegenwartskunst“ vor. Auf jeden Fall möchte sie, dass die Stadt und das Bürgertum eine gestaltende Rolle spielen. Ähnliche Überlegungen spielen auch in einer Handreichung des Städtetags zum Thema Kunst im öffentlichen Raum aus dem Jahre 2013 eine Rolle.
Und Walter Smerling? Er wolle das „kulturelle Niveau der Stadt“ weiter stärken, ließ er zuletzt verlauten. Man werde jedenfalls nicht zusehen, „wie Kultur in Bonn bürokratisch verwaltet und Gestaltung verhindert“ werde. Sein Ziel: Bis 2030 jährlich ein neues Werk in Bonn von einer namhaften Persönlichkeit errichten zu lassen. Konflikte scheinen da vorprogrammiert.