Lokal einkaufen – eine Zukunft für kleine Städte

Durch eine belebte Fußgängerzone bummeln, mit Bekannten plaudern – ganz langsam kehrt Leben in die Innenstädte zurück. Es braucht Mut und neue Ideen, damit sie auch in Zukunft attraktiv bleiben.
von Susanne Dohrn · 3. Mai 2020
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Leerstehende Ladengeschäfte sind der Tod einer Innenstadt. Das Problem gab es schon vor der Corona-Krise. In der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel wurden deshalb Fensterscheiben mit bunten Folien beklebt, die für das Ladengeschäft dahinter werben. In anderen Städten putzen engagierte Bürgerinnen und Bürger nachts die blinden Scheiben leerstehender Geschäfte um auf den Leerstand aufmerksam zu machen. Witzenhausen in Hessen hat 2018 ein Bio-Feierabend-Markt mit regionalen Produkten ins Leben gerufen, der einmal im Monat von 16 bis 20 Uhr auf dem Marktplatz stattfindet und sich vor der Krise zu einem beliebten Feierabendtreff entwickelt hat.

Das Pop Up HUUS

Es bilden sich Allianzen, wie in der Stadt Elmshorn im Norden Hamburgs. Dort schlossen sich 2019 Stadtmarketing, Stadtverwaltung, VB Immobilien sowie die Eigentümervereinigung Haus & Grund zusammen und gründeten in einem ehemaligen Blumengeschäft das Pop Up HUUS. Der Laden für Kreative und Start-Ups liegt in einem gut besuchten Teil der Hauptfußgängerzone. Auf hundert Quadratmetern wird dort ein wechselndes Angebot von individuellen Produkten verkauft, vom lokalen Craft Beer, mit dem Namen Elbschluck, oder Siebdrucke von Gullydeckeln aus aller Welt bis zu Keramik, Näh- und Holzarbeiten. Lokale Produkte sind immer gefragter, das Angebot ist vielfältig, neue Vermarktungswege sind nötig.

„Die Aussteller wechseln alle vier Wochen, um das Geschäft für die Innenstadt-Besucher besonders spannend und abwechslungsreich zu machen“, sagt Stadtmarketing-Chefin Manuela Kase. „Außerdem wollen wir möglichst viele potentielle langfristige Mieter kennenlernen und Ihnen die Chance bieten, den Standort Innenstadt Elmshorn und ihr Konzept zu testen.“ Die Miete beträgt 250 Euro plus 180 Euro Nebenkosten, die sich mehrere Aussteller teilen und so ihre Kosten in Grenzen halten können. Während der Corona-Krise hatte das Pop Up HUUS geschlossen und ist seit dem 20. April wieder geöffnet mit Mobiliar, das aus alten Weinfässern getischlert wird.

Regional einkaufen

Die Bergedorfer haben das große Rad gedreht, um ihre Innenstadt attraktiver zu machen. Der Hamburger Bezirk liegt im Osten der Hansestadt. Mit Hochdruck arbeiteten Wirtschaft, Verwaltung und Politik dort vor der Corona-Krise daran, die Innenstadt attraktiver und Einkaufen wieder zum Erlebnis zu machen und so dem Einkauf im Internet die Stirn zu bieten. Runder Tisch, Stärken-Schwächen-Analyse, Entwicklungs-, Gastronomie- und Verkehrskonzept – was der Instrumentenkoffer hergibt, in Bergedorf hat man es angewendet. Dann kam Corona und alles lag auf Eis. Die Umsätze von Boutiquen, Juwelier und Weinladen: massiv geschrumpft. Der Wunsch nach mehr Aufenthaltsqualität in der Innenstadt: die Erinnerung daran wie ein Traum aus unbeschwerten Zeiten. Der Plan, die Schlossstraße, eine Parallelstraße zur Fußgängerzone, für sechs Monate weitgehend autofrei zu gestalten: konnte nicht mehr beschlossen werden, weil die Sitzung ausfiel. Sogar die Planungen für das Kulturprogramm hatten schon begonnen. Aber es gibt Lichtblicke. „Die Identifikation mit dem Stadtteil hoch“, sagt Marlene Sandecki, Referentin für Wirtschaftsförderung im Bezirksamt Bergedorf, das für 130 000 Einwohner zuständig ist. Was Hoffnung macht: „Der Zusammenhalt in der Stadt ist hoch.“ Für manche Anbieter wurde die Krise sogar zur Chance: „Die Bergedorfer kaufen fast nur noch regionale Produkte. Die Hofläden boomen.“

#Witzenhausenhältzusammen

Das Beispiel Witzenhausen in Hessen zeigt, wie sich die Krise für den lokalen Handel nutzen lässt. Die Kleinstadt mit 16 000 Einwohnern ist bekannt wegen seiner Fachwerkbauten, seiner Kirschen, und weil man hier seit mehr als 40 Jahren Ökologische Agarwissenschaften studieren kann. Auch Witzenhausen hat die Krise kalt erwischt, aber die Stadt hat die Chance genutzt. Seit Jahren planen Stadtverwaltung, Stadtmarketing und die Aktionsgemeinschaft Handel, ein Online-Händlerportal zur Stärkung der lokalen Wirtschaft. „Kurz bevor die Geschäfte schließen mussten hatten wir ein weiteres Treffen angesetzt“, erzählt Johannes Siebold vom Stadtmarketing. Die Beteiligten nutzen den Termin um zu überlegen, was in der Krise zu tun ist. Man traf sich wie geplant und acht Uhr, einige Stunden später stand fest: „Wir setzen das Online-Portal um.“

Die in Witzenhausen ansässige Firma KonzepD, die sich auf die Digitalisierung von Kleinunternehmen spezialisiert hat, gestaltete die Website kostenlos. Das Stadtmarketing startete Werbekampagne mit dem Motto #Witzenhausenhältzusammen, um für den virtuellen Marktplatz zu werben. Der startete am 30. März, nur zwölf Tagen nach dem morgendlichen Beschluss. Mit inzwischen mehr als drei Millionen Seitenaufrufen und 230 000 Besuchern wurde witzenhausen.shop zum Publikumsmagneten. Mehr als 1500 Artikel haben die Händler während der Corona bedingten Schließungen verkauft, u.a. Spielwaren, Schuhe, Bekleidung, Wein, Lebensmittel oder Acessoires wie Schutzmasken für Mund und Nase. Mittlerweile sind 80 Händler beteiligt. „Ohne Corona hätten wir das nie geschafft“, ist Siebold überzeugt. Er betont: „Das Internet ist kein Mehraufwand, sondern ein neuer Markt. Die Leute sind es gewohnt, im Internet einzukaufen. Das geht nicht wieder weg.“

Autor*in
Susanne Dohrn

ist freie Autorin und SPD-Ratsfrau in Tornesch

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