Mammutaufgabe Innenstadt

Zentren zu florierenden Orten zu machen, ist eine Herausforderung für kommunale Wirtschaftsförderung, um drohender Verödung zu begegnen.
von ohne Autor · 13. November 2020
placeholder

Einige Filialisten in bester Lage haben die Segel schon gestrichen; andere werden folgen. Es sind inhabergeführte, zum Teil alteingesessene Geschäfte. Und wenn eines der beiden verbliebenen großen Warenhäuser schließt, sieht es düster aus. Dies ist das Worst-Case-Szenario für die Bremer Innenstadt. Sie ist schon seit mehreren Jahren durch Leerstand und Wegzug von Geschäften gebeutelt.

Angesichts des Online-Handels und veränderten ­Konsumverhaltens der Menschen droht die Verödung. Die Corona-Krise hat die Situation verschärft. Dagegen will sich die Stadt mit einem rund zehn Millionen Euro schweren Sofortprogramm stemmen – finanziert aus dem „Bremen-­Fonds“, der Antwort des kleinsten ­Bundeslandes auf die Corona-Pandemie.

Aber nicht nur die Unterweser-Stadt hat mit diesem Problem zu kämpfen. Auch andere Metropolen sowie Klein- und Mittelstädte müssen darüber nachdenken, wie sie das Ausbluten ihrer Zentren verhindern wollen. Anstöße dazu finden sich in diversen Positionspapieren der kommunalen Spitzenverbände. Der Deutsche Städtetag, der Städte- und ­Gemeindebund und der Landkreistag zeigen Probleme und Strategien auf.

Alle Akteure an einen Tisch holen

Um die Innenstädte zu Orten der Begegnung zu machen, seien die kommunalen Wirtschaftsförderer und Stadtentwickler gleichermaßen gefordert. Hier gehe es auch um die Sicherung der k­ommunalen Daseinsvorsorge im Bereich Nahversorgung. Diese Auffassung vertreten die Fachleute in den Verbänden, aber auch Wissenschaftler. Angesichts der Tatsache, dass bereits vor der Pandemie „besonders im Einzelhandel bedingt durch die Digitalisierung viel ins Rutschen“ gekommen sei, müssten neue Innenstadtkonzepte her. „Wir brauchen Innenstädte, die mehr bieten als ein Einkaufserlebnis“, bringt es Detlef Raphael, Beigeordneter des Deutschen Städtetags, auf den Punkt.

Städte sollten über neue Nutzungskonzepte nachdenken und hierzu alle Akteure an einen gemeinsamen Tisch holen: Wie können in den Innenstädten zum Beispiel Wohnen und Arbeiten künftig neu zusammenspielen?. Wenn nämlich mehr Menschen von zu Hause arbeiten, würden in den Citylagen womöglich weniger Büroflächen benötigt, die anders genutzt werden können.

Ebenso sei es die Aufgabe von Wirtschaftsförderern und Stadtentwicklern, Einzelhändlern zu helfen, sich für die Zukunft aufzustellen – etwa durch Ausbau und Unterstützung der digitalen Infra­struktur. So steht es sowohl in einem Papier des Deutschen Städtetags mit dem Handelsverband Deutschland aus dem Jahr 2017 als auch in einem Anfang September vom Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) veröffentlichten Positionspapier. Titel: „Rettet unsere ­Innenstädte! – Nutzungsvielfalt stärken – Neue Konzepte entwickeln“.

Kombination von Online- und Einzelhandel

Eine Chance sehen die Autoren des Papiers zum Beispiel in einer „sinnvollen Kombination“ von Online- und stationärem Einzelhandel. „Denn die meisten Kunden praktizieren heute einen „Multi-Channel-Handel“: Sie kaufen sowohl lokal wie über das Internet ein. Diese Entwicklung hat auch der Online-Handel bereits aufgegriffen. Immer mehr Online-Händler eröffnen stationäre Geschäfte auch in den Innenstädten. Umgekehrt sind aber auch die stationären Händler herausgefordert, den Kunden ein ­digitales Angebot zu offerieren“, ist im Positionspapier nachzulesen.
Generell sieht der Beigeordnete ­Raphael in der momentanen Herausforderung auch eine Chance.

Denn die kommunalen Wirtschaftsförderungen haben sich in den vergangenen Jahren sehr gut vor Ort aufgestellt und Netzwerke auch branchenübergreifend gespannt. Dies fördert den Austausch und die Inno­vationsfähigkeit von Unternehmen und damit auch die Resilienz des Wirtschaftsstandorts.

Die Basis dafür ist vorhanden, denn grundsätzlich sind die kommunalen Wirtschaftsförderungen gut aufgestellt, finden die Verbandsvertreter. Klar sei, dass Wirtschaftsförderung eine Querschnittsaufgabe ist. Vor allem aber habe sich gezeigt, wie gut es ist, dass die kommunalen Wirtschaftsförderer eng an Unternehmen jeder Größe dran sind. Während des Lockdowns seien sie insbesondere für die Selbstständigen „Hilfe und Kummer­kasten“ gewesen, weiß Dr. Markus Brohm, Referent für ländliche Räume, Verkehr, Wirtschaftsförderung und Vergaberecht des Deutschen Landkreistags.

„Wirtschaft angemessen begleiten“

Welche Strategie die Verantwortlichen in Zukunft gerade in den ländlichen Räumen verfolgen werden, lässt sich laut Brohm nicht pauschal festlegen. „Man muss sich sein jeweiliges Ökosystem anschauen“, sagt er, „man muss es immer vor dem Hintergrund der jeweiligen Herausforderung bewerten.” Klar ist für Brohm aber für die Zukunft: „Ich muss meine Wirtschaft angemessen begleiten.“ Welche Wege die richtigen sind, wird nach Auskunft von Martin Gornig, stellvertretender Leiter der Abteilung Unternehmen und Märkte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung mit Forschungsschwerpunkten Regionalwirtschaft, Industrie und Produktivität, derzeit intensiv in der Wissenschaft diskutiert. Es gehe um das Gleichgewicht von Effizienz und Resilienz.

Einerseits sei es notwendig, profitable Unternehmen in der jeweiligen Region zu haben, so Gornig: „Wir können es uns nicht erlauben, auf Spezialisierungsvorteile zu verzichten.“ Andererseits müsse es möglich sein, Strukturkrisen glimpflich zu überstehen. Da helfe es, sich als Region in mehreren Branchen breit aufzustellen.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare