Mannheimer Impfmodell gegen Krebsviren gestartet

In der Großstadt beginnt in diesem Herbst eine freiwillige Schulimpfung gegen Humane Papillomviren (HPV).
von Harald Sawatzki · 18. Juli 2019
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Diese Statistik sollte aufrütteln: Weltweit sind Jahr für Jahr mehr als 600.000 Menschen von HPV-Infektionen betroffen. Ihnen drohen verschiedenste HPV-Tumore: Entweder an den Sexualorganen, aber auch Karzinome in Mund, Rachen oder Gaumen sind belegt. Wie weit verbreitet der Gebärmutterhalskrebs allein in Deutschland ist, zeigen folgende Zahlen: Jedes Jahr erkranken etwa 10.000 ­Frauen und Männer an einem Krebs, der von sogenannten Humanen Papillomviren (HPV) ausgelöst wird. Für fast ein Drittel der Erkrankten gab es bisher keine Rettung. Von den Neuerkrankungen betreffen knapp 5.000 die Gebärmutter. Und aus aus Gründen der Vorsorge werden jährlich mehr als 90.000 Frauen wegen einer erkannten Krebsvorstufe operiert.

Impfkampagne geplant für Mädchen und Jungen

Die Stadt Mannheim will dieser Entwicklung nicht länger tatenlos zusehen: In diesem Herbst startet sie als erste Kommune im Land eine Impfkampagne gegen diesen Krebs. Es sollen Mädchen und Jungen vor allem im Alter zwischen neun und 14 Jahren erreicht werden, die sich freiwillig impfen lassen können.

In das Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit gelangten die Gefahren, die von den Papillomviren ausgehen, durch die Ehrung des Heidelberger Wissenschaftlers Harald zur Hausen, der 2008 für seine Forschungen zur Entstehung des Gebärmutterhalskrebses den Medizinnobelpreis bekam. Der damalige Leiter des in Heidelberg angesiedelten Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) warnt seit langem, diese ­Tumorerkrankung bei Mädchen und Frauen werde vor allem durch Männer verbreitet. Sie hätten deutlich mehr Sexualkontakte mit ­verschiedenen Partnerinnen und müssten deshalb die HPV-Impfung ebenso bekommen.

Ziel ist, die Impfquote zu steigern

Wie drängend das Impfproblem ist, belegt der Umstand, dass die Ständige Impfkommission (STIKO) am Berliner ­Robert-Koch-Institut dieses freiwillige Präventionsangebot seit 2007 für Mädchen empfiehlt. Und seit einem Jahr wirbt die STIKO auch bei Jungen für diese Impfmaßnahme. Bisher mit nur geringem Erfolg: Die Impfquoten in Deutschland bewegen sich bei etwa 30 Prozent und liegen weit unter den Zahlen anderer europäischer Länder: Finnland und Portugal beispielsweise erreichen 80 bis 90 Prozent der Zielgruppe.

Mannheims Schuldezernentin Dr. Ulrike Freundlieb will das nicht hinnehmen: „Es ist uns ein Anliegen, hieran etwas zu ändern,“ betont sie und beschreibt die Aktion als ein „Modellprojekt“, das sie demnächst auch im Gesundheits­ausschuss des Deutschen Städtetages vorstellen wolle. Die Mannheimer Ini­tiative kam unter anderem auf Anregung des städtischen Gesundheitsamtes ins Rollen, als die Mannheimer im benachbarten südhessischen Raum der Bergstraße auf eine HPV-Präventionsaktion des „Gesundheitsnetzes Rhein-Neckar“ stießen.

Aufklärung an breiter Front

Erleichtert wird die Realisierung der Pläne wohl auch durch eine organisatorische Veränderung in Mannheims Stadtverwaltung: Freundlieb setzte vor geraumer Zeit die Fusion der Ämter für Gesundheit und Jugend durch: „So können wir Maßnahmen zu Gesundheitsfragen innovativ umsetzen“, merkt die Dezernentin an. Schliesslich seien die Aufgaben beider Ämter strukturell miteinander verbunden.

Eine HPV-Impfpflicht gibt es zwar nicht, aber es wird alles getan, um Kinder und deren Eltern über die Notwendigkeit und den Nutzen der Vorsorgemaßnahme aufzuklären. An den Grundschulen vor allem in Elternabenden, über die unterschiedlichsten sozialen Dienste der Stadt, über die niedergelassene Ärzteschaft und in Zusammenarbeit mit dem in Mannheim ansässigen „Institut für Public Health“, das zum Universitätsklinikum Heidelberg gehört, will man möglichst viele Jugendliche und deren Eltern ansprechen.

„Wir müssen die Mädchen und Jungen in der Grundschule ab neun Jahren, spätestens auch die bis zu 14-Jährigen und danach an der Sekundarstufe II erreichen,“ weiß Freundlieb. Denn Sexual­kontakte unter Jugendlichen setzten mittlerweile bei beiden Geschlechtern um die 14 Jahre ein. Wer bis dann zweimal geimpft wurde, ist ziemlich sicher vor einer späteren Erkrankung gefeit. Erfolgt die Impfung später, sind die Piekser dreimal nötig.

Krankenkassen übernehmen Kosten

Die Kostenfrage ist für beide Geschlechter auch geklärt: Seit Mitte 2018 übernehmen die Krankenkassen die finanzielle Seite nicht nur für Mädchen – die sie schon seit 2014 begleichen – sondern auch für die Jungen. Etwa 2.000 Schülerinnen und Schüler im entsprechenden Alter sind an den Grundschulen der Stadt gemeldet. Würden alle Kinder geimpft, wäre das ein kleiner, aber beachtlicher Beitrag zur Eindämmung verschiedener Krebserkrankungen.

 

Autor*in
Harald Sawatzki

ist freier Journalist in Mannheim.

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