Mehr Komfort für Fußgänger
Kommunen behandeln Fußgänger in ihrer Wertschätzung unterschiedlich. In manchen Städten müssen sie froh sein, wenn sie nicht nur als Störfaktor wahrgenommen werden. Zeichen dafür sind Fußgängerampeln im Zentrum, die länger als eine Minute rot zeigen und bei Grün Passanten kaum Zeit lassen, um zügig bis zur Straßenmitte zu kommen. Die Begründung der Straßenverkehrstechnik für die nachberechtigte Lichtsignalschaltung ist seit langem die gleiche: Ein Verkehrsstau vor Ampeln ist für Fußgänger und die Innenstadt schlimmer als geduldiges Warten bei Rot und fließendem Autostrom.
Mehr Aufenthaltsqualität
Woanders ist die Stadtplanung aber weiter: Hier sind Auto- und Fußgängerverkehr gleichberechtigt. Menschen sollen zu Fuß in verkehrsberuhigten Zonen nicht nur sicher von A nach B kommen, sondern sich auch außerhalb der Fußgängerzonen als Verkehrsteilnehmer wohlfühlen.
Stichwort Aufenthaltsqualität. Die Stadt bietet zum Beispiel komfortable Sitzgelegenheiten, die zentral und dennoch geschützt vor Lärm und Luftbelastung zum Verweilen einladen. Sie sind zugleich ein Zeichen gegen die Kommerzialisierung des öffentlichen Raums. Die wachsende Dichte an Straßencafés entlang attraktiver Wege und eintrittspflichtiger Veranstaltungen auf Plätzen, die eigentlich zum Flanieren gedacht sind, verengen die kostenlosen Freiräume der Einwohner.
Doch seit drückende Sommerhitze und gleichzeitig zunehmende Staus von Jahr zu Jahr für die Menschen der Innenstädte unerträglich werden, setzt in den Kommunen bei der Planung des Fußverkehrs ein Umdenken ein. Menschen brauchen und bekommen in der Stadt angenehme Freiräume.
Vorreiter Wien
Das beobachtet seit einigen Jahren Uta Bauer vom Deutschen Institut für Urbanistik in Berlin. Sie hat ein Buch mit dem Titel „So geht’s – Fußverkehr in Städten neu denken und umsetzen“ herausgegeben. Darin enthalten sind positive Beispiele, die in auffallender Weise häufig im europäischen Ausland angesiedelt sind. Allen voran ist die Stadt Wien zu nennen mit ihren neu eingerichteten Flaniermeilen oder die Stadt Rotterdam, die mit einer attraktiven Fußgängerbrücke dem Straßenverkehr die Dominanz nimmt.
Aus Deutschland hat Bauer unter anderem die Stadt Hamburg aufgenommen, die eine Hauptverkehrsstraße im Bezirk Eimsbüttel fußgängerfreundlich umgestaltet hat. Die Schäden, die aus dem Gedanken einer autogerechten Stadt in den 1960er und 70er Jahren entstanden seien, ließen sich nicht in wenigen Jahren reparieren, warnt sie. Darüber werden viele Jahre ins Land gehen. Hemmnisse seien nicht allein lange Planungsphasen, fehlenden Geld für die Raumteilung (Spacesharing), um dem Platzbedarf von Fußgängern, Radfahrern und Autos gerecht zu werden, sondern auch fehlender kommunalpolitischer Wille.
Verkehrsteilnehmer zweiter Klasse
Welchen Rang Fußgänger in der Verkehrsplanung hatten, spiegelt die Straßenverkehrsordnung, in der er es heißt: „Wer zu Fuß geht, hat Fahrbahnen unter Beachtung des Fahrzeugverkehrs zügig auf dem kürzesten Weg quer zur Fahrtrichtung zu überschreiten.“ In der „Richtlinie für Lichtsignalanlagen“ (RiLSA) aus 2010 bleiben Fußgänger Verkehrsteilnehmer zweiter Klasse, wie der Fachverband Fußverkehr Deutschland kritisiert.
Mehr Komfort für Fußgänger geht auf Kosten des Autoverkehrs – nicht nur des fließenden, sondern auch des ruhenden. Parkplätze sind in Teilen der Kommunalpolitik vielerorts unantastbar. Das hat Christoph Glogger erfahren. Der SPD-Bürgermeister von Bad Dürkheim in Rheinland Pfalz hat im Stadtrat ein Mobilitätskonzept auf den Weg gebracht, dass mittlerweile verabschiedet wurde un dem Fußverkehr ein breites Kapitel widmet. „Für eine Stadt mit 20.000 Einwohnern ist das eher selten“, stellt er fest. Der Klimawandel und den Ruf als Kurstadt zu wahren, seien für die Initiative ausschlaggebend gewesen.
Streit um Parkplätze
Normalerweise fallen im Stadtrat Entscheidungen weitgehend im Konsens. „Die Diskussion um die Ausweitung der Tempo 30-Zonen sind sehr emotional gewesen. Die Abstimmung dazu ist knapp ausgefallen.“ Mit viel Bereitschaft zu Kompromissen sei ein Scheitern verhindert worden, berichtet der Rathauschef. Mancher Parkplatz bleibt, der zur Streichung vorgesehen war. Aber insgesamt wird der Verkehr im Zentrum langsamer und ruhiger. Für Glogger ist das Mobilitätskonzept in den kommenden Jahren ein wichtiges Instrument. Wenn es darauf ankommt, kann er den Stadtrat daran erinnern, was er beschlossen hat, um die Menschen auf die Beine zu bringen statt ins Auto. Uwe Roth
ist freier Journalist. Er ist Mitglied im Verein Deutsches Institut für Normung und dort im Redaktionskreis für eine DIN Einfache Sprache. Webseite: leichtgesagt.eu