Niedrigschwellig agieren

Nicht mehr nur Sache der Polizei: Kriminelle Clans finden sich auch in kleinen und mittleren Kommunen.
von ohne Autor · 6. April 2021
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Früh am Morgen stand die Polizei vor der Tür. Die Beamten durchsuchten insgesamt 19 Wohnungen. Es ging um den Verdacht auf Drogenhandel, Geldwäsche und Hehlerei. Und im Zuge der Polizeiaktion kamen auch noch Ermittlungen wegen des Straftatbestands des Sozialbetrugs hinzu. Der Einsatz galt – wie so oft in jüngerer Vergangenheit – Angehörigen von ethnischen Clans. BKA-Präsident Holger Münch hat diese einmal als „ethnisch abgeschotte Subkulturen“ definiert. Die Mitglieder des Familienclans wurden nicht etwa in einer der großen Städte wie Berlin, Hamburg, Essen oder Bremen aus dem Bett geworfen. Die Polizeibeamten aus mehreren Bundesländern rückten nach Achim aus, um Organisierte Kriminalität (OK) zu bekämpfen. Laut Bundeslagebild des BKA in 2019 betrug der Anteil der OK-Verfahren, die der Clankriminalität zugeordnet wurden, 7,8 Prozent.

Die mit rund 32.000 Einwohnern größte Stadt des Landkreises Verden im Süden Bremens hat seit vielen Jahren mit dem Problem Clankriminalität zu tun. Anwohner der örtlichen Schwerpunkte Achim-Nord und Magdeburger Straße sind verunsichert. Vor allem im Sommer komme es vor dem Bürgerzentrum an der Magdeburger Straße immer wieder zu Ruhestörungen. Wenn die Polizei gerufen werde, schauten die Beamten zwar nach, griffen aber nicht ein, meint ein Bürger.

Behörden vernetzen sich

Dabei geschieht hinter den Kulissen einiges: Unter anderem arbeiten die Polizei Bremen und die Polizeidirektion Oldenburg eng zusammen – wie bei der Durchsuchungsaktion in Achim. Auch die Polizeien der Bundesländer vernetzen sich immer stärker. Gleiches geschieht auf europäischer Ebene. Darüber hinaus beteiligen sich Behörden wie das Landeskriminalamt (LKA) Bremen an einem Forschungsprojekt der Technischen Universität (TU) Berlin. Der Name: „Vernetzte Prävention und Bekämpfung von Kriminalität im Kontext großfamiliärer Strukturen“. Das Ziel: anhand von Facebook- und Instagram-Accounts herauszufinden, wie die Mitglieder arabischstämmiger Clans in erster Linie sich selbst, aber auch den deutschen Staat sehen.

Dass dies ein Problem ist, erleben inzwischen sogar auch die kleinen und mittleren Städte. Diesem Phänomen zu begegnen, sei schwierig, findet Achims parteiloser Bürgermeister Rainer Ditzfeld. Die Kommune könne vor allem im klassischen niedrigschwelligen Bereich etwas für das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger tun. So hätten die Streetworker im vergangenen Jahr die Menschen in den betroffenen Quartieren angesprochen. Es seien zusätzliche Mülleimer aufgestellt worden und Hecken beschnitten worden, um unübersichtliche Stellen zu beseitigen. „Unser Bürgerzentrum geht sehr stringent gegen Beschwerden vor“, sagt Ditzfeld, „dann hat die Polizei eine Handhabe um einzuschreiten“. Mit diesem Problem hat indes nicht nur Achim zu kämpfen. Auch Andreas Weber (SPD), noch bis zur Kommunalwahl im September Bürgermeister der Kreisstadt Rotenburg an der Wümme, kann davon durchaus ein Lied singen. Die Kreisstadt habe es mit mehreren Großfamilien aus verschiedenen Nationen, unter anderem aus dem Libanon, zu tun. Zudem gebe es Verbindungen und Überschneidungen zum Rockermilieu. Die Gemeinsamkeit: Sie erkennen die deutsche Justiz nicht an.

Themenübergreifende Sicherheitspartnerschaft

Diesem Phänomen stellen sich die Behörden der Kommunen, des Landkreises, des Landes und des Bundes entgegen. Auf Initiative von Torsten Oestmann, Leiter der Polizeiinspektion Rotenburg und Spitzenkandidat der SPD für den Rotenburger Bürgermeisterposten, haben Städte und Gemeinden, der Landkreis, die Finanzämter, der Zoll, die Staatsanwaltschaft und die Polizeiinspektion Rotenburg im Oktober 2020 eine Sicherheitspartnerschaft geschlossen. Das Ziel: Die Beteiligten informieren sich gegenseitig über Unregelmäßigkeiten in unterschiedlichen Bereichen.

Um den Machenschaften der Clans zu begegnen, müssten nämlich nicht nur das Strafrecht, sondern auch das Baurecht, das Ordnungsrecht, das Sozialrecht und das Finanzrecht herangezogen werden. Nur so kann es aus Sicht von Weber funktionieren. Er muss es wissen, denn der Rotenburger war vor seinem Amtsantritt an der Wümme Leiter des LKA Bremen. „Der Informationsaustausch ist von ganz großer Wichtigkeit“, sagt Weber. Die Stadt selbst könne in diesem Rahmen eine „Politik des niedrigschwelligen Einschreitens“ verfolgen. Als Beispiele nennt er das dreiste Parken auf Grünflächen und die illegale Müllentsorgung. Es kommt nach Überzeugung des Noch-Bürgermeisters nicht nur darauf an, Informationen auszutauschen. Vielmehr müssten auch die Mitarbeitenden in den Behörden sensibilisiert werden – unter anderem bei offenkundigen und unterschwelligen Bedrohungen. Dieses müsse zur Anzeige gebracht werden. Weber sagt: „Demokratie ist keine Schwäche, sondern kann eine Stärke sein.“

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