Quicklebendiges Bündnis
Wenn es so etwas wie einen Dreh- und Angelpunkt gibt, ist es Irmgard Jasker. Die ehemalige Realschuldirektorin macht mit ihrem Mann „seit 47 Jahren Friedensarbeit“, wie sie sagt: „Das hält uns jung.“ Der größte Teil des Wirkens von Irmgard Jasker gilt dem „Arbeitskreis der Stadt Wedel gegen Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit“. Gegründet wurde er am 21. Mai 1990. Damals wie heute gilt: In diesem Gremium engagieren sich ganz unterschiedliche Menschen und Einrichtungen – die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker aller Parteien, Kirchen, Religionsgemeinschaften, Kaufleute und Schulen.
Hilfsbereite Bürger
Diesem breiten Bündnis ist es zu verdanken, dass die zum Landkreis Pinneberg gehörende Stadt mit ihren rund 35.000 Einwohnerinnen und Einwohnern seit 30 Jahren den Titel „Weltoffene Gemeinde“ trägt. Verliehen wurde er Wedel im Rahmen des bundesweiten Projekts „Eine Welt für alle“ – übrigens mit nur sechs weiteren Kommunen. Dass sich Wedel im wahrsten Sinne des Wortes als weltoffene Gemeinde sieht, zeigte sich auch vor fünf Jahren: Auf dem Höhepunkt der Zuwanderung durch Flüchtlinge rief eine Handvoll engagierter Menschen zur Hilfe auf, und Hunderte Wedeler brachten sich zum 25. Jahrestag der Auszeichnung ein. Damals nahm allein Wedel knapp 180 Menschen auf.
An diese und andere Aktionen ihrer Mitbürgerinnen und Mitbürger erinnert sich nicht nur Irmgard Jasker gern. Auch Heidi Keck, stellvertretende Pinneberger Kreisvorsitzende der SPD und nach eigenen Worten unter anderem „Flüchtlingskoordinatorin“ innerhalb der Partei, freut sich noch heute über die Hilfsbereitschaft der Bürger. Keck erinnert daran, dass vor fünf Jahren alle im Wedeler Rat vertretenen Parteien an einem Strang gezogen hätten – mit Ausnahme der hiesigen CDU-Führung. „Doch das ist ihr ziemlich schnell auf die Füße gefallen.“ Teile der Partei hätten sich von ihrer Führung distanziert.
Mit Blick auf die aktuelle Situation könne sie es allerdings nicht verstehen, dass sich Wedel nicht zum sicheren Hafen erklärt habe. Das Bündnis „Städte Sicherer Häfen“ macht sich dafür stark, aus Seenot gerettete Flüchtlinge aufnehmen zu können.
Die Grundlage für die Arbeit Wedels als weltoffene Gemeinde legte die Stadt mit ihrem Ratsbeschluss vom 27. April 1990. Das Gremium bezog sich auf die Arbeit der Friedenswerkstatt, die sich schon 1989 gegen rechte Umtriebe gestellt hatte: „Der Rat der Stadt Wedel (Holstein) und die in ihm vertretenen Parteien werden (...) alle rechtlichen und politischen Möglichkeiten ausschöpfen, den Bestrebungen und Zielen dieser Gruppierungen in Wedel entgegenzuwirken. (…) Die politische Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus dient auch dem Schutz von Minderheiten“.
„Gutes soziales Klima“
Um den Beschluss in die Tat umzusetzen, lud der damalige, inzwischen verstorbene Bürgermeister Jörg Balack (SPD) alle Bürgerinnen und Bürger zur Mitarbeit ein – sie gründeten den „Arbeitskreis der Stadt Wedel gegen Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit“ und wurden dafür ausgezeichnet.
Balacks Linie vertritt auch Wedels heutiger, seit 16 Jahren im Amt befindlicher Bürgermeister Niels Schmidt ebenso offensiv. Er hebt das „gute soziale Klima“ der Stadt hervor. Und: „Für mich ist es ganz wichtig, dass man Respekt zeigt.“ Natürlich gebe es in Wedel auch Vorbehalte gegen Flüchtlinge. Aber Diskussionen darüber laufen laut Schmidt „in zivilisiertem Rahmen ab“. In Wedel, gibt sich der Bürgermeister überzeugt, sei „kein Nährboden für extreme Erscheinungen vorhanden“.
Zusammen gegen rechts
Damit es so bleibt, hat der Bürgermeister ein Rezept: „Es wird weiterhin wichtig sein, die Menschen zu integrieren.“ Natürlich gebe es in der Stadt die zehn Prozent der Wähler, die eher nach rechts orientiert seien. Wenn es doch einmal Auffälligkeiten gebe, arbeiteten mehrere Institutionen beziehungsweise Behörden zusammen.
Dass sich an der weltoffenen Atmosphäre Wedels in Zukunft etwas ändert, glauben die Akteure nicht. Besonders Irmgard Jasker ist optimistisch. Sie verweist unter anderem darauf, dass sich zahlreiche Wedeler Schülerinnen und Schüler für den Gedenktag zur Befreiung des KZ Auschwitz engagiert hätten. „Ich wüsste niemanden, der gegen unser gutes Klima verstößt“, sagt Jasker.