Ringen um Kompetenzen und Kompromisse

Um die Region Stuttgart im Wettbewerb um Unternehmen gut zu positionieren, ist eine enge Abstimmung erforderlich.
von Uwe Roth · 13. März 2019
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Knapp ein Viertel der Fläche Schleswig-Holsteins entspricht dem Gebiet der Region Stuttgart. Dort leben mit 2,8 Millionen aber genauso viele Menschen wie im nördlichsten Bundesland. Wie die Bevölkerungsdichte (755 Einwohner je Quadratkilometer) ist die Verwaltungsdichte ebenfalls hoch: Es gibt 179 Rathäuser, fünf Landratsämter – und seit 1994 zusätzlich den Verband Region Stuttgart (VRS), eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, und dem VRS untergeordnet die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS), eine GmbH. Das Regierungspräsidium, das in der Kommunalpolitik ebenfalls mitbestimmt, siedelt auf der vierten ­Hierarchiestufe. Zusammen machen die Verwaltungseinheiten und Abstimmungen in den Kommunen die regionale Entwicklung oftmals mühsam.

SPD-Politiker Peter Hofelich war einer der Initiatoren des Verbands Region Stuttgart

Dabei war alles anders geplant. Daran erinnert Peter Hofelich. Der 66-jährige SPD-Landespolitiker gehört zu den Initiatoren des Verbands. „Unsere Partei hat die Gründung damals stark vorangetrieben“, erinnert er sich. Populär sei zu dieser Zeit das Ziel eines Europas der Regionen gewesen. „Die Vorstellung war, die Landkreise irgendwann aufzulösen und einen großen Regionalkreis zu bilden.“ Bürokratieabbau statt -aufbau. Von einer solchen Idee ist die Kommunalpolitik heute ebenso weit weg wie die EU-Mitglieder davon, den Staat in der Europäischen Union aufgehen zu lassen.

Die politische Entwicklung der Region sei irgendwo auf dem Weg zum Ziel stecken geblieben, stellt er fest. Geschadet hat es der Gegend offenbar nicht. Die Region gehört zu den wirtschaftlich besten in Europa. Insofern sieht Hofelich große Erfolge. Der Ruf des lang anhaltenden Erfolgs ist vor allem aber der Auto- und Maschinenbauindustrie zu verdanken. Die Kommunalpolitik hinkt mit ihren Entscheidungen und ihrer Investitionsbereitschaft der Wirtschaftsentwicklung oftmals hinterher. So herrscht ein chronischer Mangel an Gewerbegebieten, obwohl es Potenzial gäbe, neue auszuweisen, wie der Regionalverband den Kommunen vorhält. Aber die Gemeinderäte (die in Baden-Württemberg auch in Städten so heißen) tun sich schwer, weil in den verdichteten Räumen mit Bürgerprotesten zu rechnen ist.

Breitbandausbau kommt trotz Druck nur langsam voran

Trotz Druck aus der Industrie, die bei der Digitalisierung vorankommen und an der Entwicklung des autonomen Fahrens beteiligt sein möchte, kommt der Breitbandausbau nur langsam in Schwung. In ländlichen Räumen tröpfeln die Daten vielerorts noch durch Kupferleitungen. Gleiches abgebremstes Ausbautempo gilt für den ÖPNV. Nachdem der von den Verbandskommunen finanzierte Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) Jahr für Jahr die Fahrpreise erhöht hat, wird im April eine Tarifreform in Kraft gesetzt, die besonders Stuttgart-Pendlern zugutekommt.

Verwaltungsgerichte hatten mit ihren Urteilen zu den aus ihrer Sicht mangelhaften Luftreinhalteplänen die Entscheidungen der Kommunen beschleunigt. Ein Dieselfahrverbot für die baden-württembergische Landeshauptstadt war die Quittung für die auto­orien­tierte Verkehrspolitik der Region.

Finanzierung durch Umlage von 20 Millionen Euro

Die Verbandsarbeit wird über eine Umlage in Höhe von 20 Millionen Euro jährlich von den Kommunen finanziert. 14 Millionen Euro fließen über die Wirtschaftsförderung in die Landkreise zurück. Mitarbeiter der WRS arbeiten vor Ort in den Landratsämtern, um die Wege zu den Unternehmen kurz zu halten. Kontrolliert wird der Verband von der Regionalversammlung. Die 87 Mitglieder werden direkt gewählt – zuletzt vor fünf Jahren. Nun stehen im Mai gemeinsam mit der Europawahl die Kommunalwahlen an.

Selten ist man sich im Verband darüber einig, welche Aufgaben auf welcher Ebene besser zu lösen sind. Besonders den Landkreisen und den kleineren Kommunen behagt der Regionalgedanke nicht. Die größeren Städte zeigen sich aufgeschlossener. Die SPD hat vier Oberbürgermeister in der Regionalversammlung. Im Ringen um Kompetenzen sind seltsame Kompromisse entstanden: Die Region ist für die S-Bahn und Expressbusse zuständig, die Landkreise für die übrigen Busverkehre. Es gibt eine gemeinsame Regional- und Verkehrsplanung. Aber deren Umsetzung ist vom Willen der lokalen Gremien abhängig.

Neue Plattform „Kommunale Pool Region Stuttgart e.V.“

Auf regionaler Ebene ist viel Abstimmungsarbeit notwendig – gerade was die Wirtschaftsförderung angeht. Dazu wurde der „Kommunale Pool Region Stuttgart e.V.“ als neue regionale Ansprechpartnerin eingerichtet. Vorsitzender ist seit Sommer Martin Kaufmann, SPD-Oberbürgermeister von Leonberg (48.000 Einwohner). Etwa die Hälfte der 179 Kommunen sowie die fünf Landkreise sind Mitglied.

Auf der informellen Plattform muss der 52-Jährige den Ausgleich zwischen den Kommunen und der Region finden, aber auch zwischen noch sehr ländlichen Räumen sowie der Großstadtzone in und rund um Stuttgart. „Ich werde mich für einen starken Zusammenschluss mit Blick auf unsere gemeinsamen Ziele einsetzen und dabei die Sichtweise der Kommunen aktiv in die Wirtschaftsförderung der Region Stuttgart einbringen“, hat sich Martin Kaufmann vorgenommen.

 

Autor*in
Uwe Roth

ist freier Journalist. Er ist Mitglied im Verein Deutsches Institut für Normung und dort im Redaktionskreis für eine DIN Einfache Sprache. Webseite: leichtgesagt.eu

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