Viel Geld für den Gesundheitsdienst
für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) kann die Corona-Krise eine Chance sein. So sieht es Johannes Nießen, Vorsitzender des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD). Denn in der Vergangenheit wurde in diesem Bereich gerne gespart, wenn Kommunen knapp bei Kasse waren. „Das Gesundheitsamt war oft der Steinbruch, weil nicht immer jedem politischen Entscheider klar war, was da eigentlich passiert“, sagt Nießen. Mit der Pandemie sei die Sinnhaftigkeit des ÖGD allen klar geworden. Und nun fließt Geld ins System, viel Geld.
Vier Milliarden Euro für die Gesundheitsämter
Im September 2020 hat die damalige Bundesregierung mit den Regierungschefinnen und -chefs der Länder einen „Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“ beschlossen. Damit sagte der Bund zu, bis zum Jahr 2026 vier Milliarden Euro in den ÖGD zu investieren. Das Geld soll vor allem für mehr Personal, Digitalisierung und modernere Strukturen ausgegeben werden. Was genau zu tun ist, soll ein externer Beirat feststellen, dem relevante Institutionen und Sachverständige angehören. Im Oktober 2021 hat der Beirat einen Zwischenbericht vorgelegt. Daran knüpft die neue Ampel-Koalition an und verspricht im Koalitionsvertrag, das notwendige Geld für einen dauerhaft funktionsfähigen ÖGD bereitzustellen.
Der „Pakt für den ÖGD“ definierte aber auch konkrete Ziele. Etwa, dass bis Ende 2021 mindestens 1.500 neue Stellen geschaffen und mit Ärztinnen und Ärzten, Fach- und Verwaltungspersonal besetzt werden sollten. Bis Ende 2022 sollen weitere 3.500 Vollzeitstellen entstehen. Bisher läuft es offenbar nach Plan: Laut Medienberichten wurden bis Januar dieses Jahres bereits mehr als 2.000 neue Stellen geschaffen. Eine offizielle Zahl liegt noch nicht vor, das Gesundheitsministerium wertet derzeit die Ergebnisse einer Befragung aus.
Für die Digitalisierung hat der Bund 800 Millionen Euro eingeplant. Auch hier geht es voran, wie der BVÖGD-Vorsitzende Nießen bestätigt. „Die Grundsteine sind gelegt. Es geht im Wesentlichen darum, eine einheitliche Software zu generieren.“ Aktuell gebe es fünf oder sechs verschiedene Software-Anbieter, die in verschiedenen Bundesländern auf unterschiedliche Weise Daten erheben. Das soll zusammengeführt und standardisiert werden. Ansätze gibt es bereits, beispielsweise die Software „DEMIS“, mit der Labore Corona-Infektionsmeldungen an die Gesundheitsämter übermitteln. Diese wiederum nutzen „SurfNet“, um die Informationen an die Landesgesundheitsämter und ans Robert-Koch-Institut weiterzutragen.
Mittel sollen direkt an Ämter fließen
Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) erklärt auf Nachfrage: Vom Digitalisierungs-Budget sei ein Teilbetrag von 65 Millionen Euro für die Bundesländer vorgesehen. Diese können das Geld für landesspezifische Programme einsetzen. Der Großteil der 800 Millionen soll jedoch direkt an die Gesundheitsämter gezahlt werden. Um dafür bundesweit einheitliche Kriterien anlegen zu können, wurde im vergangenen Jahr ein Reifegrad-Modell zur Digitalisierung der Gesundheitsämter erstellt. Im Frühjahr 2022 sollen die konkreten Förderbedingungen veröffentlicht werden, sodass ab der zweiten Jahreshälfte Geld an die Gesundheitsämter fließen kann.
Ein dritter Schwerpunkt des Paktes: Die Verbindungen zwischen Öffentlichem Gesundheitsdienst und Wissenschaft sollen ausgebaut werden. Denn die Arbeit der Gesundheitsämter wurde in der Forschung und Lehre bisher vernachlässigt. Das BMG fördert nun Forschungsvorhaben, die helfen sollen Praxis und Wissenschaft zu vernetzen.
Einige denken schon jetzt über den „Pakt für den ÖGD“ hinaus. Etwa Krefelds Gesundheitsamtsleiter David Nowak. Er gehört zu den Verfassern eines Positionspapiers zum ÖGD, das der Vorstand der SGK Nordrhein-Westfalen im Februar beschlossen hat. Darin wird ein ÖGD-Pakt 2.0 gefordert, um die Gesundheitsämter zukunftsfit zu machen. „Wir fragen uns: Was passiert nach 2026?“, erklärt Nowak. In der Vergangenheit seien die Gesundheitsämter maßlos unterfinanziert gewesen. Dass der Bund nun vier Milliarden gibt, sei hilfreich und „mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.“ Es sei aber nicht genug. Wie die langfristige Perspektive aussehen soll, müsse auch die zukünftige Landesregierung beantworten, meint Nowak.
- Ein ausführliches Interview mit Johannes Nießen lesen Sie hier.
- Das DEMO-Gespräch mit David Nowak können Sie hier als Video ansehen.
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.