Warum die Gewerbesteuer reformreif ist

Trotz aller Kritik: Kommunen sollen auf die Gewerbesteuer nicht verzichten. Aber sie muss neu gestaltet werden. Ein Gastbeitrag von Finanzwissenschaftler Mario Hesse.
von Mario Hesse · 30. Mai 2022
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Die Gewerbesteuer ist die wichtigste kommunale Einzelsteuer. Reichlich 40 Prozent ihrer Steuereinnahmen generieren die Gemeinden aus der Gewerbesteuer. Die steuerliche Bemessungsgrundlage wird bundesweit einheitlich ermittelt, die Gemeinden können darauf ihren Hebesatz anwenden, der durchschnittlich bei 400 Prozent liegt und einer tariflichen Belastung der besteuerten gewerblichen Gewinne von 14 Prozent entspricht. Vom Brutto-Aufkommen führen die Gemeinden rund neun Prozent als Gewerbesteuerumlage ab. Das übrige Aufkommen verbleibt vollständig bei der Sitzgemeinde des Unternehmens.

Im Jahr 2019 waren das insgesamt rund 47 Milliarden Euro. Im Krisenjahr 2020 ging das Aufkommen um 13 Prozent zurück, um ein Jahr später mit 56 Milliarden Euro bereits wieder höher zu liegen als vor der Krise. Betreibt ein Unternehmen Betriebsstätten in mehreren Gemeinden, so wird der Zahlbetrag nach der Lohnsumme auf die verschiedenen Gemeinden verteilt. Somit besteht eine enge Verbindung zur örtlichen Wirtschaft und zum lokalen Arbeitsmarkt. Mit dem Hebesatz können die Gemeinden zusätzlich das Aufkommen steuern. Dieser lässt sich folglich als eine Art Entschädigung für kommunale Infrastrukturleistungen und permanentes Arbeiten an der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes verstehen, die viele damit verbundene Aufgaben kompensiert, aber auch die Lasten, die durch gewerbliche Aktivitäten in der Gemeinde erduldet werden müssen.

Abhängigkeit von der Profitabilität lokaler Unternehmen

Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die Hebesätze in größeren Städten in der Regel deutlich höher sind als in kleinen Gemeinden. Spiegel der Standortqualität Die örtliche Verankerung hat jedoch ihre Grenzen. So müssen kommunale Leistungen auch dann erbracht werden, wenn Unternehmen aufgrund ihrer unternehmerischen Situation kaum oder keine Gewerbesteuer zahlen. Ebenso zahlen hoch profitable Unternehmen ­sicherlich mehr Gewerbesteuer als sie an kommunalen Leistungen erhalten. Insofern ist nur eine indirekte Verbindung gegeben – der Hebesatz ist ein Spiegel der Standortattraktivität, aber keine Gebühr für kommunale Gegenleistungen. Die Gewerbesteuer greift auf unternehmerische Erträge zu und hängt insofern sehr stark von der Profitabilität der lokalen Unternehmen ab.

Oftmals ist die Hebesatzpolitik jedoch auch ein Spiegel wirtschaftlicher Not der Kommunen, wie in Nordrhein-Westfalen, im Saarland oder in Sachsen, wo die Hebesätze besonders hoch sind. Kritik an der Gewerbesteuer wird regelmäßig sowohl aus dem kommunalen Umfeld als auch aus der Wissenschaft laut. Einige Stimmen forderten in der Vergangenheit sogar ihre vollständige Abschaffung. Ein solcher radikaler Vorschlag ist jedoch, nicht nur mit Blick auf den Verzicht auf das Aufkommen, sehr kritisch zu sehen. Unternehmen leisten zwar auch andere Steuern, allerdings nur mit schwächerem Bezug zur Sitzgemeinde. Vom Aufkommen der Körperschaftsteuer erhalten die Gemeinden nichts. Personengesellschaften zahlen neben der Gewerbesteuer auch Einkommensteuer, wobei beide Steuern miteinander verrechnet werden.

Viele Gewerbe von der Steuer ausgenommen

Allerdings erhalten die Gemeinden vom Aufkommen nur 15 Prozent, während das Aufkommen der Gewerbesteuer – nach Abzug der Gewerbesteuerumlage – vollständig bei den Gemeinden verbleibt. In diesem Zusammenhang ist kritikwürdig, dass viele Gewerbe von der Gewerbesteuer ausgenommen sind, vor allem die freien Berufe. Sie zahlen zwar Einkommensteuer, die jedoch mehrheitlich nicht in der Gemeindekasse verbleibt. 

Zudem wird die starke Reaktion der Gewerbesteuer auf konjunkturelle Schwankungen regelmäßig kritisch gesehen – naturgemäß vor allem in Krisenzeiten. Einerseits ist dies ein allgemeines Merkmal der Ertragsbesteuerung und kein Grund, unternehmerische Gewinne unbesteuert zu lassen. Andererseits könnten zukünftig verstärkt Komponenten besteuert werden, die unabhängig von den Erträgen sind und dennoch die gewerbliche Aktivität im Fokus haben. Dies erschwert auch die Aktivitäten von „Hebesatz-Oasen“ wie Eschborn, Monheim oder Schönefeld. Ein verwandter Kritikpunkt ist die Konzentration der Steuerzahlungen auf wenige Unternehmen.

Ausreichend Vorschläge für Verbesserungen

Dies ist jedoch ein Spiegel dafür, dass sich die gewerblichen Erträge ebenso bei wenigen (größeren) Unternehmen konzentrieren und kein Grund, auf die Gewerbesteuer zu verzichten. Benötigen die Gemeinden also dringend die Gewerbesteuer? Ganz klar: Ja. Ist sie zwingend in ihrer aktuellen Fassung zu erhalten? Ziemlich sicher: Nein. Vorschläge zur Verbesserung gibt es genügend. Hierzu müssten die Zielstellungen definiert werden, die die Gewerbesteuer erfüllen soll, und mitunter bekannte Pfade verlassen werden.

Autor*in
Mario Hesse

Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur Finanzwissenschaft im Institut für öffentliche Finanzen und Public Management der Universität Leipzig sowie Mitglied im Kompetenzzentrum öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge.

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