Was der „Nazinotstand“ für Dresden bedeutet

Unter der Überschrift „Nazinotstand?“ hat der Dresdner Stadtrat eine Grundsatzerklärung gegen Rechts beschlossen. Die Vorsitzende der SPD-Fraktion Dana Frohwieser sagt, wie es dazu kam, und was der Beschluss für Dresden bedeutet.
von Kai Doering · 5. November 2019
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„Dresden ruft den Nazinotstand aus“, haben verschiedene Medien am Wochenende nach einem Beschluss des Stadtrats geschrieben. Stimmt das?

Nein. Wir haben nicht den Nazinotstand ausgerufen, sondern eine Grundsatzerklärung gegen antidemokratisches und menschenfeindliches Denken und zur Stärkung der Demokratie und der Zivilgesellschaft in Dresden abgegeben. Der Begriff „Nazinotstand“ geht zurück auf den Stadtrat Max Aschenbach von „Die Partei“, der ihn – versehen mit einem Fragezeichen – über den Antrag geschrieben hatte. Immerhin war es seine Initiative, die wir als SPD-Fraktion mit ihm in die Worte des Antrages gegossen haben.

Kritiker behaupten, Dresden bekomme mit dem Begriff erst recht einen rechten Stempel.

Das sehe ich nicht so. Dresden hat ein Problem mit Rechten, egal welchen Begriff man dafür verwendet. Mit unserem Beschluss wehren wir uns dagegen und betonen auch, wofür Dresden eigentlich stehen sollte. Deshalb bin ich fest davon überzeugt, dass er dem Image der Stadt sogar nutzen wird.

Oberbürgermeister Dirk Hilbert hat sich, wie andere auch, inzwischen von dem Begriff distanziert. Sie stehen weiter dazu?

Die Diskussion ist richtig und wichtig, darf aber nicht am Begriff „Nazinotstand“ Halt machen. Ich finde es schade, dass er inzwischen mit dem Vorwurf des Populismus in Verbindung gebracht wird. Wir haben ja bereits in den vergangenen zwei Monaten innerhalb des Stadtrats darüber diskutiert, was in der Grundsatzerklärung stehen soll, damit sich ihr möglichst viele Stadtvertreter anschließen können. Gemeinsam mit Linken, Grünen und der FDP sowie drei fraktionslosen Stadträten haben wir eine gemeinsame Formulierung gefunden, sodass am Ende 39 von 69 Stadtratsmitgliedern zugestimmt haben.

29 Mitglieder haben den Antrag abgelehnt, neben der AfD-Fraktion und den Freien Wählern auch die CDU. Wie bewerten Sie das?

Wir haben lange darum gerungen, dass auch die CDU der Erklärung zustimmt. Deshalb bedauere ich ihre Ablehnung sehr. Allerdings hatte sie zwei Bedingungen gestellt, die wir nicht erfüllen konnten. Obwohl der Begriff „Nazinotstand?“ nie Teil des Antrags war, sondern lediglich in der Überschrift stand, wollte die CDU ihn unbedingt streichen. Das war aber nur ein Nebenschauplatz. Das eigentliche Problem war, dass sie gefordert hat, dass an jeder Stelle, an der in der Erklärung das Wort Rechtsextremismus auftaucht, auch Linksextremismus ergänzt werden müsse. Das war mit uns nicht zu machen.

Warum nicht?

Wer nach den Morden der letzten Wochen und Monate immer noch nicht verstanden hat, dass viele auf dem rechten Auge blind gewesen sind, dem ist nicht zu helfen. Unsere Demokratie wird momentan massiv von rechts bedroht. Darauf wollen wir aufmerksam machen. In unserer Erklärung steht übrigens auch ganz klipp und klar, dass wir politisch motivierte Gewalt in jeglicher Form ablehnen – egal aus welcher Richtung sie kommt.

Das fremdenfeindliche Bündnis Pegida hat sich in Dresden gegründet. Gerade hat es sein fünfjähriges Bestehen gefeiert. Warum gibt es so wenig Gegenwehr aus der Stadtgesellschaft?

In Dresden gibt es durchaus sehr viel zivilgesellschaftliches Engagement, das regelmäßig gegen Pegida mobilisiert und demonstriert, aber medial nicht unbedingt immer so wahrgenommen wird. Es gibt aber auch viele Menschen, die aus den verschiedensten Gründen schweigen und keine klare Haltung beziehen. Andere werden bedroht und geben ihre Ämter auf. Über kurz oder lang wird das zu einem riesigen Problem für die Demokratie. Deshalb brauchen wir klare Bekenntnisse wie das, das wir in der vergangenen Woche als Stadtrat abgegeben haben. Noch wichtiger sind aber natürlich konkrete Maßnahmen wie etwa unser lokales Handlungsprogramm für Demokratie oder kulturelle wie politische Bildungsarbeit.

Der Beschluss des Stadtrats hat nun Leitlinien zur Stärkung der Demokratie festgelegt. Wie geht es jetzt konkret weiter?

Aus Sicht der SPD spielt vor allem die politische Bildung in Dresden eine ganz entscheidende Rolle. Viele Menschen wissen gar nicht, welche politische Ebene für welche Entscheidungen zuständig ist und welche Rolle sie in unserer Demokratie spielen. Ein weiterer Punkt wird die Stärkung der kommunalen Infrastruktur sein. Das hat auf den ersten Blick wenig mit der Demokratie zu tun, aber wenn Dienstleistungen wie die Musikschule oder die Stadtreinigung in kommunaler Hand sind und funktionieren, schafft das auch Vertrauen in die Politik.

Das Interview ist zuerst auf vorwaerts.de erschienen.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Der studierte Politikwissenschaftler twittert unter @kai_doering.

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