Wie Mecklenburg-Vorpommern auf demografische Veränderungen reagieren muss
Mecklenburg-Vorpommern vergreist zusehends. Lag der Altersdurchschnitt 1990 noch bei rund 36 Jahren, sind es heute bereits rund 48 Jahre – und laut Prognosen 2030 sogar 51 Jahre. Schon jetzt ist jeder vierte der 1,6 Millionen Einwohner älter als 65. Das trifft vor allem ländliche Regionen, in denen es weder Universitäten noch ausreichend Industrie gibt. Dass das Land in „besonders rasanter Weise von den Auswirkungen der demografisch bedingten Veränderungen betroffen“ ist, räumt auch der Schweriner Landtagsabgeordnete Jörg Heydorn (SPD) ein. So erarbeitete unter seiner Leitung eine Enquete-Kommission in vierjähriger Arbeit den Bericht „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“, den er kürzlich im Landtag vorstellte.
Ältere Menschen sind schlecht versorgt
Es gibt bereits jetzt Projekte, mit denen engagierte Bürger diesen Problemen punktuell zu Leibe. So macht im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte ein Bürgerbus von sich reden, der einzig durch private Initiative rollt. Träger ist der Verein Törpiner Forum, benannt nach einer 700-Seelen-Gemeinde. Gegründet und geleitet von dem Chemiker und Balneologen Prof. Dr. Dr. Helmut G. Pratzel, profiliert er sich schon seit zehn Jahren mit innovativen Projekten zur Förderung der Jugend- und Altenhilfe. Er betreibt in Törpin ein Vereinshaus mit Bibliothek, Interneträumen und Festsaal und agiert zudem als Zentrum eines Bundesprojektes zur Schulung von Senioren im Umgang mit altengerechten Assistenzsystemen für ein selbstbestimmtes Wohnen.
Törpiner Forum startet eigenen Bürgerbus
Pratzel sieht dieses Angebot, für das die Nutzer 34 Cent pro Kilometer zahlen, weder in Konkurrenz zu den kommunalen und gewerblichen Trägern, noch wäre man damit „im laufenden Betrieb auf Zuschüsse angewiesen“. Am Steuer sitzen zumeist Bundesfreiwillige, die der Verein auch für andere Tätigkeiten angestellt hat und die er mit dem üblichen monatlichen Taschengeld alimentiert.
Gesellschaftliche Teilhabe vieler Älterer ist beeinträchtigt
Um jedoch nicht ins Blaue hinein zu planen, erfolgte zunächst eine Evaluierungsphase, in der an 3800 Haushalte im Amtsbereich Fragebögen gingen. Denn der ÖPNV – ganz gleich, ob kommunal oder privat betrieben – verfüge ja über „keine eigenen Bedarfszahlen“, moniert Pratzel: „Er weiß nur, wer an der Haltestelle steht, nicht aber, wer dort gern stehen würde oder könnte...“ Derzeit werte man nun die Antworten aus, wobei er einräumt, dass eine Rücklaufquote um neun Prozent – von denen nur die Hälfte verwertbar sei – noch nicht wirklich aussagekräftig wäre. Dennoch checken die Vereinsmitglieder nun bereits die Ergebnisse mit den Bürgermeistern im Amtsbereich und setzen sich mit Wissenschaftlern der Uni Rostock sowie Verkehrs-, Senioren- und Behindertenexperten zusammen, um eine reale Umsetzung des Projektes auszuloten. Indes ist der Professor sicher: „Spontane Mobilitätsbedarfe kann die Bürgergesellschaft letztlich nur in eigener Regie lösen.“
Harald Lachmann
ist diplomierter Journalist, arbeitete zunächst als Redakteur bei der Leipziger Volkszeitung, zuletzt als Ressortleiter Politik, und schreibt heute als freier Autor und Korrespondent für Tages-, Fach- sowie Wirtschaftszeitungen. Für die DEMO ist er seit 1994 tätig.