Schulze zu Feinstaubdebatte: „Fakten verdreht und Bevölkerung verunsichert“

Bundesumweltministerin Svenja Schulze hat in einer Pressekonferenz am Montag die von Lungenärzten ausgelöste Debatte um Schadstoffgrenzwerte kritisiert. Es seien Fakten verdreht und die Bevölkerung verunsichert worden.
von ohne Autor · 29. Januar 2019
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In den vergangenen Tagen hat eine durch 100 Lungenfachärzte ausgelöste Debatte über Schadstoffgrenzwerte für viel Aufsehen gesorgt. Am Montag äußerte sich Bundesumweltministerin Svenja Schulze in einer Pressekonferenz zu den Vorwürfen. „Verunsicherung kann und darf nicht die Aufgabe verantwortlicher Politiker sein“, sagte Schulze. Die Debatte über den Sinn europäischer Grenzwerte von Stickoxiden und Feinstaub trage nicht zur Versachlichung bei. Stattdessen seien „Fakten verdreht und die Bevölkerung verunsichert“ worden, kritisierte die Ministerin.

Grenzwerte als Garantie für saubere Luft

Die europaweit festgelegten Grenzwerte seien eine gesellschaftliche Garantie für saubere Luft: „Sie schützen die Gesundheit aller Menschen und beugen Krankheiten vor.“ Diese Vorsorge sei eine wichtige Errungenschaft des Rechtsstaates. Deswegen sehe Schulze keinen Anlass, die festgelegten Grenzwerte abzuschwächen. Zudem sei die in der vergangenen Woche dargestellten Position der 100 Lungenfachärzte in der wissenschaftliche Debatte eine Minderheitsmeinung.

Die große Mehrheit der deutschen Großstädte – 249 von 314 – überschreite die Grenzwerte nicht. Dass einige Städte zu hohe Stickoxid-Belastungen aufwiesen, führt Schulze in erster Linie auf Verfehlungen der Autoindustrie beim Thema Diesel zurück. „Ich will keine Fahrverbote, aber die Lösung ist nicht, unseren Anspruch auf saubere Luft aufzugeben.“ Stattdessen müssten die Autos sauberer und die Alternativen zum Auto attraktiver werden, forderte Schulze. Sie erwarte von den Autoherstellern mehr Engagement, um Diesel-PKW nachzurüsten.

50.000 Lebensjahre verloren

Die Präsidentin des Umweltbundesamtes Maria Krautzberger pflichtete Schulze bei. Sie bezifferte den Anteil von Diesel-PKW an Stickstoffdioxidemissionen in deutschen Großstädten auf 70 Prozent und sprach von daraus resultierenden gesundheitlichen Belastungen. „Der deutschen Bevölkerung gingen im Jahr 2014 rund 50.000 Lebensjahre durch Stickstoffdioxid verloren“, sagte Krautzberger. Daher gäbe es immer noch „dringenden Handlungsbedarf in verkehrsreichen Ballungsgebieten“. Zur Kritik an ihrer Arbeit sagte Krautzberger: „Uns wurden bis heute keine Studien präsentiert, die unsere Ergebnisse widerlegen.“

Christian Witt, Professor für Lungenheilkunde an der Berliner Charité, wies darauf hin, dass es in Deutschland circa 70.000 Publikationen zu Feinstaubbelastungen gebe. „Das sind die bestuntersuchten Substanzen, die wir haben“, sagte der Mediziner. Die kausale Wirkung sei durch Laborversuche belegt worden. Aufgrund von Neubewertungen gibt es laut Witt inzwischen auch keine untere Grenze mehr, welche Schadstoffbelastungen als ungefährlich eingestuft werden könnten. Folglich sei – ähnlich wie bereits in der Schweiz und in Österreich – über niedrigere Grenzwerte nachzudenken.

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