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Dunkel und trotzdem sicher: auf Pellworm kann man Milchstraße gucken

Am besten lassen sich Sterne in der dunklen Jahreszeit gucken. Doch in den meisten Gegenden ist dazu wegen der Straßenbeleuchtung zu hell. Eine Ausnahme sind Sternenparks und Sterneninseln wie Pellworm. Geht die Nachthimmel-Romantik zulasten der Sicherheit?

von Susanne Dohrn · 13. September 2024
Dunkler Turm vor Sternenhimmel

Eindrucksvoll: der Sternenhimmel über der Alten Kirche von Pellworm. Die Turmruine gebaut um 1200 prägt das Bild der Insel.

„Die Leute sind erstaunt, wie hell die Sterne leuchten, und wie beeindruckend der Nachthimmel hier ist!“ Das sagt Thomas Tallowitz. Er ist Mitbegründer der Initiative „Sterneninsel Pellworm“. Er weiß: Es wird in Deutschland immer schwieriger, Sterne und Sternschnuppen zu gucken oder die Milchstraße am Himmel zu entdecken. Inzwischen ist der Sternenhimmel fast flächendeckend unsichtbar, denn es ist nachts wegen der Straßenbeleuchtung in unseren Städten und Gemeinden einfach zu hell. Eine Ausnahme sind Sternenparks oder Sterneninseln wie Pellworm.

Künstliches Licht gefährdet Tiere

Kommunalpolitische Initiativen, Lichtverschmutzung zu verringen und Straßenlaternen zu später Stunde abzuschalten, scheitern zumeist. Dabei schadet zu helle Beleuchtung nicht nur dem Schlaf-Wach-Rhythmus von Menschen, sondern auch den Nachttieren.

Insekten werden von Straßenlaternen oder hellen Schaufenstern regelrecht angezogen. Sie umkreisen die Lichtquellen, bis sie vor Erschöpfung sterben. Zugvögel werden von künstlichem Licht mitunter so stark irritiert, dass sie direkt auf beleuchtete Hochhäuser, Brücken oder Funktürme zufliegen. Sie sterben beim Zusammenprall oder umkreisen die Objekte lange und verlieren so wertvolle Kraftreserven, für ihre Reise in den Süden, heißt es beim NABU, dem Naturschutzbund Deutschland. 

Den Argumenten entgegen steht das Sicherheitsbedürfnis der Menschen. Dunkle Straßen in tiefer Nacht empfinden die meisten als bedrohlich.

Die Taschenlampe immer dabei

In Pellworm gibt es traditionell sehr wenig Straßenbeleuchtung. „Wir haben nur 130 Straßenlaternen auf der Insel“, sagt Tallowitz. Künstliche Beleuchtung gibt es nur am Hafen und in der Fußgängerzone des größten Inselorts Tammensiel (knapp 100 Einwohner). „Deshalb hatten wir mit der Straßenbeleuchtung kein Problem“, so Tallowitz. Er arbeitet auf der Insel im Rettungsdienst und trieb zusammen mit Oliver Jedath die Anerkennung zur Sterneninsel ehrenamtlich voran. „Die meisten Pellwormer sind es gewohnt, im Dunkeln eine Taschenlampe dabei zu haben.“ 

Erster Schritt war herauszufinden: Wo muss Licht brennen? Wo kann Licht brennen? Wie hell und wie weiß darf es sein, um von der International Dark-Sky Association anerkannt zu werden, die sich seit 1988 dem Kampf gegen die Lichtverschmutzung engagiert?

Beraten wurden Tallowitz und Jedath von dem deutschen Sternenpapst, Physiker und Astronomem Andreal Hänel von der Vereinigung der Sternenfreunde e.V. „Man darf Licht haben“, sagt Tallowitz. Doch es gibt Kriterien für die Beleuchtung, damit der Sternenhimmel nicht im Lichtsmog verschwindet. 

Ausreichend Licht

Der Hafen von Pellworm mit der neuen Beleuchtung, die weniger hell und nicht nach oben strahlt.

Beleuchtete Hafenstraße

Die Pellwormer Hafenanlagen müssen aus Sicherheitsgründen die ganze Nacht beleuchtet bleiben. Nachts legen zwar keine von Nordstrand kommenden Fähren an, jedoch Fischerboote oder auch mal der Seenotrettungskreuzer. Wird die Helligkeit der Beleuchtung gedrosselt und die Farbtemperatur angepasst, sodass die Lampen gelblich leuchten und nur nach unten strahlen, entspricht das den Dark-Sky-Regularien. In Tammensiel geht die Beleuchtung nun in der Dämmerung an und um 22 Uhr aus. Im Sommer, wenn es nachts kaum dunkel wird, leuchten die Straßenlaternen nur eine halbe Stunde lang oder gar nicht. Im August 2021 erhielt Pellworm die offizielle Anerkennung als Sterneninsel und den Tourismuspreis des Landes Schleswig-Holstein.

Stolz auf die Auszeichnung

Hinter dem Ziel standen, abgesehen vom Schutz der ökologischen Zusammenhänge, auch ökonomische Überlegungen. Vermieter und Gastronomiebetriebe wünschen sich mehr Gäste in der Nebensaison, also in den Monaten mit dunklem Nachthimmel. Für zusätzliche touristische Attraktivität sorgt zudem, dass Pellworm seit 2023 Biospäreninsel ist, und damit Teil des Biosphärenreservats Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer. Biosphärenreservate sind von der UNESCO initiierte Modellregionen, in denen eine nachhaltige Entwicklung in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht exemplarisch verwirklicht werden soll. 

„Das mit der Sterneninsel war eine richtig gute Idee engagierter Pellwormer. Sie passt perfekt zu einer Insel mitten im Nationalpark Wattenmeer, zeigt die Besonderheit Pellworms auf eine ganz neue Art und Weise und bietet unseren Gästen ein tolles Erlebnis, ohne in die Natur einzugreifen. Wir sind sehr stolz auf die Auszeichnung der Dark Sky Association!“, sagt Tore Zetl, Ortsvereinsvorsitzender der Insel-SPD.

„Das größte Problem hatten wir im privaten Bereich“, sagt Tallowitz. Wenn Hausbesitzer Spots an ihren Fassaden anbringen, die sehr hell nach unten und nach oben strahlen, durchkreuzt das die Idee der Sterneninsel. Deshalb mussten die Initiatoren für die Anerkennung als Sterneninsel drei Häuser präsentieren, deren Eigentümer bereit waren, ihre Beleuchtung umzurüsten. Das war die härteste Nuss. „Wir haben mit sehr vielen Hausbesitzern gesprochen, und festgestellt, dass Licht eine sehr emotionale Sache sein kann“, so Tallowitz. Zum Glück konnten die drei Häuser präsentiert werden.

Die Insel sieht sich als Vorbild

Bürgermeisterin Astrid Korth, parteiloses Mitglied der SPD-Fraktion: „Auf Pellworm gibt es die Möglichkeit in die unendliche Weite der Sterne zu blicken. Was für die Insulaner ein bekannter Zustand ist, bietet sich auch für unsere Gäste an. Die gute Resonanz zeigt, dass wir auf den richtigen Weg sind. Das Projekt Sterneninsel zeigt uns die vielfältigen Möglichkeiten und wir freuen uns auf die weitere Ausgestaltung dieses Themas, auch anderen Kommunen Wege der Vermeidung der Lichtverschmutzung aufzuzeigen.“

Der Kur- und Tourismusverband unterstützt das Projekt, Sternengucker-Bänke erleichtern das Beobachten des Sternenhimmels (Fernglas mitnehmen) und Sternkieker-Führungen von Oliver Jedath. Weitere Sternenparks in Deutschland sind Westhavelland im Naturpark Westhavelland in Brandenburg und der Sternenpark Rhön im UNESCO-Biosphärenreservat Rhön im Dreiländereck Bayern, Hessen und Thüringen sowie die Nordseeinsel Spiekeroog. Für alle Sternenparks gilt: Warm anziehen, Fernglas mitnehmen und Abende möglich dicht am Neumond wählen, denn helles Mondlicht stört beim Sternegucken. 

Autor*in
Susanne Dohrn

ist freie Autorin und SPD-Ratsfrau in Tornesch

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