Hof Prädikow: Lange stand er leer, nun wohnen dort Familien
In Prädikow hauchen eine Stiftung, eine Genossenschaft und 50 Neusiedler einem großen Hof neues Leben ein. Das Projekt in Brandenburg zeigt, wie Kommunen Leerstand aktivieren können.
Harald Lachmann
Max Lisewski und seine Tochter haben in Prädikow ein Zuhause gefunden.
Das Herz des 250-Seelen-Dorfes Prädikow in der Märkischen Schweiz schlug mehr als 100 Jahre auf dem größten Vierseithof im heutigen Brandenburg. Es gab hier Tausende Rinder, Schweine, Hühner, entsprechend viel zu tun und damit ein geselliges soziales Leben mit Kneipe, Tanzsaal, Betriebskantine.
Schweizer waren es auch, die das einstige Gut mit seinen 14 nunmehr denkmalgeschützten Gebäuden – darunter eine frühere Brennerei – vor zwei Jahrzehnten wiederbeleben wollten. Sie waren schon die zweiten Nachwendebesitzer. Doch sie versagten ebenso wie ihre Vorgänger aus dem Rheinischen, die das opulente Anwesen von der Treuhand erworben hatten. Mit dem Kauf fielen ihnen auch Brennrechte zu, für welche sie schon bald weiter westwärts ein neues Werk errichteten – woraufhin sie Hof Prädikow wieder abstießen. So konnten die Eidgenossen nur noch das kupferreiche Interieur der Brennerei – Rührwerke, Riesenkochtöpfe, Gärtanks – zu Geld machen, um dann Prädikow ebenfalls den Rücken zu kehren.
In Prädikow ist Platz für Familien
Und dennoch ist im einstigen Schweizerhaus des Gutes – benannt nach dem früheren Namen der Melker-Gilde – nun neues Leben eingekehrt. Acht Familien, zumeist mit Kindern, haben hier ein neues Zuhause gefunden. Max Lisewski gehört zu ihnen, Grafikdesigner und wie fast alle aus Berlin zugezogen. Neben dem Schweizerhaus seien schon vier weitere Gebäude neu bewohnt, erzählt er. Auch wenn das Gut die Spuren der Zeit schwer verbergen kann – allem voran die geplünderte Brennerei. Aber sobald neues Geld flüssig sei, solle es weitergehen, so der 43-Jährige, der zu den Aktivisten jener sozial wie altersmäßig bunt gemischten Community gehört.
Alle eint ihr Status als Mieter. Denn dritter Nachwendebesitzer ist die Stiftung Trias aus Hattingen (Ruhr), die das Prinzip lebt, „Grund und Boden ist Gemeingut. Er muss allen Menschen zugänglich sein“. Und sie wiederum lässt den Hof von der Berliner Mietergenossenschaft SelbstBau e. G. bewirtschaften. Deren Vorstand erlaubte den Neusiedlern überraschend viel Mitsprache beim Ausbau der alten Katen und Stallungen zu individuellem Wohnraum. „Wir konnten uns stark einbringen, etwa bei Grundrissen“, erzählt Lisewski. Er sieht es als geradezu ideal an, „mit Mitte 30 als Erstbezieher viel Gestaltungsspielraum zu haben und eine Zukunftsvision zu sehen, ohne dafür in eine Kreditfalle zu geraten“.
Inzwischen leben 53 Erwachsene und 24 Kinder auf Hof Prädikow. Nicht immer herrscht eitel Sonnenschein, etwa zwischen Alteingesessenen und Zuzüglern, die „manche aus dem Altdorf wie ein Ufo empfinden“, weiß Simona Koß (SPD). Sie ist Bürgermeisterin von Prötzel, wozu Prädikow als Ortsteil gehört, und dank langer Jahre in Bundestag und Landtag gut vernetzt. So hilft sie den Neuen, Brücken zu bauen, an Fördertöpfe heranzukommen und Kontakte zu knüpfen.
Konflikte gehören auf dem Hof dazu
Doch auch zwischen den Neumietern blieben Reibungen nicht aus. Dabei hatte die Genossenschaft die Bewohner nicht auf dem freien Markt akquiriert. Viele waren von jenen, die auf dem Hof als erste Wurzeln schlugen, später handverlesen gesucht und gefunden worden. Schließlich wolle man eine Gemeinschaft mit ähnlichen Werten und solidarischen Sichten sein, so Max Lisewski. „Wir wollten uns also als Gruppe selbst finden und organisieren und mussten dazu klären, wer dazu passt“, verrät er. Auch weil es anfangs mehr Bewerber als Wohnraum gegeben habe. Mancher sei auch selbst wieder gegangen, doch heute funktioniere es: „Wir verstehen uns ganz gut, auch dank ausgiebiger interner Kommunikationsarbeit.“
Mittlerweile ist sogar ein Verein entstanden, in dem alle Hofbewohner als Mitglieder Stimmrecht haben. Er betreibt unter anderem in der früheren Gutsscheune ein Café sowie Veranstaltungsräume, entwickelt Visionen, kümmert sich um Fördermittel. Selbst wenn sich nicht alle hehren Ziele so leicht umsetzen lassen. Etwa die Wiederbelebung der „alten Praxis ländlichen Lebens“, den Hof wieder zum sozialen Brennpunkt gemeinsamen Lebens, Arbeitens und von Kultur zu gestalten. Dazu fehlt es an Geld ebenso wie an der Zeit vieler Gruppenmitglieder, die oft ihren Lebensunterhalt im 60 Kilometer weit entfernten Berlin verdienen.
Und doch freut sich SPD-Bürgermeisterin Simona Koß sehr über die Neu-Prädikower. Sie belebten das Dorfleben, etwa mit ihrer Kulturscheune, brächten sich in politische Debatten und die Kirchgemeinde ein, stünden „einfach für Zusammenhalt und Vielfalt im Dorf“. Auch wenn für die Zukunft des Gutes noch sehr viele Gelder benötigt würden. Max Lisewski sieht es denn auch eher nüchtern: „Die Gruppe, die hier jetzt lebt, hat eine gewisse Resilienz ausgebildet. Allen ist klar, dieser Hof bleibt immer eine Anforderung, man ist hier nie fertig.“
Dieser Bericht stammt aus der DEMO-Heftausgabe 2/2025. Hier können Sie das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik abonnieren.
Harald Lachmann
ist diplomierter Journalist, arbeitete zunächst als Redakteur bei der Leipziger Volkszeitung, zuletzt als Ressortleiter Politik, und schreibt heute als freier Autor und Korrespondent für Tages-, Fach- sowie Wirtschaftszeitungen. Für die DEMO ist er seit 1994 tätig.