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Katharina Kohl: Wie die Arbeit im Stadtrat Halle ihren Blick verändert hat

10. November 2025 11:23:58

Seit Katharina Kohl Stadtratsmitglied in Halle/Saale ist, schaut sie auch im Urlaub mit anderen Augen auf ihre Umgebung. Hier erzählt sie von ihrem ersten Jahr im Rat.

Katharina Kohl vor Straßenbahn

Katharina Kohl ist für die gute Straßenbahnanbindung ihrer Arbeitsstelle dankbar – einer von vielen Vorteilen ihrer Heimatstadt Halle/Saale.

DEMO: Mit welchen Vorstellungen und ­Zielen sind Sie in die kommunal­politische Arbeit gestartet?

Katharina Kohl: Ich fühle mich stark mit Halle verwurzelt, und diese Stadt ist von Kindergarten, über Schule und Studium samt Nebenjobs bis hin zu meinem Referendariat als Lehrerin immer meine Heimat gewesen.Ich möchte, dass jeder und jede sich in dieser Stadt so entfalten und einen Lebensanker finden kann, wie ich es ­durfte. Ich habe für den Stadtrat meiner Heimatstadt kandidiert, weil ich dazu beitragen wollte, dass Halle eine Stadt für alle Menschen sein kann. Sie sollen sich wohlfühlen können, unabhängig davon, ob sie schon länger hier leben oder erst neu zugezogen sind. Es muss für den eigenen Erfolg egal sein, in welchem Stadtteil jemand wohnt, wie viel Geld die Eltern verdienen oder welche Sprache die Verwandten und Freunde sprechen. Dieses gelingende Miteinander beginnt selten im Großen, sondern äußert sich immer im Konkreten und im Kleinen. Die Kommune ist der Bezugsraum der Menschen und die Herzkammer der Demokratie. Politik fängt genau hier an.

Ich habe vorher in einem Bildungsprojekt für erwachsene Migrantinnen, Migranten und Geflüchtete als Lehrkraft gearbeitet. Bildung ist hier im Besonderen der Schlüssel zum Erfolg und zur Integration. Ich wollte mich von Beginn an für mehr Sprach- und Integrationskurse sowie die ausreichende Ausfinanzierung solcher wichtigen Projekte, aber auch für mehr Partizipationsmöglichkeiten einsetzen.

Welche Überraschungen, Hürden und Erfolge gab es im ersten Jahr?

Ich muss zugeben, dass ich am Anfang unglaublich unsicher war. Es kamen so viele neue Dinge auf einmal auf mich zu: Die Auseinandersetzung mit anderen Fraktionen und politischen Ansichten, die konkrete Arbeit von Anträgen, Ausschuss- und Stadtratssitzungen und ganz vielen Nachfragen und Hinweisen im Familien- und Bekanntenkreis. Seitens der Verwaltung, der Beigeordneten und des damals amtierenden Bürgermeisters habe ich mich jedoch von Anfang an sehr gesehen gefühlt. Das hat mir zu Beginn weitergeholfen und ich konnte relativ zügig die Rolle der Stadträtin annehmen. Ich war nicht eine zufällig ausgeloste Vertreterin meiner Stadt, sondern von meinen Mitbürgerinnen und Mitbürgern gewählte Stadträtin. 

Katharina Kohl

Vielen Bürgerinnen und Bürgern sind die Möglichkeit, direkt an der Kommunalpolitik teilzuhaben, noch nicht klar genug.

Seit dem Wahlkampf begegnet mir immer wieder das Thema der „Ansprechbarkeit“. Vielen Bürgerinnen und Bürgern sind die Möglichkeiten, direkt an der eigenen Kommunalpolitik teilzuhaben, noch nicht klar genug. Daher freut es mich sehr, dass wir als SPD-Ratsfraktion mit unserem Format „Frag den Rat“ mittlerweile geschafft haben, eine gewisse Routine herzustellen, in der Bürgerinnen und Bürger direkt mit ihren Anliegen zu uns kommen können. Das wird auch zunehmend angenommen. An dem Nachmittag vor der Stadtratssitzung bieten wir eine Sprechstunde mit anwesenden Ratsmitgliedern und Sachkundigen an, um mit den Einwohnerinnen und Einwohnern über all ihre Themen ins direkte Gespräch zu kommen. Unsere Fraktion bietet zwar bereits von Montag bis Donnerstag eine tägliche Sprechzeit an, doch „Frag den Rat“ wird von uns medial stark beworben und das zeigt Erfolg.
Allerdings hat sich auch die Kommunalpolitik dahingehend verändert, dass wir es immer wieder mit einer undemokratischen Fraktion zu tun haben, die auch die Kommunalparlamente als Bühne für Hass und Hetze missbrauchen. Gerade in der Kommune ist es daher wichtig, dass alle demokratischen Fraktionen da standfest bleiben und dagegenhalten.

Welche Tipps haben Ihnen geholfen, die Stadtratsarbeit zu meistern?

Zu Beginn meiner Arbeit als Stadträtin half es mir, mich gut in die anstehenden Sitzungen, die Anträge und Ausschüsse einzulesen. Das war am Anfang eine zeitaufwendige Fleißarbeit, und insbesondere für die Aufsichtsräte musste ich mir auch betriebswirtschaftlich einiges anlesen. Für mich ist klar: Ich kann nur über etwas abstimmen, wenn ich auch die Grundlage der Anträge gelesen habe. Zugleich ist uns als SPD sehr wichtig, dass wir unsere Arbeit immer als Teamarbeit verstehen. Jeder Stadtrat und jede Stadträtin hat ihr Fachgebiet und arbeitet immer für die anderen mit.

Wie hat die Ratsarbeit Ihr Leben ­ verändert?

Ich bin zur Kommunalwahl angetreten und dachte, dass ich Halle sehr gut kenne. Aber ich habe meine Stadt noch mal ganz anders wahrgenommen und so viele andere Facetten, Menschen und ­Initiativen kennengelernt, die ich so sonst vielleicht nicht kennengelernt hätte. Das ist für mich jeden Tag eine große Freude. Die Arbeit als Stadträtin hat jedoch auch einen großen Einfluss auf mein Privatleben, und so reichen die Tage häufig nicht aus, um Beruf, Privatleben und ehrenamtliches Engagement unter einen Hut zu bekommen. Zudem hat mein Mandat auch meine Sicht auf ganz viele scheinbar kleinere Aspekte verändert. Im Urlaub sehe ich zum Beispiel andere Städte mit anderen Augen und laufe quasi mit einer kommunalpolitischen Brille herum. So schaue ich mir beispielsweise die Gestaltung der Marktplätze, Elemente der Barrierefreiheit, Fahrradwege, gastronomische Außenbereiche, Hundewiesen und Freiflächen für Jugendliche in anderen deutschen und europäischen Städten an. Das sieht man dann auch an den Urlaubsfotos: Trinkbrunnen, taktile Leitsysteme und Stadtbegrünungen. Kommunalpolitik ist allgegenwärtig geworden.

 

Dieses Interview wurde zuerst in der DEMO-Ausgabe 2/2025 veröffentlicht und ist Teil der Serie „Mein erstes Jahr um Rat”.

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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