Wie Gebäudesanierung sozialverträglich gelingen kann
Wie kann der Wohnungsmarkt in Klimaschutz investieren, ohne dass Mieterinnen und Mieter überfordert werden? Der Blick in die Praxis zeigt, wie sozialverträgliche Sanierung gelingen kann, aber auch welche Schwierigkeiten bestehen.
Stadt Fürth mbH
In Fürth steht das höchste Hybridgebäude Deutschlands mit massiven Holzaußenwänden.
Der Wohnungsmarkt hinkt beim Klimaschutz hinterher. Etwa ein Viertel des Endenergieverbrauchs entfällt auf private Haushalte, und davon werden mehr als zwei Drittel zum Heizen genutzt. Das geschieht vorrangig mit fossilen Energieträgern wie Öl und Gas. „Für mich ist klar: Wir müssen den Gebäudesektor bis 2045 klimaneutral bekommen“, sagt Verena Hubertz (SPD), Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. „Das geht nur, wenn wir alle mitnehmen, und es muss durch kluge Maßnahmen begleitet werden.”
Vor allem wird es darauf ankommen, Wohnen bezahlbar zu halten. Daran arbeitet die Regierung mit verschiedenen Maßnahmen, wie Hubertz betont: „Der Bund investiert bis 2029 die Rekordsumme von 23,5 Milliarden Euro in den Bau neuer Sozialwohnungen, die Länder geben einen mehr als genauso hohen Anteil obendrauf. Damit verbreitern wir das Angebot an bezahlbaren Wohnungen auf dem deutschen Mietmarkt deutlich.“
Außerdem stärke die Bundesregierung das Mietrecht. Nach der Verlängerung der Mietpreisbremse hat Justizministerin Stefanie Hubig zudem angekündigt, noch in diesem Jahr ein weiteres Gesetz zur Mietenregulierung vorzulegen. Insbesondere sollen die Regeln für das kurzfristige Vermieten möblierter Wohnungen verschärft werden, weil dies oft missbraucht wird, um die Mietpreisbremse zu umgehen.
Sanierung lässt Mieten steigen
Geht es nach dem Deutschen Mieterbund (DMB), müsste auch die Modernisierungsumlage mieterfreundlich umgestaltet werden. Derzeit steigen die Mieten im Anschluss an eine Sanierung um durchschnittlich 20 bis 30 Prozent. „Das überlastet die Mieterinnen und Mieter erheblich. Eine energetische Sanierung sollte keine höhere Warmmiete zur Folge haben“, fordert DMB-Präsidentin Melanie Weber-Moritz.
Geht es nach dem Mieterbund, wird die Modernisierungsumlage von acht auf drei Prozent gesenkt und die Kappungsgrenze auf 1,50 Euro pro Quadratmeter begrenzt. Umgelegt werden dürfe nur noch, was wirklich zu einer Energieeinsparung führe. Im Gegenzug sollen die Fördermittel bei den Vermietenden verbleiben. Zugleich sollten die Fördersätze für umfassende Sanierungen deutlich angehoben werden.
Fürth vertraut auf Wirtschaftlichkeit
Der Blick in die Praxis zeigt, wie sozialverträgliche Sanierung gelingen kann, aber auch welche Schwierigkeiten bestehen. „Seit 1957 schaffen wir fairen, sozialen und nachhaltigen Wohnraum“, heißt es auf der Internetseite der Wohnungsbaugesellschaft (WBG) der Stadt Fürth. Ins Zentrum ihrer Modernisierungen stellt die WBG, möglichst viel Energie im Verhältnis zu den Kosten zu sparen. „Die ersten 50 bis 60 Prozent der Einsparungen sind mit relativ wenig Investitionen möglich. Trotzdem sind die Bestandsmieten nach der Sanierung von 6,50 auf 8,50 im Durchschnitt gestiegen, und nicht alle Mehrkosten werden von den Energieeinsparungen aufgefangen“, sagt Geschäftsführer Rolf Perlhofer. „Maximale Energieeffizienz“ hält er für „nicht finanzierbar“.
Die höheren Anforderungen an die Dämmung der Gebäudehülle und an die Haustechnik, wie zum Beispiel die dafür notwendige Lüftungsanlange mit Wärmerückgewinnung in den Wohnungen, würden die Sanierungskosten in die Höhe treiben, aber die Mieterinnen und Mieter würden die damit zu erzielenden Einsparungen nicht in ihren Geldbeuteln spüren. Die Umstellung auf klimaneutrale Fernwärme ist für die meisten der verwalteten 3.100 WBG-Wohnungen keine Option, weil in Fürth nur 13 Prozent der WBG-Objekte an das Fernwärmenetz angeschlossen sind. Die WBG hat das Ziel, bis 2050 auf regenerative Energien umzustellen. Klimaneutralität bis 2045 hält Perlhofer ohne Anschluss an ein klimaneutrales Fernwärmenetz für „nicht zu schaffen“.
Um die Wirtschaftlichkeit der Immobilien zu erhöhen und Mietsteigerungen zu begrenzen, stockt die WBG, wo möglich, Dachgeschosse um eine Etage auf. So sind 180 neue Wohnungen entstanden, die für aktuell 11,50 Euro pro Quadratmeter vermietet werden. PV-Anlagen auf den Dächern, Wärmepumpen und Stromspeicher versorgen immer mehr WBG-Häuser mit klimaneutraler beziehungsweise regenerativer Energie. Das sei günstiger und wirtschaftlicher als immer noch mehr zu dämmen. Perlhofer: „Für eine Kilowattstunde Strom zahlen die Mieter nur 0,25 Euro und aus jeder Kilowattstunde Strom produziert die Wärmepumpe drei- bis viermal so viel Wärme wie aus einer Kilowattstunde Gas.“ Er schlägt deshalb vor: „Die Vergabe von Fördermitteln sollte sich an der CO2-Effizienz der Maßnahmen orientieren.“
Hamburg hat ehrgeizige Ziele
Die Hamburgerinnen und Hamburger wollen schon bis 2040 klimaneutral werden. Mit 140.000 Wohnungen ist der städtische Konzern SAGA größter Wohnungsanbieter der Hansestadt. In einer Kleinen Anfrage haben die Bürgerschaftsabgeordneten Dirk Kienscherf und Martina Koeppen, beide SPD, den Hamburger Senat gefragt, was das Vorziehen der Klimaneutralität für die SAGA-Mieterinnen und -Mieter bedeuten würde. 2024 zahlten diese durchschnittlich 7,46 Euro pro Quadratmeter Netto-Kaltmiete, was deutlich unter dem Mittelwert des Hamburger Mietenspiegels liegt.
Die SAGA rechnet für die Jahre 2026 bis 2045 mit Modernisierungskosten von insgesamt rund 40 Milliarden. Für das Vorziehen der Klimaneutralität prognostiziert das Unternehmen weitere rund 1,5 Milliarden Euro. Das werde zu „erheblichen finanziellen Mehrbelastungen bei den Hamburger Mieterinnen und Mietern führen“, warnt Dirk Kienscherf.
Trier setzt auf seriellen Holzbau
In Deutschland fehlen mehr als eine halbe Million Wohnungen, vor allem solche die bezahlbar sind. „Wir brauchen schnelle und kostengünstige Lösungen, die am besten möglichst ökologisch und klimaverträglich sind“, sagt der Trierer Oberbürgermeister Wolfram Leibe SPD). Das lasse sich am ehesten mit seriellen Bauten in Beton- oder Holz-Fertigbauweise erreichen. „Das reduziert die Bauzeit. Und wenn günstiger gebaut wird, kann letztlich auch günstiger vermietet werden“, sagt Leibe, der auch stellvertretender Vorsitzender der Trierer Wohnungsbau und Treuhand AG (gbt) ist.
In Trier entstehen solche Wohnungen gerade. „Wenn man sich auf den Baustellen umsieht, ist es faszinierend, wie schnell dort die Gebäude in die Höhe wachsen. Da schweben die vollständig eingerichteten Toiletten und Bäder, gefliest und mit den Leitungen versehen, per Kran genau an der richtigen Stelle ein“, sagt der OB. Das sei ein bisschen, als würde man ein Lego-Haus mit fertigen Teilen errichten. Für die Bewohner mache keinen Unterschied, dass sie in einem seriell errichteten Gebäude wohnen. Leibe: „Man sieht es dem Bad oder der Toilette überhaupt nicht an.“
Auch für die WBG in Fürth ist die modulare Bauweise eine Antwort auf hohe Baukosten. Im vergangenen Jahr hat sie einen seriell gefertigten Achtgeschosser fertig gestellt. „Es ist das höchste Hybridgebäude Deutschlands als Mietwohnhaus mit massiven Holzaußenwänden“, sagt Perlhofer. Dabei gelte: „Je höher der Bau, umso günstiger wird es.“
Bauforschungszentrum für klimaneutrales und ressourceneffizientes Bauen
Der Anfang ist gemacht. Auf Bundesebene soll das geplante Bundesforschungszentrum für klimaneutrales und ressourceneffizientes Bauen („Living Art of Building“) Forschung und Praxis zusammenführen. Noch in diesem Jahr soll der Öffentlichkeit dazu eine Eckpunktevereinbarung zur geplanten Gründung vorgestellt werden, so ein Sprecher des Bundesbauministeriums. Besonderer Schwerpunkt liege auf dem Innovationstransfer in die Praxis. Derzeit befinde man sich in einem guten Austausch mit den Gründungsländern Sachsen, Thüringen und Baden-Württemberg. Das Bundesforschungszentrum werde kluge Konzepte zusammenbringen, weiterentwickeln und für die Praxis anwendbar machen.