Anfeindungen und Beleidigungen: Wenn Kommunalpolitik unangenehm wird
Die Arbeit von Kommunalpolitiker*innen ist in Deutschland in den vergangenen Jahren zunehmend schwieriger geworden. Zeitliche Ressourcen werden knapper, Anfeindungen und Bedrohungen nehmen gleichzeitig zu. Dadurch werfen immer mehr kommunale Abgeordnete entnervt hin.
Reaktionäre Ansichten hinter der weltoffenen Fassade
Im ostfriesischen Aurich ist die Welt zumindest auf den ersten Blick noch in Ordnung: Im Stadtrat gibt es keine AfD. SPD und CDU stellen die zwei größten Fraktionen. Doch hinter der weltoffenen Fassade treten zum Teil reaktionäre Ansichten zu Tage, wie ich kürzlich nach einem Redebeitrag selbst erfahren musste. Nachdenklich macht mich, wenn diese von vermeintlichen Medienschaffenden kommen, die in ihrer Berichterstattung aber eher einen Stil á la Fox News verfolgen.
In der Kommunalpolitik, so heißt es, kämpft man mit harten Bandagen. Harte Kritik gehört dazu, wenn man gewählt ist und es immer wieder Dinge gibt, die falsch laufen. Doch womit immer mehr Kommunalpolitiker*innen zu tun haben, sind Anfeindungen, die weit unter die Gürtellinie gehen. In Aurich dachten eigentlich viele, das hätten wir schon hinter uns. Doch wir haben uns getäuscht.
Klimaschutz als kommunales Thema
Das liegt unter anderem am Comeback von Stefan Dunkmann, dem früheren Chefredakteur der Ostfriesischen Nachrichten. Nach Rügen des deutschen Presserates wegen rassistischer Äußerungen gegen rechtsstaatliche Grundsätze im Zuge des 11. Septembers 2001, eines Kleinkriegs mit der Bürgermeisterin und Gerichtsverfahren entließen seine Mitgesellschafter ihn vor ein paar Jahren. Die Qualität der Tageszeitung ist seit seinem Ausscheiden gestiegen, doch der einstige Verlagserbe meldete sich vor einiger Zeit mit seinem Videoblog Aurich.tv zurück und teilt seitdem kräftig gegen alle, die aus seiner Sicht das Presse- und Politestablishment verkörpern, aus.
Die Stadt Aurich erklärte sich unterdessen zum sicheren Hafen für Geflüchtete und trat dem Bündnis Aurich zeigt Gesicht gegen Rassismus bei. Meine Reden dazu kommentierte CDU-Mitglied Stefan Dunkmann seinerzeit mit dem Bibelvers „Siehe, ihr seid aus nichts, und euer Tun ist auch aus nichts; und euch wählen ist ein Greuel.“ In der letzten Ratssitzung ist die Stadt dann mit überragender Mehrheit dem kommunalen Klimabündnis, das sich insbesondere für städtische Klimapartnerschaften einsetzt, beigetreten. Im Aufschlag der kurzen Debatte hatte ich in meiner Rede deutlich gemacht, dass Klimaschutz ein kommunales Thema ist und wir eben nicht über Kyoto und Paris, sondern über unseren Auricher Beitrag reden sollten. Durch den Verzicht auf Tropenholz oder auch das Eingehen von Städtepartnerschaften, einen interkulturellen Austausch und beidseitigem Wissenstransfer mit afrikanischen Städten plädierte ich für „global denken, lokal handeln“.
Was ein Klimawandel- und Corona-Skeptiker mit Rassismus zutun hat
Dass Stefan Dunkmann meine Rede offenbar nicht verstanden hat und sie als „Dummschwätzerei“ bezeichnete, freut mich ja fast noch. Doch er kommentierte diesen Ratsbeschluss auf seinem Facebook-Kanal mit postkolonialen Klischees über den afrikanischen Kontinent, die schlicht rassistisch sind. Zitat: „Ich stelle mir grade vor wie die Auricher Delegation mit Steffen Haake an der Spitze nach Afrika fliegt und in Kinshasa aus dem Flugzeug steigt: Steffen Haake hat in der linken Hand die Ostfriesland-Flagge und in der rechten eine ostfriesische Mettwurst und besucht dann den Häuptling von Zumba Zumba...“
Neigte ich bisher zur Auffassung, über solche Selbstdarsteller müsse man lachen, statt sie zu reproduzieren, muss ich mittlerweile sagen: So etwas darf nicht unkommentiert stehen bleiben, zumal wenn Stefan Dunkmann tausende Klicks dafür erhält. Das dachten sich wohl auch viele Auricher*innen und gaben ihrer Abneigung auf Facebook Ausdruck – Kritik löscht und blockiert er allerdings reihenweise.
Bundesweit sorgen Internet-Hetzer*innen für Rücktritte von Kommunalpolitiker*innen
An diesem Beispiel lässt sich schließlich die Verrohung der Sprache im politischen Diskurs, insbesondere in den „sozialen“ Medien beobachten. In Aurich trugen die dauernden Anfeindungen des Ego-Bloggers sogar zum Rücktritt unserer SPD-Fraktionsvorsitzenden bei. Ihr CDU-Kollege erklärte daraufhin sein Bedauern – lässt die meist gegen Frauen gerichteten und teils rassistischen Äußerungen seines Parteifreundes aber unkommentiert. Dabei wäre es geboten, seiner diffamierenden Art der Berichterstattung Einhalt zu gebieten: Denn Stefan Dunkmann beleidigt schließlich nicht nur Ratsleute und spricht von der „angeblichen Corona-Pandemie “, sondern wird auch von bürgerlichen Kräften in unserer Stadt hofiert – was mir als Demokrat zunehmend Sorge bereitet.
Um zu sehen, wo Spalterei, Lügen und Hass in der aktuellen Corona-Krise, viel mehr aber in der längst überfälligen Rassismus-Debatte hinführen, müssen wir nicht in die USA schauen. Wir können es in unseren Kommunen vor unserer Haustür erleben. Bei uns in Ostfriesland sagt man „Elk kann wat don“: Wir alle können etwas tun, indem wir uns über Anfeindungen gegen demokratische Kommunalpolitiker*innen, Andersdenke und Minderheiten empören – sage nein!
Steffen Haake
ist in Ostfriesland in der SPD engagiert und Mitglied im Auricher Stadtrat. Wenn er nicht gerade Tee trinkt, berät der Politologe Ministerien und Kommunen.