Als ich am 23. Juni dieses Jahres, so gegen 23 Uhr, ins Bett ging, tat ich das mit der Zuversicht, dass die Briten in der Europäischen Union verbleiben würden; denn die Remain-Seite lag nach Nachwahlbefragungen vorn. Am nächsten Morgen bin ich dann mit der Nachricht aufgewacht, die seitdem Europa bewegt: „Britain walking to an EU exit … See EU later!”.
Populismus weltweit auf dem Vormarsch
Dies sollte mir in der Nacht vom 8. zum 9. November nicht passieren. Und so entschloss ich mich, die US-Präsidentschaftswahlen live zu verfolgen. Der Ausgang ist bekannt. Der Populismus ist weltweit auf dem Vormarsch. Ob in den USA, Großbritannien oder Ungarn. An allen Orten werden dem Wahlvolk vermeintlich einfache Lösungen für komplexe Probleme aufgetischt. Dabei wird mit den Fakten zunehmend kreativ umgegangen. Verkürzen, umdeuten oder einfach weglassen ist Standard; und wenn das nicht reicht, dann wird auch schon mal gelogen.
Wenn man sich die Wählerschaft anschaut, die den Populisten auf den Leim geht, so trifft man häufig auf die Sorge vor dem sozialen Abstieg, Verlustängste, aber auch auf die Sehnsucht nach der heilen und heimeligen Welt der Vergangenheit. Aber auch Hass schwingt immer stärker mit. Die Furcht vor der Globalisierung erinnert da mitunter an die Maschinenstürmerei der schlesischen Weber: „…wir weben hinein den dreifachen Fluch!“
Wie aus geistiger Brandstiftung reale Gewalt erwächst
Und diese Botschaften fallen in manchen Milieus auf fruchtbaren Boden. So kam es nach der Brexit-Entscheidung zu tätlichen Angriffen auf polnische EU-Bürger im Vereinigten Königreich. Da aufgrund der europäischen Regelungen zur Personenfreizügigkeit die Zahl der dort arbeitenden Menschen aus den osteuropäischen Mitgliedsstaaten deutlich zugenommen hatte, war das Ende dieser Freizügigkeit ein Hauptanliegen der „Leave-Bewegung“ gewesen. Hier zeigt sich für mein Dafürhalten mit einer erschreckenden Deutlichkeit, wie aus „geistiger“ Brandstiftung reale Gewalt erwachsen kann. Um es deutlich auszusprechen: Eine Politik der populistischen Rhetorik ist die Vorstufe zu Hass und Gewalt!
Auch in Deutschland ist das politische Klima rauer geworden. Mit dem Einzug der AfD in mehrere Landtage sind dort wieder Stimmen zu hören, die einer Politik der Ausgrenzung, Aussonderung und Abschiebung das Wort reden. Da wird unverhohlen mit den Sorgen der Menschen vor einer sich rasant verändernden Welt gespielt; da werden munter Ressentiments geschürt. An manchen Orten gipfelt das dann in dem Glauben einiger, aus einem moralischen Alleinvertretungsanspruch heraus ein einheitliches, einmaliges – und vermutlich auch einfarbiges – Volk gegen die Verschwörungen der Eliten und allerlei Verräter verteidigen zu müssen. Am Ende steht wiederum Gewalt gegen Menschen, wie der Angriff auf den Bürgermeister im schleswig-holsteinischen Oersdorf vom September 2016 zeigt.
Populistische Politik löst Probleme nicht
Dass eine populistische Politik die drängenden Probleme der Zeit am Ende nicht lösen kann, liegt auf der Hand. Auch wenn vielleicht einzelne Maßnahmen an der einen oder anderen Stelle eine Lösung vorgaukeln können, führt dieser Weg auf der langen Distanz in die Irre und bewirkt Ergebnisse und Folgen, die ein verständiger Betrachter nicht wieder erleben möchten. Ein Blick zurück in die Geschichte zeigt auch warum.
Von daher bewegt mich zunehmend die Frage nach dem danach: Wie werden die Anhänger einer populistischen Politik reagieren, wenn sie erkennen, dass die selbsternannten Volksversteher mit ihrem Gerede keine Probleme der Menschen gelöst haben. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass damit überall Erwartungen geweckt werden und bereits geweckt worden sind. Die Predigt der einfachen Lösungen führt momentan viele, vom demokratischen Regierungssystem enttäuschte Menschen zurück an die Wahlurnen. Die Wahlbeteiligungen bei den letzten Landtagswahlen – aber auch beim EU-Referendum auf der Insel und selbst bei den US-Präsidentschaftswahlen – sprechen zumindest dafür.
Menschen aber, die sich bewusstwerden, dass sie falschen Versprechungen und sogar krassen Lügen aufgesessen sind, reagieren in der Regel nicht euphorisch auf diese Erkenntnis. Solche Erfahrung haben beispielsweise schon die britischen Brexiteers gemacht, als sie, in den Tagen nach der knappen Entscheidung, eingestehen mussten, dass Kernaussagen ihrer Kampagne schlicht erlogen waren und sie darüber hinaus auch keinen Plan für den nun eingeschlagenen Weg hatten. Da war plötzlich Fersengeld gefragt und Leute wie ein Nigel Farage, der ehemalige und nun übergangsweise doch wieder UKIP-Leader, oder ein Boris Johnson waren – zumindest für eine Weile – von der Bildfläche verschwunden. Andere Folgen der nationalistischen und streckenweise rassistischen Leave-Kampagne wiegen schwerer, wie die eingangs zitierte Gewaltwelle gegen Menschen aus Polen zeigt.
Demokraten müssen zusammenstehen
Die populistische Politik der Rattenfänger beruht eben auch immer auf dem bewährten Konstrukt des Sündenbockes. Und so werden einmal die Polen und Balten kurzerhand für den Untergang des Britischen Empires verantwortlich gemacht, ein anderes Mal müssen die lateinamerikanischen Einwanderer für den sozialen Abstieg von Teilen der amerikanischen Mittelklasse herhalten. Aber was wird nun sein, wenn auch der letzte Wähler dieser Rattenfänger erkennen muss, das die ach so einfachen Lösungen gar nichts lösen? Dann müssen wohl wieder neue Sündenböcke gefunden werden, die man für das Scheitern verantwortlich machen kann. Denn selbstverständlich können die Protagonisten der populistischen Politik niemals selbst schuld an ihrem eigenen Versagen sein. Und wer wird das sein? Sie, Du, wir, ich ...? In Zeiten wie diesen müssen wir Demokraten auf der Hut sein und zusammenstehen. Eine Politik, die auf Chauvinismus, Diskriminierung und Verunglimpfung abstellt, muss auf unseren Widerstand stoßen. In Brandenburg, in Europa und überall in der Welt!
Wir müssen die Ängste der Menschen aber auch ernst nehmen und wirkliche Lösungen für die Probleme der Zeit finden. Denn nur eine Politik, die die Belange der Menschen spürbar zu einem Besseren wendet, ist am Ende überzeugend. In der Kommunalpolitik sind das für uns keine Fremdworte. Dort wird in der Regel schon immer so verfahren. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten bauen dabei auf unsere Werte: Freiheit, Gleichheit und Solidarität – und das seit mehr als 150 Jahren!
In der Blog-Rubrik „Meine Sicht” veröffentlicht die DEMO-Redaktion Gastbeiträge wechselnder Autoren zu aktuellen Themen.
Der Artikel erscheint mit freundlicher Genehmigung von der SGK Brandenburg.
Christian Maaß/SGK Brandenburg
Der Autor ist Vorsitzender der SGK Brandenburg und Amtsdirektor des Amtes Brück