Die Finanzierung kommunaler Investitionen und ihre Hürden
In meinen Texten zu Problemstellungen kleiner Kommunen möchte ich heute die Finanzierung kommunaler Investitionen und ihre Hürden näher beleuchten. In einer Zeit, in der wir über den Verfall der öffentlichen Infrastruktur diskutieren, sind die Kommunen – auch im Saarland – von immanent wichtiger Bedeutung, führen sie doch auch bei uns einen hohen Anteil an Maßnahmen durch. Leider sind der Finanzierung in Zeiten der Schuldenbremse enge Grenzen gesetzt, sodass viele Dinge nicht mehr verwirklicht werden können. Doch dazu später am Beispiel der Gemeinde Kirkel mehr.
Im Gegensatz zu Bund und Land ist, und das ist vielen nicht bewusst, die kommunale Investitionstätigkeit vom täglichen Geschäft finanztechnisch getrennt. Investitionen können zunächst einmal nicht über Steuern finanziert werden. Das Aufkommen der Grund- oder Gewerbesteuern dient der Finanzierung des täglichen Geschäfts. Früher konnte eine dann erwirtschaftete „freie Spitze“ zu zusätzlichen Investitionen oder Grundstückskäufen verwendet werden. Dies ist in Zeiten der Doppik gar nicht mehr so einfach möglich.
Kredite für Investitionen
Investitionen werden bei den Kommunen (und auch Landkreisen, hier sogar zu einem noch größeren Anteil) mit langfristigen Krediten finanziert. Hinzu kommen Einnahmen aus dem Verkauf von Anlagevermögen (vor allem Grundstücke) und die Finanzierung durch Zuschüsse von EU, Bund oder Land. Allerdings sind die Einnahmen aus dem Verkauf von Grundstücken oder anderen Anlagegütern nicht ohne weiteres mehr eins zu eins für Investitionen zu verwenden. Ich verzichte darauf, den etwas komplizierten Mechanismus darzulegen. Die Kommunen sind zusätzlich noch in der Lage sogenannte Ausbaubeiträge zu erheben, mit denen der Straßen- und Gehwegbau finanziert werden kann. Hier ist auf die Diskussion um die wiederkehrenden Beiträge und ihre Erhebung hinzuweisen.
Alles in allem kann die kommunale Investitionstätigkeit nur über die Aufnahme von Krediten funktionieren, weil immer eine Lücke zwischen den investiven Einnahmen und Ausgaben besteht, und damit wären wir beim Problem. Diese Kreditaufnahme ist für die saarländischen Kommunen gedeckelt und zwar sehr restriktiv. Kurz gesagt dürfen pro Jahr nicht mehr langfristige Kredite aufgenommen werden wie getilgt werden. Inzwischen wurde dieses Schema noch verschärft, weil ja auch Verpflichtungen abgebaut werden sollen, sodass nur noch ein bestimmter Prozentsatz der Tilgungen für die Neukreditaufnahme zur Verfügung steht. In der letzten Zeit wurden auch die Liquiditätskredite mit in diese Berechnungen einbezogen, sodass es noch einmal zu einer Einschränkung des Spielraumes für viele Kommunen gekommen ist.
Kreditvolumen ist knapp bemessen
Für die Gemeinde Kirkel liegt dieses zu genehmigende Kreditvolumen bei etwa 500.000 Euro pro Jahr (bei einigen Kommunen ist es noch geringer). Damit müssen alle Investitionen in Anlagevermögen wie Feuerwehr, Schulen, Hallen, Straßen und weiteres Infrastrukturvermögen getätigt werden. Einzig und allein der Neu- und Umbau von Kindertagesstätten darf mit Sonderkrediten sozusagen über den Durst finanziert werden (bis Ende 2017 galt dies auch für rentierliche Maßnahmen). In der Landespolitik wird zwar immer damit argumentiert, wie viele Zuschüsse man doch den Gemeinden jedes Jahr zur Verfügung stelle. Dies zeigt jedoch nur, wie wenig die Finanzierungsgrundlagen verstanden wurden.
Natürlich helfen uns Zuschüsse, aber der kommunale Eigenanteil muss durch das genehmigte Kreditvolumen finanziert werden. Deshalb laufen auch Programme mit geringen Zuschussquoten, z.B. im Tourismusbereich, eher schlecht. Zielführend sind solche Programme wie das Kommunalinvestitionsfördergesetz des Bundes mit Quoten bis 95 Prozent, nur leider kommen nicht alle Kommunen in den Genuss der Förderung (unter anderen auch die Gemeinde Kirkel).
Nun werden einige einwenden, dass 500.000 Euro doch sehr viel Geld ist. Dazu sollte man bedenken, dass bei Einzelmaßnahmen in Gebäuden, Straßen oder Brücken schnell die 500.000 Euro überschritten sind. Wer in den letzten Jahren neue Kindertagesstätten gebaut oder alte umgebaut hat, weiß, dass das Ganze schnell in die Millionen gehen kann. Als Allheilmittel hat man da schnell die Bedarfszuweisungen des Innenministeriums ausgemacht. Dieser Topf ist aber auch endlich und unterliegt keinen gesetzlichen Verteilungsvorgaben, sodass manche Kommunen leer ausgehen oder für eine einzelne Maßnahme zu wenig Geld bewilligt wird, weil für andere Maßnahmen Millionen versprochen wurden und damit der Topf auch schnell leer wird.
Das Beispiel Kirkel
Schauen wir uns doch einmal die Situation in der Gemeinde Kirkel näher an. Wie gesagt haben wir in den nächsten Jahren ein genehmigtes Kreditvolumen für Investitionen von etwa 500.000 Euro pro Jahr. Dazu schauen wir uns nur die Maßnahmen an, die die Gemeinde Kirkel in den nächsten Jahren in den Pflichtbereichen tätigen muss.
Dazu zählen zunächst die Investitionen in Schulbauten (Kindertagesstätten sind wie oben erläutert außen vor). In den letzten Jahren haben wir in die Kindertagesbetreuung und damit in den Ausbau der Gebäude mehr als vier Millionen Euro investiert. Damit wurden vor allem Ganztagesplätze im Krippen- und Kindergartenbereich geschaffen. Das heißt, vor allem berufstätige Eltern lassen ihre Kinder bis nachmittags betreuen. Regelplätze bis zum Mittagessen gibt es nur noch wenige, weil diese kaum noch nachgefragt werden. Nun werden diese Kinder (und die Geburtenzahlen in der Gemeinde Kirkel sind sehr hoch, etwa 90 Geburten pro Jahr) aber älter und kommen in die Schule – dort fehlen uns Plätze in der Nachmittagsbetreuung.
Nachmittagsbetreuung ist gesellschaftliche Aufgabe
Diese wollen wir in den nächsten beiden Jahren schaffen: Kosten ca. für beide Grundschulen zusammen etwa 3,2 Millionen Euro, da etwa 300 Plätze geschaffen werden müssen (vorhanden sind etwa 70). Die Finanzierung ist gelinde gesagt unklar bis unmöglich. Nun werden einige einwenden, dass die Betreuung doch freiwillig sei. Aber im Kindergarten ist sie verpflichtend und wenn die Kinder in die Schule kommen, soll ein Elternteil wieder zu Hause bleiben – das funktioniert nicht und deshalb ist es auch nicht mehr freiwillig, sondern für die Gesellschaft verpflichtend (und wenn der Koalitionsvertrag der Bunderegierung umgesetzt wird erst recht). Hinzu kommen Forderungen der Unfallkasse, die Umbauten in Höhe von geschätzten 250.000 Euro in die „normalen“ Schulgebäude notwendig machen.
Eine weitere Sache, die in diesem und im nächsten Jahr umgesetzt werden muss, ist die Ertüchtigung (Neubau) der Grünschnittdeponie. Hier erwarten wir Kosten in Höhe von etwa 500.000 Euro, um den vorhandenen Platz genehmigungsfähig zu machen. Dies machen die Änderung des EVS-Gesetzes und vor allem Vorgaben der EU notwendig, da die alten Plätze so nicht mehr betrieben werden dürfen. Ein hausgemachtes Dilemma, das bei der Grünschnittverwertung in einer Hand, nämlich in der des EVS, so nicht aufgetaucht wäre. Aber die Landespolitik hat leider anders entschieden. Zu diesem Thema werde ich mich noch einmal extra „melden“.
Großer Investitionsbedarf
In den nächsten Jahren werden weitere pflichtige Investitionen im Bereich der Feuerwehr (hier die Neubeschaffung von Fahrzeugen, die für die Aufrechterhaltung der Versorgung unbedingt notwendig sind), der Straßen (die Gemeinde Kirkel muss 52 km Gemeindestraßen unterhalten), der Brücken (die Bahn hat in den 90er Jahren großzügig ihre Bahnbrücken an die Kommunen aufgrund Bundesgesetz abgegeben) und des Grunderwerbs (die Kommunen sind auch immer wieder gehalten Grundstücke zu erwerben, um Probleme des öffentlichen Raumes zu lösen) zu machen sein. Dazu kommen die Investitionen des „täglichen“ Geschäfts, wie Computer, Software, Büroausstattung, Werkzeuge und Fahrzeuge im Bauhof und der Verwaltung usw. Diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Die einzelne Anschaffung lässt sich hier schieben, aber der Berg, den wir vor uns herschieben wird immer größer. Die Aufgabenerledigung in manchen Kommunen ist dadurch schon massiv beeinträchtigt.
Die Gemeinde Kirkel ist im Bereich Städtebauförderung in das Programm „Kleinere Städte und Kommunen“ aufgenommen worden. Hier müssen die Investitionen zu einem Drittel von den Gemeinden selbst gestemmt werden. Das macht pro Jahr ungefähr eine Summe von 300.000 bis 500.000 Euro aus. Auch dieser Betrag muss aus der genehmigten Kreditlinie entnommen werden.
Und noch mehr Aufgaben
Hier noch ein kleiner Hinweis zu einer Tatsache, die noch nicht akut ist, aber bis 2027 auch geschafft werden muss: die Renaturierung von Bächen und Flüssen nach den Vorgaben der EU. Hier sind die Kommunen für alle Gewässer dritter Ordnung zuständig. In der Gemeinde Kirkel sind das alle Bäche und Gräben außer der Blies. Da bleibt nur zu sagen: Viel Spaß damit.
Hinzu kommen freiwillige Aufgaben, die politisch gewollt sind, aber deren Investitionen am Ende der Skala stehen, die aber möglicherweise gerade eine Identifikation der Kommunalpolitik darstellen, wie z.B. der Bau von Rasen- oder Kunstrasenplätzen.
Und zu guter Letzt ein Punkt, der viele Kommunen vor schwere Probleme stellen wird. Sollten wir noch einmal in die Verlegenheit kommen neue Baugebiete ausweisen zu dürfen, um in der Gemeinde Kirkel die riesige Nachfrage nach Bauland befriedigen zu können, werden wir das Ganze nicht finanzieren können, zumindest einmal nicht unter diesen Restriktionen.
Totengräber Schuldenbremse?
Wie könnte nun eine Lösung aussehen? Den Königsweg, den wir hier im Land gehen können gibt es nicht, weil wir hier sehr von bundepolitischen Vorgaben und Gesetzen, ja sogar vom Grundgesetz abhängig sind. Stichwort ist hier die Schuldenbremse, die das Land und damit auch seine Kommunen ausbremst. Das Land kann bis zu einem gewissen Grad frei entscheiden, ob es das Geld für das tägliche Leben ausgibt oder investiert. Die Kommunen können, wie oben beschrieben, das nicht. Die Schuldenbremse des Grundgesetzes kann zum Totengräber des Saarlandes und auch seiner Kommunen werden. Spätestens ab 2020, wenn sie dann scharf geschaltet ist, wird es riesige Probleme finanzieller Art geben, um unsere Versorgung und unsere gewohnten Standards aufrecht zu erhalten. Deshalb muss im Bund über die Schuldenbremse nachgedacht werden. Wenn man sie nicht abschaffen will, muss über eine bessere Finanzierung unseres Gemeinwesens nachgedacht werden.
Kurzfristig wäre eine technische Lösung auf Landesebene möglich. Man sollte die Grenze zwischen laufender Verwaltungstätigkeit und Investitionstätigkeit aufheben. Damit wären einige Gemeinden in der Lage, ihre notwendigen Investitionen wieder selbst zu schultern. Ansonsten bliebe nur, das Versorgungsniveau rapide zurückzufahren, was unserem Saarland nicht gut tun würde.
Im Blog „Meine Sicht” schreiben welchselnde Autoren aus persönlicher Perspektive zu unterschiedlichen kommunalen Themen. Dieser Beitrag ist zuerst im „Landes-SGK EXTRA Saarland” der DEMO erschienen und wird an dieser Stelle mit freundlicher Genehmigung der Saar-SGK veröffentlicht.