ohne Rubrik

Warum kleine Gemeinden großen Bauprojekten nicht gewachsen sind

Mit einem Bauprojekt wollte die Gemeinde Wenzenbach bezahlbare Wohnungen schaffen – und stieß an ihre Grenzen. Ob er so etwas noch einmal machen würde, weiß Bürgermeister Sebastian Koch nicht. Er schildert, welche Lehren er aus dem Projekt gezogen hat.
von Sebastian Koch · 4. Dezember 2020
placeholder

Das erste Haus baust du für ­deinen Feind, das zweite für deinen Freund und das dritte für dich selbst.“ Als sich die Gemeinde 2016 dazu entschloss, eine Fläche von 3.700 Qua­dratmetern im Ortsteil Irlbach zu erwerben, um dort eine kommunale Wohnanlage im Sinne des Förderprogramms „Wohnungspakt Bayern“ zu realisieren, habe ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen können, dass diese allseits bekannte Weisheit des Konfuzius tatsächlich auch bei unserem öffentlichen Bauvorhaben seine Gültigkeit behalten würde.

Ich wurde eines Besseren belehrt, aber von vorn: Am 9. Oktober 2015 beschloss der Bayerische Ministerrat mit dem ­„Wohnungspakt Bayern“ ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Förderung von preisgünstigem Wohnraum. Daraufhin wurden in allen Regierungsbezirken sogenannte Wohnungsbaukonferenzen abgehalten. In diesem Rahmen warb man unter den geladenen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern vor allem für die zweite Säule des Pakts, das neu aufgelegte Kommunale Wohnraumförderprogramm. Die diesbezüglichen Förderrichtlinien wurden recht großzügig ausgestaltet und sehen vor, dass Kommunen für den Grunderwerb und die Errichtung von sozialverträglichen Mietwohnungen eine Förderung von 30 Prozent erhalten. Vorbereitende Planungsarbeiten werden sogar mit 60 Prozent bezuschusst. Neben den Zuschüssen kann für 60 Prozent der zuwendungsfähigen Gesamtkosten auch ein zinsverbilligtes Kapitalmarktdarlehen der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt abgerufen werden.

Natürlich hat uns das sofort neugierig gemacht, und so stellte Wenzenbach im April 2016 als eine der ersten Gemeinden im Regierungsbezirk Oberpfalz einen entsprechenden Förderantrag. Es folgten in der zweiten Jahreshälfte 2016 eine Machbarkeitsstudie, 2017 ein Planungswettbewerb mit daraus resultierender Beauftragung eines Architekturbüros und 2018 umfassende Planungen unseres Architekten sowie diverser Fachplaner. Nach Erhalt einer Baugenehmigung Anfang 2019 konnten die Vergaben zur Erstellung mehrerer Gewerke an Baufirmen erfolgen.

Erstes kleines Ärgernis

Unser Hochbauunternehmen nahm daraufhin im Frühjahr 2019 seine Bautätigkeit auf, und zu Beginn lief die Baustelle weitestgehend zielführend. Dies war jedenfalls mein Eindruck bei zahlreichen Jour-Fixe-Terminen vor Ort.

Dem ursprünglichen Bauzeitenplan gemäß sollten 25 Wohneinheiten von unterschiedlicher Größe auf einer Gesamtwohnfläche von 1.634 Quadratmetern bis Juni 2020 bezugsfertig werden. Hierfür wurde vom Gemeinderat ein Kostenrahmen von 7,6 Millionen Euro gesetzt. Nach den entsprechenden Auftragsvergaben ergaben sich für die Kostengruppen 300 (Bauwerk – Baukonstruktion) und 400 (technische Anlagen) Kosten in Höhe von fast 2.900 Euro/m². Dem ging eine große Diskussion mit der Förderstelle voraus, weil insbesondere die Fachplanungen für Heizung, Lüftung, Sanitär (HLS) sowie für die Elektronik von der Regierung für unverhältnismäßig hoch erachtet wurden. Diese beliefen sich zunächst auf über 3.200 Euro/m². Bei der Abstimmung mit den Fachplanern und der Prüfung, wo Einsparungspotenziale bestehen könnten, zeigte sich für mich erstmals, wie schwierig es ist, ein solches Projekt ohne eigenes technischen Fachpersonal zu realisieren. Die beauftragten Fachplanungsbüros und deren Planungen, die ja letztlich auch das Honorar der Fachplaner definieren und deshalb in deren Interesse eher großzügig ausfallen sollten, zielführend zu koordinieren, gestaltete sich jedenfalls mangels verwaltungsinterner Expertise recht ­herausfordernd, und so sind uns nur ­geringe Kosteneinsparungen gelungen.

Letztendlich erhöhte die Regierung der Oberpfalz nach langen Verhandlungen den förderfähigen Höchstbetrag für die genannten Kostengruppen von ursprünglich angedachten 2.500 Euro auf 3.058 Euro. Insgesamt ging uns ein ­Förderbescheid von 2,4 Millionen Euro zu, sodass die Förderquote nicht mehr ganz 30 Prozent betrug.

Die Probleme wachsen

Gemessen an dem, was allerdings noch folgen sollte, war dies nur ein kleines Ärgernis. Im Herbst 2019 sah ich mich erstmals mit dem Problem konfrontiert, dass der ursprünglich vereinbarte Bauzeitenplan ordentlich ins Wanken geriet. Dies lag unter anderem an der Firma, die den Außenputz erstellen sollte, und der, so die Vermutung der Bauleitung, wohl recht plötzlich in den Sinn gekommen sein muss, dass sie die ausgeschriebene Kratzputztechnik nicht beherrschen würde und deshalb der Baustelle fernblieb.

Spätestens seit dem Frühjahr 2020 entglitt der Bauleitung die Baustelle zunehmend. Auch ein neues Verputzunternehmen erweis sich als im hohen Maß unzuverlässig und kam letztlich nur dann halbwegs verlässlich auf die Baustelle, wenn es wieder einmal in Verzug gesetzt und Zahlungen ausgesetzt wurden. Auch Fenster und Türenbauer lieferten keine ­allzu erfreuliche Arbeit ab. Gleiches gilt für den Bodenleger, der an vielerlei Stellen davon absah, während des Hochbetriebs auf der Baustelle sein Gewerk zu schützen, sodass dieses arg in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Da uns in dieser Phase immer mehr klar wurde, dass in der kommunalen Wohnanlage einiges im Argen liegt, vergaben wir im Zuge eines Bewerbungsverfahrens, das soziale Aspekte wie das Einkommen, die Familiengröße, den Grad der Behinderung und die Ortszugehörigkeit aufgriff, zwölf Wohnungen entgegen unserer ursprünglichen Planungen mit ­einem Monat Verzug erst zum 1. August 2020 und weitere 13 Wohnungen sogar erst zum 1. September 2020. Die Kalt­miete pro Quadratmeter beläuft sich übrigens im Durchschnitt auf etwas mehr als sechs Euro. Damit liegen wir 30 Prozent unter der ortsüblichen Miete.

Mittlerweile sind alle Wohnungen vermietet, und das aufgrund der Mängel tem­porär zu preisreduzierten Konditionen. Die Baustelle ist indes noch immer nicht final abgeschlossen. Bereits ein kurzer Abriss bestehender und früherer Mängel ist ausgesprochen frustrierend: Die Balkone wurden zu spät geliefert, sodass in den heißen Sommerwochen die Griffe der Balkontüren abmontiert werden mussten. Die Putzarbeiten wurden erst im September erbracht und erfordern auch heute noch eine gewisse Nacharbeit. Die Fertigstellung unserer Freianlagen musste von Oktober 2020 aufs Frühjahr 2021 verschoben werden. Die Heizung ­funktionierte anfangs nur schleppend, und es kam nicht selten zu Stromausfällen.

Die Quittung erhalten

Ich habe mich in den letzten Wochen oft gefragt, wie es soweit kommen konnte, und natürlich lassen sich einige Schuldige benennen: Architekten, die eine eher lasche Bauleitung zu verantworten haben, Fachplaner, die mehr Zeit darauf verwenden, die Schwächen der eigenen Planung im besten Fachkauderwelsch zu übertünchen, statt an der Problemlösung mitzuwirken, und Baufirmen, die ihre Schlechtleistung auf Corona oder die ­suboptimale Vorleistung eines Handwerkerkollegen schieben. Auch von der Regierung der Oberpfalz, die ja so intensiv für dieses Vorhaben geworben hatte, hätten wir vermutlich mehr fachliche ­Beratung ­benötigt.

Vielleicht sind aber auch ich und ­weite Teile der Wenzenbacher Kommunalpolitik zu euphorisch und gutgläubig an dieses Bauvorhaben herangegangen. Die Quittung hierfür haben wir bereits erhalten, weil selbstverständlich regelmäßig erboste Mieterinnen und Mieter bei uns im Rathaus aufschlagen. Obwohl wir eine externe Hausverwaltung beauftragt haben, bindet das im erheblichen Umfang Verwaltungskapazitäten.

Würde ich sowas wieder machen? Ich weiß es nicht! Gewiss ist es richtig und wichtig, den Wohnungsmarkt nicht allein Privatinvestoren zu überlassen, aber eine Gemeinde unserer Größenordnung mit einem kleinen Bauhof unter der Leitung eines einzigen Bautechnikers ist so einer Großbaustelle vermutlich nicht gewachsen. Dies trifft umso mehr zu, solange die Baubranche derartig boomt, dass sich auch Bau- und Handwerksunternehmen mit eher durchwachsenem Ruf und un­kooperativen Verhaltensweisen bei Mängeln auf dem Markt behaupten können.

Interkommunale Zusammenarbeit nötig

Und trotzdem bin ich der festen politischen Überzeugung, dass es weiterhin Kommunen braucht, die beim öffentlichen Wohnungsbau vorangehen. Wenn einzelne Gemeinden dazu aber zu klein und unerfahren sind, braucht es interkommunale Zusammenarbeit. Ich werde in den nächsten Jahren dafür kämpfen, dass unsere landkreisweite Wohnbaugenossenschaft reaktiviert wird oder Kommunen im Speckgürtel der Boomtown Regensburg in Form eines Zweckverbandes enger zusammenrücken, um einer so enormen Herausforderung wie der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum gerecht zu werden. Es ist auch in den kommenden Jahren nicht absehbar, dass sich der Wohnungsmarkt entspannen wird, was insbesondere Rentnerinnen und Rentner, Familien und einkommensschwache Menschen belastet. Es schmerzt zu wissen, dass diese Personen einen Großteil ihrer Einkünfte für ein Dach über dem Kopf ausgeben müssen, und so bin ich bei all dem beschriebenen Ärger auch zufrieden darüber, dass wir insgesamt 61 Menschen ein Zuhause geben konnten.

Der Autor Sebastian Koch (SPD) ist Erster Bürgermeister der Gemeinde Wenzenbach.

Autor*in
Sebastian Koch

ist Erster Bürgermeister der Gemeinde Wenzenbach

0 Kommentare
Noch keine Kommentare