Perspektiven

Gebräu aus dem Ratskeller

Bier und Kommunalpolitik gehen seit Jahrhunderten eine Symbiose ein. Eine Glosse.

von Carl-Friedrich Höck · 6. März 2024
Hopfen und Malz - die Kommune erhalt‘s!

Die Sprache eines Landes verrät viel über den Gemütszustand ihrer Gesellschaft. Als typisch deutsche Wörter gelten zum Beispiel Weltschmerz, Wanderlust oder Feierabendbier. Letzteres ist für Suchtexperten ein Graus, für andere ein schönes Ritual – besonders dann, wenn das Hopfengetränk in guter Gesellschaft genossen wird. Womit wir bei der Kommunalpolitik sind. Ratsmitglieder verbringen ihren Feierabend bekanntlich oft im Rathaus, schließlich ist ihr politisches Engagement ehrenamtlich. Gesoffen wird während der Rats- und Ausschusssitzungen zum Glück nur noch selten. Aber so mancher Ratsbeschluss kommt nur zustande, weil Fachpolitiker verschiedener Fraktionen nach der Ausschusssitzung in eine Kneipe weiterziehen. Dort legen sie ihre Konflikte bei und schmieden gemeinsame Anträge.

Rathaus und Bierstube waren eins

Manchmal müssen sie auf der Suche nach der nächsten Bierquelle nicht einmal das Rathaus verlassen. Bereits im Mittelalter wurden die Amtsgebäude teils als offene Häuser für die Stadtgesellschaft konzipiert, mit Gastronomie im Untergeschoss. Noch heute tragen kleinere Brauereien das Wort „Ratskeller“ im Namen. Und so manche Biermarke erinnert an die alte Verknüpfung von Gerstensaft und Kommunalpolitik, etwa das ­„Ratsherrn Pilsener“ aus Hamburg.

Laut Deutschem Brauer-Bund entdeckten Städte das Bierbrauen im 12. und 13. Jahrhundert als Einnahmequelle für sich. Damals durfte aber nicht einfach jeder drauflos brauen, etwas Bürokratie musste schon sein. Wer wo und in welcher Menge Bier herstellen und verkaufen darf, war streng geregelt. Städte erhielten entsprechende Privilegien von ihren Landesherren und erteilten sie wiederum an ihre Bürger. Damit wurde Bier zu einem wichtigen Faktor für die Stadtentwicklung.

Dank Bier waren Städte flüssig

Zum Beispiel in der Stadt Seßlach in Bayern. Kaiser Ludwig IV. verlieh dem Ort 1335 das Stadtrecht und – als wichtige Einnahmequelle – auch das Braurecht. Noch heute stellt Seßlach in einer eigenen Brauerei Bier her, das „Kommunbräu“. Der Braumeister ist direkt bei der Stadt angestellt. Dazu muss man wissen: In Bayern gilt Bier als Grundnahrungsmittel. Da ist der Gedanke, Bierbrauen als Teil der Daseinsvorsorge zu betrachten, irgendwie naheliegend.

Verkauft wird das Gebräu an örtliche Gastwirtschaften, und im Rathaus kann man 5-Liter-Partydosen erwerben. Das fränkische Spalt verfügt ebenfalls über eine Brauerei, hier in Form eines kommunalen Eigenbetriebs. Der Erste Bürgermeister ist zugleich ihr Geschäftsführer. Im Ort ist dieser Spruch bekannt: „In Spalt, in Spalt, Dou wern die Leit gar alt. Sie kenna nix dafier, Dös macht ös goute Bier.“

Hier müssen wir anmerken: Wissenschaftlich ist die These, dass Spalter Bier die Menschen gesünder altern lässt, unzureichend belegt. Jedenfalls nicht besser als die beliebte Behauptung „Döner macht schöner“. Im Gegenteil: Alkohol ist in größeren Mengen ungesund. Daher lautet unser Tipp: Wenn Sie mal wieder der Weltschmerz befällt, gehen Sie lieber auf eine Wanderung, als die Melancholie mit Feierabendbieren zu ertränken! Der Kämmerer Ihrer Kommune wird es verkraften.

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Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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