Gewässerschutz: EU-Kommunalabwasserrichtlinie pragmatisch umsetzen!
Die Europäische Union hat ihre Kommunalabwasserrichtlinie (KARL) novelliert. Die neuen Vorgaben müssen auf nationaler Ebene pragmatisch umgesetzt werden, um einen effizienten Gewässerschutz zu gewährleisten. Das fordert DWA-Präsident Uli Paetzel im Gastbeitrag.
DWA
Ulrich „Uli” Paetzel war von 2004 bis 2016 Bürgermeister der Stadt Herten. Seit 2019 ist er Präsident der DWA (Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall).
Eine deutliche Ausweitung und Verbesserung des Gewässerschutzes, aber auch ein umfangreiches Aufgabenpaket für die Kommunen. Mit der der Novellierung der fast 35 Jahre alten Kommunalabwasserrichtlinie hat die Europäische Union Anfang November die Siedlungswasserwirtschaft neu aufgestellt. Besondere Herausforderungen stellen die Einführung von vierten Reinigungsstufen zur Entfernung von Spurenstoffen, die strengeren Grenzwerte für Stickstoff und Phosphor sowie die Energieneutralität der Abwasserbehandlung dar.
In den nächsten zwei Jahrzenten werden die neuen Vorgaben Investitionen von 20 bis 25 Milliarden Euro auslösen, ca. die Hälfte davon muss die Industrie über eine Erweiterte Herstellerverantwortung übernehmen.
Spurenstoffbelastung zunehmend in Gewässern nachweisbar
Die kommunalen Kläranlagen in Deutschland arbeiten zuverlässig und halten seit Jahren die gesetzlichen Vorgaben sicher ein. Bei Spurenstoffen wie beispielsweise Arzneimittelrückständen gerät die etablierte Abwasserbehandlungstechnik aber an ihre Grenzen. Mit der Kombination aus mechanischer Reinigung zur Entfernung grober Feststoffe, biologischer Reinigung zur Entfernung von Nährstoffen und chemisch-physikalischer Behandlung zur Phosphatfällung können diese Spurenstoffe kaum oder gar nicht aus dem Abwasser entfernt werden. Mittlerweile sind diese Stoffe aber in fast allen Gewässern nachweisbar.
Die EU fordert jetzt eine flächendeckende Einführung der sogenannten vierten Reinigungsstufe. Mittels Aktivkohle und/oder Ozon können die meisten Spurenstoffe zu weit über 90 Prozent aus dem Abwasser entfernt werden. Diese Verfahren haben sich in Deutschland in einzelnen Anlagen bereits großtechnisch bewährt.
Im Fokus der EU stehen große Kläranlagen und Anlagen, die in empfindliche Gewässer einleiten. Bis 2045 müssen alle gut 100 Kläranlagen mit mehr als 150.000 Einwohnerwerten – Einwohnerwerte setzen sich aus der Summe der Einwohnenden im Einzugsgebiet sowie den Abwassereinleitungen aus Industrie und Gewerbe zusammen - über eine vierte Reinigungsstufe verfügen. Für die 1750 Kläranlagen zwischen 10.000 und 150.000 Einwohnerwerten gilt ein risikobasierter Ansatz. Wie viele dieser Kläranlagen um eine vierte Reinigungsstufe erweitert werden müssen, hängt von der nationalen Auslegung des risikobasierten Ansatzes ab. Fachleute schätzen, dass jede dritte dieser Anlagen um eine vierte Reinigungsstufe erweitert werden muss.
Milliardenschwere Investitionen
Der Ausbau der Kläranlagen um eine vierte Reinigungsstufe wird ein Investitionsvolumen von mindestens zehn Milliarden Euro auslösen. Dazu kommen erhöhte Betriebskosten, vor allem für Energie und Betriebsmittel wie Aktivkohle. Für diese Kosten sollen aber vorrangig weder die Bürgerinnen und Bürger über die Abwassergebühren noch die Kommunen aufkommen. Mit der Erweiterten Herstellerverantwortung übertragt die EU mindestens 80 Prozent der Vollkosten – Investition und Betrieb – auf die Humanarzneimittelindustrie sowie die Kosmetikindustrie, den mit Abstand größten Verursachern dieser Problemstoffe.
Allerdings schreibt die EU in der neuen Kommunalabwasserrichtlinie nur die Kostenübernahme fest. Die konkrete Ausgestaltung der Erweiterten Herstellerverantwortung überlässt die EU den Mitgliedsstaaten. Der Bund als Gesetzgeber muss die Erweiterte Herstellerverantwortung schnell und rechtssicher umsetzen. Ohne Planungs- und Rechtssicherheit werden die von der EU gesetzten Fristen nicht eingehalten werden können.
Energieneutrale Abwasserbehandlung
Abwasserbehandlung benötigt Energie, insbesondere bei der Belüftung der Belebungsbecken. Demgegenüber steht die energetische Verwertung des Klärgases in Blockheizkraftwerken. In den vergangenen Jahren hat die Branche erhebliche Summen in Energieeffizienz und Eigenenergieerzeugung investiert und den Nettoenergiebedarf deutlich reduziert. Mit der Kommunalabwasserrichtlinie fordert die EU ab 2045 eine energieneutrale Abwasserbehandlung.
Energieneutralität ist oft nur durch zusätzliche erneuerbare Energiequellen erreichbar, insbesondere da die vierte Reinigungsstufe den Energieverbrauch der Anlagen deutlich erhöhen wird. Die geforderte Energieneutralität wird ohne die gezielte Einbindung erneuerbarer Energien häufig nicht möglich sein. Dafür ist dringend die Anpassung des rechtlichen Rahmens notwendig, um Photovoltaik oder Windenergie einfach und rechtssicher in die Anlagen integrieren zu können.
Effizienter Gewässerschutz
Die novellierte Kommunalabwasserrichtlinie stellt definitiv einen Meilenstein für den Gewässerschutz dar – der aber auch mit erheblichem Aufwand verbunden ist. Für einen nachhaltigen und effizienten Gewässerschutz brauchen wir eine pragmatische Umsetzung der Richtlinie in Deutschland, die die Anforderungen von Umwelt und Wirtschaftlichkeit in Einklang bringt und die Bürger und Bürgerinnen nicht unnötig belastet.
Ein gemeinsames Vorgehen von Politik, Kommunen und Abwasserbranche ist der Schlüssel für den langfristigen Erfolg. Die Wasserwirtschaft will Teil der Lösung sein.
Präsident der DWA (Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall)