Kommunale Wärmeplanung: Ausbau der Stromnetze stärker berücksichtigen!
Die bisherigen Stromnetze sind in Deutschland oft nicht für den massenhaften Einsatz von Wärmepumpen ausgelegt. Um sie fit für die Wärmewende zu machen, brauchen wir eine bessere Finanzierung und schnelle Genehmigungsprozesse. Ein Debattenbeitrag von Kai Lobo, Verband kommunaler Unternehmen (VKU).
Florian Gaertner/photothek.de
Strommasten, aufgenommen in Schönau-Berzdorf
Bis zum Jahr 2045 will Deutschland klimaneutral sein. Auf dem Weg dorthin haben wir in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht, etwa beim Ausbau von Photovoltaikanlagen und Windrädern. Kaum vorangekommen sind wir allerdings bei der Wärmewende. Zwar gibt es mit der kommunalen Wärmeplanung ein zentrales Instrument, um die Wärmewende voranzutreiben, dennoch bleiben viele Herausforderungen. Dass es sich lohnt, zeigt auch der Blick in die Welt: Jede selbst erzeugte Kilowattstunde Strom oder Wärme macht uns unabhängiger von fossilen Energieimporten. Und je dezentraler, desto resilienter wird unsere Versorgung gegenüber exogenen Schocks.
Mammutaufgabe Wärmewende
Seit mehr als einem Jahr ist die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) in Kraft - und damit auch eine Verknüpfung mit den Fristen für die kommunale Wärmeplanung nach dem Wärmeplanungsgesetz (WPG): Große Kommunen haben bis 2026 Zeit, ihre Wärmeplanung zu erstellen, kleinere Kommunen bis 2028. Diese Pläne sollen Orientierung geben, wie Gebäude innerhalb einer Kommune künftig mit Wärme versorgt werden sollten und welche Technologie in welcher Straße technisch und wirtschaftlich am sinnvollsten ist.
Der Umstieg auf erneuerbare und klimaneutrale Wärmequellen – wie etwa Großwärmepumpen, unvereinbare Abwärme, Geothermie, Biomasse, oder auch grünen Wasserstoff – ist eine Mammutaufgabe. Dazu müssen bestehende Wärmenetze ausgebaut oder angepasst, neue Speicher- und Regelungstechnologien entwickelt und implementiert werden. Auch die Energieeffizienz in Gebäuden und Industrie muss erhöht werden.
Bei der Wärmewende müssen wir dem Ausbau der Stromnetze mehr Beachtung als bisher schenken. Denn unsere bisherigen Stromnetze sind oft nicht für den massenhaften Einsatz von Wärmepumpen ausgelegt. Auf der Energiemesse E-World in Essen haben wir kürzlich mit Experten über das Thema am Beispiel von Köln und Frankfurt diskutiert.
Überlastung des Stromnetzes droht
Nehmen wir als Beispiel ein Einfamilienhaus: Der zusätzliche Betrieb einer Wärmepumpe wirkt sich logischerweise auf die Spitzenlast aus. Das ist für einen gewöhnlichen Hausanschluss kein Problem. In einem Wohnquartier mit 100 Wärmepumpen addiert sich die Spitzenlast aber erheblich, was zu einer Überlastung des Stromnetzes führen kann. Anders als etwa ein Fön laufen Wärmepumpen nicht zeitlich versetzt, sondern in der kalten Jahreszeit oft zeitgleich.
Eine mögliche Übergangslösung könnte eine Wärmepumpen-Gas-Hybrid-Heizung sein. Die Spitzenlast könnte über einen Gaskessel abgedeckt und so der Anteil an Erdgas an der Wärmeerzeugung auf unter 25 Prozent gesenkt werden.
Flächenbedarf und Baustellen
Die Wärmewende bedeutet zum Beispiel für die Stadt Köln, dass die Kapazität der Umspannwerksleistung und die Kapazität der Ortsnetzstationen um mehr als 60 Prozent erhöht werden muss. Auch die Kapazitäten der Mittel- und Niederspannungsleitungen müssen erhöht und die Hausanschlussleitungen ertüchtigt werden.
Die neuen Umspannwerke und Ortsnetzstationen beziehungsweise Übernahme- und Netzstationen und die Erweiterung bestehender Standorte brauchen Platz. Diese zusätzlichen Flächen in einer Großstadt zu finden, ist keine leichte Aufgabe. Hinzu kommen zahlreiche Tiefbauarbeiten, die eine Belastung für den Verkehr und die Bewohner der Stadt sind.
Umbau und Anpassungen erfordern hohe Investitionen. Das Geld wird vor allem benötigt für den Ausbau erneuerbarer Energien, den Ausbau der Strom- und den Umbau der Gasnetze, die Dekarbonisierung des Wärmesektors und den Ausbau der Wasserstoffwirtschaft. Allein bis zum Jahr 2030 gehen wir von einer Summe von 721 Milliarden Euro aus. Diese Investitionen können nur gestemmt werden, wenn wir alle Möglichkeiten der Finanzierung ausschöpfen. Dabei ist die Mobilisierung von privatem Kapital von zentraler Bedeutung.
Was die kommunalen Unternehmen fordern
Der VKU fordert klare rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen, um die notwendigen Investitionen in die Infrastruktur zu ermöglichen. Für mehr Fernwärme und Stromnetze brauchen wir eine bessere Finanzierung für den Leitungsbau, eine bessere Regulierung, Bürokratieabbau und kein Mikromanagement. Die Genehmigungsprozesse müssen vereinfacht und beschleunigt werden. Obendrein müssen Gebäudeenergiegesetz (GEG) und Wärmeplanungsgesetz entschlackt und praxistauglich gemacht werden.
Rolle der Stadtwerke
Stadtwerke sind vor Ort oft die Hauptakteure bei der Entwicklung und Umsetzung der Wärmepläne. Sie bieten nicht nur technische Lösungen, sondern auch Beratung und Unterstützung für Bürger und Unternehmen. Sie beraten zum Beispiel zu Förderprogrammen und helfen bei der Erstellung von Finanzierungsplänen.
Am Beginn jeder lokalen Wärmewende steht eine Bestandsaufnahme und Analyse der verfügbaren klimaneutralen Wärmequellen und Abwärmequellen, der bestehenden Wärmeinfrastruktur und des Energieverbrauchs in der Kommune. Dazu gehört das Sammeln von Daten zu Gebäuden, bestehenden Wärmenetzen und eben potenziellen Wärmequellen, wie etwa Abwärme. Auf Basis dieser Daten entwickeln Stadtwerke gemeinsam mit der Kommune einen Wärmeplan, der lokale Gegebenheiten und Potenziale berücksichtigt.
Anschließend sorgen Stadtwerke für die technische Umsetzung. Das umfasst zum Beispiel Ausbau und Modernisierung von Wärmenetzen, Integration erneuerbarer Energien und Implementierung von Speichertechnologien. Nach Umsetzung der Maßnahmen überwachen Stadtwerke die Effizienz und Wirksamkeit. Bei Bedarf passen sie den Wärmeplan an, um sicherzustellen, dass die Klimaziele erreicht werden.
Akzeptanz und Beteiligung der Bevölkerung sind entscheidend für den Erfolg der Wärmewende. Eine erfolgreiche Wärmeplanung kann nur mit der Einbindung der Bürgerinnen und Bürger gelingen. Deshalb organisieren Stadtwerke Informationsveranstaltungen und bieten Beratungsdienste an. Sie informieren über Vorteile der Maßnahmen und beantworten Fragen der Bürger.
Hoher Fachkräftebedarf
Kommunale Unternehmen sind attraktive Arbeitgeber. Für die Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen haben Stadtwerke einen hohen Bedarf an Fachkräften. Mit der Kampagne KOMMUNAL KANN informieren wir über die sinnstiftenden Aufgaben und vielseitigen Karriereperspektiven in der kommunalen Wirtschaft.
Wir dürfen keine Zeit verlieren, denn der Gebäudesektor ist für rund 30 Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich. Um die Klimaziele zu erreichen, muss deshalb auch der Wärmesektor schnellstmöglich dekarbonisiert werden.
VKU/BILDSCHOEN/Merkel
ist stellvertretender Hauptgeschäftsführer und Geschäftsführer der Abteilung Energiewirtschaft im Verband kommunaler Unternehmen (VKU).
Foto: VKU/BILDSCHOEN/Merkel