Kommunen müssen wieder finanziell handlungsfähig werden – jetzt!
In den Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD geht es für die Landkreise um viel. Es ist nun wichtig, nicht die falschen Dinge zu tun – vor allem aber nicht die richtigen Dinge nicht zu tun. Ein Gastbeitrag von Sven Ambrosy, Landrat Kreis Friesland und Vizepräsident des Deutschen Landkreistages.
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Sven Ambrosy, Landrat Kreis Friesland und Vizepräsident des Deutschen Landkreistages
Die Kommunen in Deutschland stecken finanziell in ihrer größten Krise und sind fiskalisch kaum noch in der Lage, ihre Aufgaben zu erfüllen. Ihre Finanzsituation hat sich in kürzester Zeit dramatisch verschlechtert. Für 2024 hatten die kommunalen Spitzenverbände mit einem – auch schon riesigen – kommunalen Rekorddefizit von -13,2 Milliarden Euro gerechnet, tatsächlich betrug das Minus rund 20 Milliarden Euro. In den folgenden Jahren drohen Defizite in mindestens gleicher Größenordnung. Realisiert sich das, werden die Landkreise in ein paar Jahren finanziell handlungsunfähig sein. Das ist kein Untergangsszenario, sondern Mathematik.
Bei einem Anteil der kommunalen Ebene an den öffentlichen Steuereinnahmen von etwa einem Siebtel (15,5 Prozent) und einem Ausgabeanteil von deutlich über einem Viertel (28,4 Prozent) braucht man nicht Adam Riese sein, dass das nicht lange gut gehen kann. Wichtig ist also, dass neben einer deutlichen Rückführung der hohen bundesgesetzlicher Ausgabedynamik vor allem eine signifikante Erhöhung der originären kommunalen Steuerausstattung anstehen muss. Ansonsten wird es unmöglich sein, notwendige Investitionen wie etwa in unsere Schulgebäude, in Kitas, in die dringend notwendige Digitalisierung der Fläche, der Bildungseinrichtungen sowie der Verwaltung, im Sozialbereich oder bei der kommunalen Infrastruktur sowie für Klimafolgenanpassung konsequent und passgenau voranzutreiben.
Finanzmisere konsequent lösen!
Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen muss diese kommunale Notlage aufgegriffen werden und eine Lösung für die Finanzmisere von Städten, Gemeinden und Landkreisen gefunden und dann konsequent umgesetzt werden. Wir Kommunen müssen für die Wahrnehmung unserer Aufgaben angemessen finanziell ausgestattet werden, um handlungsfähig zu bleiben. Es muss endlich Schluss damit sein, dass der Bund Gesetze macht, die die Kommunen ausführen müssen, und diese nicht über die dafür notwendigen Finanzmittel verfügen.
Der Bund ist jetzt in der Pflicht. So wie jetzt kann es nicht weitergehen. Konkret muss der prozentuale Anteil der Kommunen am Umsatzsteueraufkommen mindestens verdreifacht werden. Dabei geht es um 11,5 Milliarden Euro jährlich, wovon auch die Landkreise direkt profitieren sollten. Diese zusätzlichen Steuereinnahmen sollten nach Einwohnern und nicht nach Wirtschaftskraft verteilt werden, um strukturschwache Landesteile gezielt zu unterstützen.
Ausgaben wachsen zu schnell
Darüber hinaus ist ein weiterer wichtiger Punkt in den bisherigen Verhandlungen deutlich zu kurz gekommen: Der Bund muss geeignete Maßnahmen ergreifen, die das viel zu hohe Wachstum der Ausgaben bei den Kommunen dauerhaft zu reduzieren. Ziel muss eine deutliche und nachhaltige Rückführung der Ausgabedynamik sein.
Schaut man auf den bisherigen Verhandlungsstand, wurden zwar Milliardenpakete zur Ertüchtigung der Verteidigungsfähigkeit und der Infrastruktur verabredet. Das ist gut. Was dennoch Not tut, sind erforderliche Konsolidierungen im Bundeshaushalt. Das ist schmerzhaft, aber nicht zu ändern. Denn, wenn wir die Ausgabenlast nicht nachhaltig in den Griff bekommen, werden wir nicht dauerhaft in der Lage sein, die immer steigenden Annuitätskosten in Höhe von Zins und Tilgung zu bewältigen. Das ist unabdingbar, damit sich Deutschland mit dem Milliardenplan nicht übernimmt. Dabei geht es auch um Generationsgerechtigkeit. Wir können nicht unendlich unsere Kosten den durch die demografische Entwicklung auch noch immer kleiner werdenden zukünftigen Generationen überbügeln.
Mehr Netto für Geringverdiener
Konkret geht es dem Deutschen Landkreistag zum Beispiel um mehr Arbeitsanreize im Bürgergeld, etwa durch die Streichung der Karenzzeiten bei teuren Wohnungen und hohen Vermögen. Daneben drücken uns aber auch die Flüchtlingskosten, die exorbitant steigenden Kosten in der Eingliederungshilfe und viele andere Sozialleistungen massiv. Wenn dort nicht schnell und wirksam gegengesteuert wird, wäre dies ein sträfliches Unterlassen in der neuen Regierungsperiode.
Uns geht es dabei um einen Systemwechsel: Wir fordern eine signifikante Erhöhung des Steuerfreibetrages für Erwachsene und Kinder, damit gerade Geringverdiener nicht mehr auf ergänzende Hilfen angewiesen sind. Das entlastet die Sozialausgaben und verringert den Verwaltungsaufwand. Es macht doch keinen Sinn, gerade bei unteren Lohngruppen mit einem erheblichen administrativen Aufwand Geld einzusammeln, um diesen Menschen dann Sozialhilfen zukommen zu lassen, weil sie durch die Inflation und den gestiegenen Mieten nicht mehr klarkommen. Vielmehr muss der Wert der Arbeit gesteigert werden.
Landkreis Friesland
ist Landrat im Landkreis Friesland und Vizepräsident des Deutschen Landkreistages