Mehr soziale Gerechtigkeit auf dem Wohnungsmarkt: Mehr Wohnraum für alle
SPD-Bundestagsfraktion/Photothek
Wie kaum eine andere Branche ist die Bau- und Wohnungswirtschaft von der Zeitenwende getroffen worden und erholt sich nur leider langsam. Abrupt ansteigende Zinsen versetzten den hochpreisigen Wohnungsbau einen schweren Schlag: Inflation, Materialengpässe und gestiegener Baupreise in Kombination mit gestiegenen Energiepreisen potenzierten die Risiken und verlagerten finanzielle Anlagestrategien. Auf eine veränderte Wohnungspolitik, die den Bau bezahlbarer Wohnungen durch Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus in Kombination mit energetischen Anforderungen setzt, musste sich die Wohnungswirtschaft einstellen.
Die renditegewohnte Branche ist überdies mit Innovationsdefiziten konfrontiert, die kaum öffentlich diskutiert werden. Angefangen von der Digitalisierung bis zum modularen und seriellen Wohnungsbau sind die zukunftsorientierten Herausforderungen nur von Wenigen angenommen worden. Die Defizite bestehen zweifellos auf beiden Seiten – keineswegs nur bei Genehmigungsverfahren.
Ein europaweites Problem
Hartnäckig bleibt das Lamento über einbrechende Genehmigungen, unzureichende Subventionen und bürokratische Hemmnisse, die durchaus auch ihre Berechtigung haben, aber keineswegs allein des Pudels Kern sind. Denn leider ist der Rückgang der Wohnungsbautätigkeit ein Problem nahezu aller EU-Staaten – und nicht nur dort.
Was tun?
Von Beginn der Ampel hat es die Förderung des sozialen Wohnungsbaus als Schwerpunkt der Wohnungspolitik in dieser Legislaturperiode gegeben. Der ungebremste Wegfall sozial gebundener Wohnungen von annähernd drei auf nunmehr rund eine Million Sozialwohnungen soll gebremst und der Bestand wiederaufgebaut werden. Mittlerweile ist der Abstieg gebremst: In einigen Ländern entstehen wieder mehr neue Sozialwohnungen, als sie aus der Bindung fallen.
Zeitenwende mit Folgen
Durchkreuzt wurden alle Anstrengungen zu einer neuen sozial geprägten Wohnungspolitik durch die Zeitenwende. Von rund 300.000 Baugenehmigungen Ende 2022 stürzten die Zahlen bis einschließlich November 2023 auf rund 238.500 Genehmigungen für Wohnungen – ein Rückgang um 25,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Und auch 2024 wird die Trendwende noch nicht wieder erreicht werden.
Parallel stieg die Zahl der Bauüberhänge, also der genehmigten Bauvorhaben, auf die Rekordzahl von über 880.000 Wohnungen – ein Sachverhalt, auf den die Bauwirtschaft nur mühselig Antworten findet. Fehlende Grundstücke und stockenden Genehmigungen sind hier keine durchschlagende Erklärung.
Offensichtlich ist, dass die steigende Bevölkerungszahl und die damit verbundene Nachfrage die Knappheit vergrößert und ohne hinreichenden Mieterschutz die Mieten steigen. Unterhalb dieser Hauptentwicklung gibt es beachtenswerte Faktoren: Vom steigenden individuellen Wohnflächenverbrauch auf mittlerweile 45 m² pro Person über die Veränderungen der Haushaltsgrößen (zwischen Vereinzelung einerseits und überbelegten Wohnungen anderseits) gibt es noch weitere Faktoren.
Hohe Mietensteigerungen – der Staat steuert gegen
Viele der privaten Vermieter verhalten sich sozial verantwortlich, aber dennoch: Die Mietensteigerung in verschiedenen Segmenten waren in den letzten Monaten exorbitant: Fast 29% aller Mieterinnen und Mieter geben mittlerweile ein Drittel ihres verfügbaren Einkommens für die Miete aus, darunter 16 Prozent, die die 40%-Marke und mehr erreichen.
Gegen diesen Trend wurde und wird die staatliche Förderung durch gezielte Programme entwickelt. Der Klimafreundlicher Neubau (2024: 762 Millionen Euro), das Wohneigentum für Familien (2024: 350 Millionen Euro), Jung kauft Alt (2024: 350 Millionen Euro), Gewerbe zu Wohnen (2024: 120 Mio. Euro) und die Genossenschaftsförderung mit 15 Millionen Euro unterstützen den Wohnungsneu oder -umbau, damit die Branche endlich wieder an Fahrt gewinnt.
Mit einer weiteren Milliarde Euro für ein Förderprogramm zum Neubau energieeffizienter, bezahlbarer Wohnungen mit Wohnflächen- und Mietbegrenzung wird in Abstimmung mit der Wohnungswirtschaft ein Programm auf den Weg gebracht, das nochmal mehr Wohnraum für Menschen mit mittleren und niedrigen Einkommen schaffen soll. Gerade kleinere Wohnungen im mittleren Preissegment werden durch eine alternde Gesellschaft und die Zunahme von Ein-Personen-Haushalten verstärkt nachgefragt.
Rekordsummen für den sozialen Wohnungsbau
In Ergänzung zu den aufgeführten Programmen stärken wir den sozialen Wohnungsbau weiter: Nach 2,5 Milliarden Euro in 2023 steigen die Bundesmittel im laufenden Jahr auf 3,15 Milliarden Euro. Im Zeitraum von 2022 bis 2027 stellt der Bund für den sozialen Wohnungsbau die historische Summe von 18,15 Milliarden Euro bereit. In Zeiten der Haushaltskonsolidierung senden wir damit ein wichtiges Signal nicht nur an Millionen Bürgerinnen und Bürger, sondern auch an über 10.500 Kommunen sowie die Bauwirtschaft, der die Planungssicherheit doch zu Recht so wichtig ist.
Ob Mietwohnraum für Haushalte mit geringem Einkommen, ob Studierendenwohnheim oder Azubi-Wohnung, ob bezahlbare Wohnung in der Innenstadt, ob Neubau oder Sanierung im Bestand: Die soziale Wohnraumförderung ermöglicht den Ländern in vielerlei Weise, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Zur Umsetzung der Bundesmittel haben die Länder attraktive Förderrichtlinien auf den Weg gebracht. Zuzüglich der Kofinanzierung der Länder summiert sich die Förderung auf über 45 Milliarden Euro. Kommunen, Investoren und die Bauwirtschaft erhalten damit auf Jahre hin Planungs- und Investitionssicherheit.
Die Anzahl der von den Ländern bewilligten Fördermaßnahmen beim Neubau von Sozialwohnungen (zur Miete und Eigentum) lag im Kalenderjahr 2022 bei rund 24.000 Wohneinheiten (darunter rund 22.500 Mietwohnungen). Zusammen mit Modernisierungsmaßnahmen, Erwerb von Belegungsrechten und Wohnheimplätzen wurden 2022 insgesamt rund 43.800 Wohnungen gefördert. Für 2023 können wir höhere Zahlen erwarten, wie die ersten Meldungen aus den Bundesländern beweisen.
Unterstützung für junge Menschen
Erstmals gab es in 2023 ein eigenes Bund-Länder-Programm im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus zur Förderung von Wohnheimen für Auszubildende und Studierende in Höhe von 500 Millionen Euro, das mit gleichem Volumen 2024 und 2025 fortgesetzt wird. Die ersten Zahlen sind sehr positiv, so dass wir mit einer Zunahme an dringend benötigtem Wohnraum für junge Menschen rechnen.
Schließlich sollte nicht vergessen werden, dass mit der sogenannten Verbilligungsrichtlinie der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben ein Schub für den sozialen Wohnungsbau entstanden ist. Ein Kaufpreisabschlag von mittlerweile bis zu 35.000 Euro pro neuer Sozialwohnung hat bei einem Volumen von 156 Millionen Euro zur Schaffung von 6.600 Sozialwohnungen beigetragen. Und endlich werden 2024 und 2025 rund 2.800 Wohnungen fertig und weitere 1.000 pro Jahr, vielleicht deutlich mehr, sind in der Planung.
Wohnungsneubau entspannt zwar den Wohnungsmarkt, schützt aber allein nicht vor der Mietpreisspirale. Die Entwicklung ist dramatisch und noch immer warten die wenigen Vereinbarungen im Koalitionsvertrag zu Sicherung eines sozialen Mietrechts auf Umsetzung des zuständigen Justizministers Marco Buschmann (FDP). Senkung der Kappungsgrenze, Evaluierung und Fortschreibung der Mietpreisbremse und Verlängerung des Mietspiegelzeitrums sind die vereinbarten Themen, die klar und deutlich im Koalitionsvertrag stehen. Interpretation ausgeschlossen.
Neue Entwicklungen und Probleme
Seit Abschluss des Koalitionsvertrages haben sich neue Probleme durch Indexmieten und Umgehung der Mietpreisbremse etwa durch möbliertes Wohnen ergeben, außerdem ist auch eine Zunahme von befristeter Vermietung zu beobachten, die die Preisspirale beschleunigen. Gleichzeitig steigen auch die Nebenkosten rasant an. Die immer noch fehlende Transparenz und unzureichende Nachvollziehbarkeit für den Verbraucher trägt auch nicht gerade zur Verbesserung der Situation bei.
Neben der Wohnungsbauförderung und dem Mietrecht vereinfachen und beschleunigen wir das Bauplanungsrecht – kein einfaches Unterfangen –, an deren Ende ein neues Baugesetzbuch und schlanke Bauordnungen stehen sollen. Endlich ist der Justizminister auf dem Weg, mit dem Gebäudetyp E eine vereinfachtes Baurecht auch zivilrechtlich abzusichern.
Zuletzt: Förderprogramme und Rechtsetzungen werden durch die Steuerpolitik unterstützt, die massive Anreize für den Wohnungsbau gibt. Mit der Erhöhung der allgemeinen Abschreibungen, Einführung von Sonderabschreibungen für den klimagerechten Wohnungsbau und Verstärkung der allgemeinen AfA auf 5 Prozent für sechs Jahre geben wir Anreize für den Wohnungsbau, die keinen Vergleich mit der Wohnungspolitik der letzten Jahrzehnte scheuen müssen, im Gegenteil. Laut Prognose des Zentralen Immobilienausschusses kann die degressive AfA eine Minderung der Mietenberechnung bei Neubauten von 2,50 Euro/m² bewirken.
Die aktuelle Debatte um die endlich auf den Weg gebrachte Möglichkeit zur Verlängerung der Mietpreisbremse hat offenbart, dass weitere Regelungen zum Mietrecht ausstehen, obwohl sie vereinbart worden sind. Die SPD verlangt: Pacta sunt servanda.
Foto: Photothek/SPD-Bundestagsfraktion
ist Mitglied des Deutschen Bundestages und ist Sprecher der AG Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen der SPD-Bundestagsfraktion. Er außerdem seit 2003 Landesgeschäftsführer der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik in NRW (SGK) mit Sitz in Düsseldorf.