Perspektiven

Reaktivierung von Bahnstrecken – ein Gewinn für Kommunen und Regionen!

Wenn eine Anbindung an den Schienenverkehr fehlt, kann das die Entwicklung einer ganzen Region hemmen. Ein Gastbeitrag von Axel Priebs, Präsident der Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft (Hannover).
von Axel Priebs · 6. Mai 2024
Stillgelegte Bahnstrecke in Sachsen (Symbolfoto): Damit die Chance gewahrt wird, dass eines Tages wieder Züge über verwaiste Gleise fahren, ist eine vorsorgliche und verbindliche Trassensicherung erforderlich.

Die Bahn kommt zurück in die ländlichen Räume! Zumindest in einigen Regionen Deutschlands ist es Realität, dass auf alten Trassen wieder Betrieb herrscht und Menschen mit modernen Zügen im Stundentakt zu ihren nahen und fernen Zielen kommen. Diese Wende ist besonders bemerkenswert, denn zwischen 1955 und 2019 wurden rund 15.000 km Bahnstrecken stillgelegt.

In schneller Folge werden derzeit Machbarkeitsstudien erarbeitet, die häufig zu einem positiven Ergebnis kommen. Doch das Tempo der tatsächlichen Reaktivierung ist langsam, weswegen das Thema dringend auf die Agenda aller politischen Ebenen gehört. In einem Positionspapier, das wir in einem Arbeitskreis der Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft (ARL) erarbeitet haben, fordern wir mit Hinweis auf die Realisierung gleichwertiger Lebensverhältnisse insbesondere zentrenferne Regionen auf, deutlich selbstbewusster einen leistungsfähigen Schienenanschluss einzufordern. Denn die Anbindung an das Eisenbahnnetz ist ein zentraler Beitrag zur öffentlichen Daseinsvorsorge, was unter dem Aspekt der Chancengerechtigkeit und der gesellschaftlichen Teilhabe auch dauerhafte Zuwendungen aus öffentlichen Haushalten legitimiert.

Ganze Regionen leiden unter fehlendem Bahnanschluss

Kaum zu glauben ist, dass bundesweit 123 Mittelzentren (d. h. kleine und mittlere Städte, die ihr Umland versorgen sollen) nicht an den Schienen-Personenverkehr angebunden sind, worunter ihre Kraft zur Stabilisierung und Entwicklung ihrer jeweiligen Region leidet. Ein fehlender Bahnanschluss ist auch bei unternehmerischen Entscheidungen oder für die Eignung als Behördenstandort ein entscheidender Nachteil. Auch im äußeren Ausstrahlungsbereich der Großstädte bietet die Anbindung an das Bahnnetz für kleine und mittlere Städte im Zusammenspiel mit „New Work“ neue Chancen, weil sich dort ländliches Wohnen mit guter Erreichbarkeit der Großstadt verbinden lässt.

In der Realität stehen Ansätze zur Reaktivierung von Bahnstrecken meist ziemlich isoliert als verkehrspolitische Projekte im Raum, deren Schicksal nur vom Ergebnis der „Standardisierten Bewertung“ abhängt. Dabei wäre es erforderlich, viel offensiver die Chancen in den Blick zu nehmen, die sich mit einer Schienenanbindung für die kommunale und regionale Entwicklung mit Auswirkungen auf das Image, den Tourismus und das Gewerbe einbeziehen. Den Kommunen entlang der Strecke bieten neue Bahnstationen große Chancen für die Stadt- und Ortsentwicklung, weil damit wichtige Begegnungsorte und in ihrem Umfeld neue Angebote und Qualitäten entstehen können. Deswegen ist es höchste Zeit für ganzheitliche Förderprogramme, die Strecken, Stationen und Stationsumfeld abdecken.

Jetzt Trassen sichern!

Damit überhaupt die Chance gewahrt wird, dass eines Tages wieder Züge über verwaiste Gleise oder alte Bahndämme fahren, ist eine vorsorgliche und verbindliche Trassensicherung zwingend erforderlich. Dies ist eine wichtige Aufgabe der Landes- und Regionalplanung, denn nur über ihre Raumordnungspläne und deren hohe rechtliche Verbindlichkeit kann die langfristige Option einer Streckenreaktivierung erhalten und einer Unterbrechung durchgehender Trassen vorgebeugt werden. Gerade bei Strecken, die von Bahnbetriebszwecken freigestellt („entwidmet“) sind, entfaltet das Eisenbahnrecht keine Wirkung mehr, sondern eine Sicherung kann nur noch durch die Raumordnung erfolgen.

Bei den Überlegungen zu einer Streckenreaktivierung sollte stets der Güterverkehr mitgedacht werden, weil mit der Reaktivierung von Bahnstrecken auch die Anbindung von Gewerbeflächen erfolgen kann. Denkbar sind auch Reaktivierungen im ersten Schritt nur für den Güterverkehr, wofür aber in der Regel keine Fördermöglichkeiten bestehen.

Die Bevölkerung überzeugen

So wichtig Streckenreaktivierungen sind, so sehr ist auch mit kritischen Anliegern zu rechnen, die Ängste vor Lärm und geschlossenen Bahnübergängen haben. Deswegen ist im Vorfeld einer geplanten Streckenreaktivierung die Kommunikation mit der Bevölkerung deutlich zu intensivieren, um Skepsis und Vorbehalte zu überwinden. Durch frühzeitige Information kann die Unterstützung durch die lokale Bevölkerung deutlich erhöht werden. Ein wichtiger Ansatz, um die lokale und regionale Politik zu überzeugen, ist der Besuch von erfolgreichen Praxisbeispielen. Die gibt es bereits in mehreren Bundesländern; in Norddeutschland sei auf die Bentheimer Eisenbahn an der niederländischen Grenze, die S-Bahn nach Farge im Bremer Norden oder die Stichbahn nach Einbeck verwiesen.

Mehr Informationen:
Das Positionspapier aus der ARL (Nr. 146) ist als PDF unter arl-net.de abrufbar.

Autor*in
Axel Priebs

wirkte von 1996 bis 2001 an der Vorbereitung der Region mit.  Von 2002 bis 2018 war er Erster Regionsrat sowie Mitglied des SGK-Landesvorstandes war. Derzeit lehrt er an den Universitäten Hannover und Kiel und ist Vizepräsident der Akademie für Raumentwicklung (ARL).

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