Zukunft der Lausitz: Hightech im Güterschuppen

Der Strukturwandel in der Lausitz lässt sich für Stephan Loge (SPD), Landrat im Landkreis Dahme-Spreewald, nicht mehr aufhalten, auch nicht durch möglicherweise temporär längere Laufzeiten von Kohlekraftwerken. Der eingesetzte Strukturwandel sowie damit einhergehende „Wachstumsschmerzen“ bewegen ihn weitaus mehr
von Harald Lachmann · 21. Oktober 2022
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Der Güterschuppen am Hauptbahnhof Lübben sah schon bessere Zeiten. Noch als viele von hier täglich zur Schicht in die Braunkohlekraftwerke Lübbenau und Vetschau rollten, dämmerte der Klinkerbau vor sich hin. Dabei kürte die Allianz pro Schiene die Lübbener Station 2004 sogar zum „kundenfreundlichsten Kleinstadtbahnhof“ der Republik. Inzwischen ist auch die Strecke nach Berlin zweigleisig. „Da ist man in 40 Minuten in Mitte, das schafft man nicht von Pankow nach Neukölln“, schmunzelt Stephan Loge. Der SPD-Landrat des Landkreises Dahme-Spreewald (LDS) sitzt in Lübben – und er vermisst die bereits geschlossenen Kraftwerke absolut nicht.

Aus dem Schuppen wird ein Cowoking-Space

Kein Wunder, zu seinem Beritt gehören auch die Boomregion um den neuen Airport Schönefeld sowie der aufstrebende Technologiestandort Wildau. Doch andererseits eben auch große Teile der Niederlausitz, die bis 2038 einen grundlegenden Strukturwandel erfährt. Deshalb sieht Loge auch für jenen Bahnhofsschuppen eine schillernde Zukunft: Hier etabliert sich ein Coworking-Space. Aktuelle Pläne zeichnen das Bild eines lichtdurchfluteten Komplexes mit mobilen Arbeitsplätzen, an denen kluge Köpfe via Highspeed-Internet für Berliner Denkschmieden tätig sind, etwa den Technologiepark Adlershof. Auch nebenan, in Lübbenau, seien für ein ähnliches Projekt bereits 150 Coworking-Plätze fest avisiert, so der Landrat.

Die Gelder für diese wie dutzende weitere Vorhaben kommen aus einem riesigen Fördertopf zur Strukturstärkung. Dank diesem soll die Lausitz auch nach Ende der Kohleverstromung 2038 den Menschen Arbeit, Ausbildungschancen und eine hohe Lebensqualität bieten – nun in einer völlig neuen Wirtschaftsstruktur. Ein Viertel der 40 Milliarden Euro sind dabei reserviert für die Niederlausitz im Süden Brandenburgs, wo derzeit noch 7.000 Menschen in Tagebauen und Kraftwerken ihren Unterhalt verdienen.

Raus aus der Kohle, rein in die Zukunft

Dass es der Bundespolitik ernst ist mit diesen Plänen, spürte der LDS-Landrat als einer der ersten: Seit Mai 2017 verfeuert Berlin im großen Heizkraftwerk Klingenberg keine Lausitzkohle mehr. „Damit war auch die Kohleverladung im Hafen Königs Wusterhausen über Nacht ohne Arbeit“, erzählt er. Aber allein 6,5 Millionen Euro aus jenem Strukturstärkungsgesetz legten schnell den Hebel um: Nun etablierte sich hier „mit dem Güterverkehrszentrum Schönefelder Kreuz eine trimodale Verladung aus Straße, Wasser und Schiene, die in Brandenburg einmalig ist“, so Loge. Hinter des Landrats Begeisterung steckt auch ein wenig eigene Vita: Er studierte einst Transportbetriebstechnologie.

Weitere Neuorientierungen betreffen denn auch den ÖPNV, für den allein in den 37 LDS-Kommunen über 100 Millionen Euro aus der Strukturförderung beantragt sind. Zugleich kämpft Loge für eine starke medizinische Aufwertung des Brandenburger Südens, möchte in Lübben etwa ein Zentrum für Telemedizin aufbauen. Immerhin verfügt das Land über keine eigene Ärzteausbildung. So empfindet er es denn auch als Segen, dass 2026 an der Brandenburgischen TU – also fast vor der Haustür – ein Innovationszentrum Universitätsmedizin Cottbus entsteht.

Lausitz soll besser vernetzt werden

Dass Braunkohle wegen der aktuellen Energienot länger als beabsichtigt verfeuert werden könnte, sieht Loge dabei pragmatisch: „Das hat keine deklaratorischen Auswirkungen auf die Förderstrategie“, ist er sicher. Ohnehin mag er das Thema nicht zu hoch hängen, „um die Leute nach der Gas- und Ölkrise nicht noch mit Blackouts zu verunsichern“. Vielmehr glaubt er seine Katastrophenschutzbehörde „gemeinsam mit den Kommunen solide aufgestellt“. Länger laufende Kohlekraftwerke seien denn „eine operative Situation im Rahmen des Strukturwandels“, die man verantwortungsbewusst bewältigen werde. Ohnehin habe es in seinem Landkreis, der 1993 aus den Altkreisen Königs Wusterhausen, Lübben und Luckau entstand, „nie die ganz große Identifikation mit Kohle und Strom“ gegeben.

Eher beobachtet der SPD-Mann eine regionale Identifikation, die nicht allein auf Berlin sondern ebenso auf die „aufstrebende Metropole Cottbus mit ihrer wachsenden Hochschule“ gerichtet sei. Und für eine hierfür nötige „stärkere Quervernetzung der vier Lausitzlandkreise gebe es noch einiges zu tun – von einer besseren Bahnanbindung nach Cottbus bis zu noch viel mehr räumlicher Kooperation“. Ganz besonders brennt Loge, der mit elf SPD-Abgeordneten im 56-köpfigen Kreistag eine starke Hausmacht hinter sich weiß, das Thema medizinische Versorgung auf den Nägeln. Dass es hieran noch deutlich mangelt, rechnet er übrigens ebenso zu den „Wachstumsschmerzen einer zukunftsträchtigen Region“ wie den Mangel an Wohnungen, Schulen, Kitas sowie dem hierfür nötigen Personal.

Autor*in
Harald Lachmann

  ist diplomierter Journalist, arbeitete zunächst als Redakteur bei der Leipziger Volkszeitung, zuletzt als Ressortleiter Politik, und schreibt heute als freier Autor und Korrespondent für Tages-, Fach- sowie Wirtschaftszeitungen. Für die DEMO ist er seit 1994 tätig.
 
 

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