Rezension

Smart Cities zwischen Utopie und Albtraum

Smart Cities – das bedeutet für den ehemaligen Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar weit mehr, als nur möglichst viel digitale Technik einzusetzen. In einem lesenswerten Buch führt er in das Thema ein und schildert dessen politische Dimensionen.

von Carl-Friedrich Höck · 7. Februar 2025
Buchcover Schöne neue Stadt

Cover „Schöne neue Stadt”

Datenschutzbeauftragten eilt zuweilen der Ruf voraus, Bedenkenträger zu sein, die den technologischen Fortschritt mehr bremsen als fördern. Peter Schaar hatte dieses Amt für den Bund zehn Jahre lang inne (2003 bis 2013). Dass sein neues Buch den Untertitel „Überwachungsalbtraum Smart Cities?“ trägt, lässt einen düsteren Blick auf unsere Zukunft erwarten. Doch Schaar betont nicht nur die Risiken, sondern auch die Chancen von Smart-City-Ansätzen. Ihm ist ein lesenswertes Buch gelungen, das sich nicht nur an ein Fachpublikum richtet, sondern allgemeinverständlich in das Thema einführt.

So erklärt er anschaulich, was für unterschiedliche Konzepte sich hinter dem Schlagwort „Smart Cities“ verbergen. Da gibt es zum einen die Vorstellungen von Technologie-Riesen, die zumeist von wirtschaftlichen Interessen getrieben, auf technische Perfektion und Überwachung ausgerichtet sind. Dem stehen Ansätze gegenüber, welche die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt stellen und deren Eigenheiten und Kreativität unterstützen sollen. (Letzteres kommt in der deutschen Smart-City-Charta zum Ausdruck.)

Warnende Beispiele gibt es genügend

Peter Schaar beschreibt etliche Negativbeispiele. So wurde in Südkorea die Stadt Songdo am Reißbrett entworfen. Sie sollte ein Referenzprojekt bilden, das anschließend im Sinne eines Baukastensystems überall reproduziert werden kann. Der amerikanische Konzern Cisco wurde damit beauftragt, die digitale Infrastruktur aufzubauen. Schaar schreibt: „Alles wurde auf das Ziel maximaler Datenverfügbarkeit ausgerichtet: lückenlose Kameraüberwachung, vernetzte Wohnungen und Gebäude, digital unterstützte Mobilität, automatische Müllentsorgung.“ Der öffentliche Raum wird mit Kameras und Mikrofonen überwacht, die Bewohner kommen nur mit einer Chipkarte in öffentliche Gebäude oder in ihr zuhause. Und der gesammelte Datenschatz bleibt weitgehend in der Hand des Unternehmens, weil die eingesetzten Techniken patentrechtlich abgesichert sind. Die Stadt wirke steril und viele Wohnungen stünden leer, berichtet Schaar. Die Gründe vermutet er auch in Planungsfehlern. So fehle es an Flächen für Märkte und andere Nutzungen, die Platz für ein buntes Miteinander bieten.

Sich von globalen Technologiekonzernen abhängig zu machen, hält Schaar generell für keine gute Idee. Als warnendes Beispiel dient ihm auch die Stadt Toronto in Kanada. Zusammen mit dem Konzern Alphabet (zu dem Google gehört) wollte die Verwaltung einen Stadtteil zur Smart City umgestalten. Zunächst angekündigte Datenschutz-Versprechen seien jedoch nicht eingehalten worden und die Bürger seien trotz zahlreicher (aber unverbindlicher) Beteiligungsformate skeptisch geblieben, kritisiert Schaar. Die Konflikte hätten schließlich zum Ausstieg des Unternehmens geführt.

Smart-City-Leuchtturm Barcelona

Als Gegenmodell dient Schaar die spanische Metropole Barcelona. Hier wurden digitale Plattformen geschaffen, die den Bürgern die Beteiligung an städtischen Planungen und Entscheidungen erleichtern. Die gewonnen Daten werden als „digitales Gemeingut“ verstanden, die von allen Bewohnern genutzt werden können. Zugleich erfindet sich die Stadt auch in anderer Hinsicht neu: öffentliche Flächen werden neu aufgeteilt, Autos zugunsten von Kindern, Fußgängern und Radfahrern zurückgedrängt. Dieser Gedanke durchzieht übrigens das ganze Buch: Unter dem Schlagwort Smart City verhandelt Schaar stets auch die Frage mit, was eine moderne, lebenswerte und klimafreundliche Stadt ausmacht.

In Deutschland seien ambitionierte Smart-City-Vorhaben noch rar, urteilt Schaar. Einige Modellvorhaben hebt er dennoch hervor, sei es der Einsatz von „digitalen Zwillingen“ in diversen Städten (Simulationsverfahren, die kommunale Planungen verbessern sollen), KI-Nutzung zum Aufspüren von Hitzeinseln in Dresden oder der Bürgerhaushalt im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick.

Seine zentralen Botschaften fasst Schaar bereits im Vorwort zusammen: Smarte Lösungen müssten zur jeweiligen Stadt passen. Die Bürger sollten an allen wichtigen Entscheidungen beteiligt werden. Und die Privatsphäre der Menschen sowie der Datenschutz müssten von Anfang an berücksichtigt werden.

Peter Schaar:
Schöne neue Stadt.
Überwachungsalbtraum Smart Cities?
Hirzel-Verlag 2024, 176 Seiten, 24,00 Euro,
ISBN: 978-3-7776-2887-5

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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