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Landrat Frank Steffen: ein Macher für Oder-Spree

Bei seiner Wahl zum Landrat setzte er sich knapp gegen einen AfD-Kandidaten durch. Nun ist Frank Steffen seit mehr als einem Jahr Landrat im Kreis Oder-Spree. Sein Motto: versöhnen statt spalten!

von Carl-Friedrich Höck · 17. September 2024
Ein Mann sitzt auf einer Steinbank

Frank Steffen ist Landrat im Landkreis Oder-Spree.

Knapp ein Jahr nach Amtsantritt gibt es immer noch erste Male. Landrat Frank Steffen steht zwischen großen Bildschirmen und einer überdimensionierten Landkarte im Stabsraum des Feuerwehr- und Katastrophenschutzzentrums. Es ist ein schmuckloser Zweckbau am Rand von Fürstenwalde in Brandenburg. Der Kreisbrandmeister überreicht Steffen ein Satellitentelefon und erklärt, wie es funktioniert. Das wird dann auch gleich getestet. Denn wenn es im Landkreis Oder-Spree sprichwörtlich brennt und das Funknetz ausfällt, muss der Chef trotzdem erreichbar sein. Und im Katastrophenfall ist das der Landrat.

Ein Versöhner als Alternative zur AfD

Seit dem 1. August 2023 heißt dieser Frank Steffen. Seine Wahl ins Amt war nicht nur in Brandenburg mit Spannung verfolgt worden, sondern bundesweit. Denn in der Stichwahl musste sich der Sozialdemokrat gegen den AfD-Bewerber Rainer Galla behaupten, der im ersten Wahlgang noch die meisten Stimmen geholt hatte. Die rechtsextreme Partei hoffte, im Kreis Oder-Spree ihren deutschlandweit ersten Landrat stellen zu können. Doch Steffen konnte sich knapp durchsetzen.

„Nach dem ersten Wahlgang hatte ich das Gefühl, dass die Last der ganzen Welt auf meinen Schultern liegt“, erzählt der SPD-Politiker heute. Plötzlich stand er im Zentrum eines extrem polarisierenden Wahlkampfes. Die AfD versuchte, die Landratswahl zur Abstimmung über Bundeskanzler Olaf Scholz zu erklären. Und auf der anderen Seite stand ausgerechnet Steffen, der sich den Aufruf des ehemaligen Bundespräsidenten ­Johannes Rau „Versöhnen statt spalten“ zum Lebensmotto gemacht hatte.

Mit viel Erfahrung ins neue Amt gekommen

Frank Steffen ist im Landkreis Oder-Spree aufgewachsen, hat vier Kinder und segelt gerne. Wer seine Biografie liest, könnte auf die Idee kommen, er habe jahrzehntelang auf den Job des Landrates hingearbeitet. Er selbst bestreitet das: „Mir wurde es nicht in die Wiege gelegt.“

1971 wurde er in Beeskow geboren, Ende der 1980er Jahre absolvierte er eine Berufsausbildung zum Instandhaltungsmechaniker. Als die DDR zusammenbrach, gründete er im Ort die Sozialdemokratische Partei (SDP) mit und ließ sich in den Kreistag wählen – da war er erst 18. Nach dem Zivildienst entschied er sich für eine Ausbildung beim Landkreis, machte in Nordrhein-Westfalen ein ­Diplom als Verwaltungswirt und ging zurück nach Beeskow. Von 1994 an arbeitete er als Leiter des Kreistagsbüros, ab 1999 als Büroleiter des Landrats. 2003 stieg er zum Amtsleiter auf, zuständig für Personal und Service. 2009 bewarb sich Frank Steffen bei der Wahl zum Bürgermeister von Beeskow, gewann und lenkte daraufhin 13 Jahre lang als Rathauschef die Geschicke seiner Heimatstadt.

Ein Macher, kein Verwalter

Beeskow ist eine pittoreske Kleinstadt unweit der polnischen Grenze: belebte Innenstadt, viel Grün und dazwischen schlängelt sich die Spree. Zu den größten Sehenswürdigkeiten gehört eine mittelalterliche Burg, in der seit einigen Jahren ein Musikmuseum untergebracht ist. Zu diesem kann Frank Steffen zahlreiche kuriose Geschichten erzählen, noch heute ist er im Museumsverein aktiv. Die Kurzfassung geht so: Die Stadt hat während seiner Amtszeit als Bürgermeister eine umfangreiche Sammlung selbstspielender Musikinstrumente von einem Sammler aus der Eifel erworben und unter teils abenteuerlichen Umständen nach Beeskow befördert.

Frank Steffen

Der Landrat lässt sich im Feuerwehr- und Katastrophenschutzzentrum in die Kommunikationstechnik einweisen: Im Fall der Fälle muss der Chef erreichbar sein.

Zwei Männer unterhalten sich

„Gestalten statt verwalten“ lautet ein Grundsatz von Steffen. Man könne sich hinter Akten und Vorschriften verstecken, oder man könne unmittelbar Entscheidungen treffen, schreibt er auf seiner Internetseite. Die vielen Jahre in der Kreisverwaltung und im Rathaus haben ihn gelehrt, dass man auch mal auf den Bauch hören müsse. Wenn dann eine Entscheidung getroffen sei, müsse man sie auch durchstehen und dürfe keinen Schlingerkurs fahren, sagt er. Zum Beispiel bekannte er sich zum Ausbau der Windenergie – und hielt dann auch dem Gegenwind stand.

Den Rechten keine Lücke lassen

Wenn man Steffen fragt, was ihm in seinen 13 Jahren als Bürgermeister wichtig war, nennt er zwei Dinge. Erstens: Er wollte die Infrastruktur ausbauen und nicht verfallen lassen. Das hieß: gute Schulen, gute Straßen, gute Kitas. Zweitens: Er wollte die verschiedenen gesellschaftlichen Kräfte zusammenführen. Er arbeitete mit Vereinen zusammen, mit der katholischen und evangelischen Kirche, aber trat auch bei säkularen Jugendweihen auf. Die Stadt müsse gesellschaftlich offen und im Dialog miteinander bleiben, ist Steffen überzeugt. Übrigens, fügt er dann an, gebe es in Beeskow bis heute keine AfD. „Ich habe gesagt, wir müssen immer die Räume besetzen: Kinder- und Jugendarbeit, Sport und so weiter … Es darf nirgendwo eine Lücke entstehen, wo die reinstoßen können.“

Als Landrat Rolf Lindemann (SPD) vor zwei Jahren ankündigte, dass er in den Ruhestand gehen will, hieß es in der Partei schnell: „Frank, das musst du machen!“ Und Frank Steffen sagte zu. Er erklärt: „Wir brauchen in unserer Gesellschaft Repräsentanten an Funktionen, die nicht polarisieren, sondern die die Mitte der Gesellschaft repräsentieren und verantwortungsvoll arbeiten. Das war für mich immer der Antrieb.“

Viele im Landkreis wählten rechts

Wie gespalten der Landkreis bereits ist, zeigte das Wahlergebnis der Landratswahl. Nach dem ersten Wahlgang lag der AfD-Kandidat mit knapp 25 Prozent der Stimmen vorne. In der Stichwahl holte er 47,6 Prozent. 

Wie ist dieser hohe Zuspruch für eine extrem rechte Partei zu erklären? Das wird Frank Steffen häufiger gefragt, trotzdem denkt er erst einmal nach, bevor er eine Antwort versucht. Er lese gerade das Buch der Tagesschau-Moderatorin Jessy Wellmer, erzählt er dann. „Die neue Entfremdung“ heißt es. Darin stellt Wellmer die These auf, dass Ost- und Westdeutschland auseinanderdriften. Steffen sagt, er bemerke es auch: dass viele Ostdeutsche in den 1990er Jahren verletzende Erfahrungen gemacht hätten, weil ihnen das Gefühl vermittelt worden sei, sich für ihr Leben in der DDR rechtfertigen zu müssen. Dies wirke bis heute nach und komme in Krisenzeiten wieder hoch, wie nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie oder Russlands Angriff auf die Ukraine. 

Hinzu kämen Existenzängste, Sorgen vor Wohlstandsverlust und eine Politik, die den Leuten immer wieder erkläre, dass sie sich verändern müssten. Das nutze die AfD aus und behaupte, mit ihr werde wieder alles so wie vor 20 Jahren.

Demokratie brauche Offenheit – auch für andere Sichtweisen

Frank Steffen handelt als Landrat nach den gleichen Prinzipien, wie er es auch als Bürgermeister schon getan hat. Er sucht den Kontakt zu Unternehmen und Gewerkschaften, zu den Kirchen und sozialen Einrichtungen. Man müsse offen sein für andere politische Sichtweisen, betont er. In der Demokratie gehe es um Mehrheiten, „und eine Mehrheit kriege ich doch dann, wenn ich auf die Belange anderer Rücksicht nehme“. Die AfD mit ihren immer extremeren Positionen habe das nicht verstanden, meint er. Und auch eine Sarah Wagenknecht gefalle sich zu sehr darin, recht zu haben.

Als Steffen das neue Amt übernahm, hatte der Landkreis alle Hände voll zu tun, die Unterbringung der Geflüchteten zu organisieren. Eine sehr kritische Situation sei dies gewesen, berichtet der 53-Jährige. Doch sie konnte bewältigt werden, weil der Landkreis neue Unterkünfte schuf und die Bundesregierung mit ihren Maßnahmen dafür sorgte, dass weniger Menschen kamen. Nun will sich der SPD-Politiker darauf konzentrieren, drei Schulen neu zu bauen, den öffentlichen Personen-Nahverkehr attraktiver zu machen und die Digitalisierung seiner Verwaltung voranzutreiben. „Ich habe eigentlich kaum noch Papier hier“, sagt er und zeigt auf seinen Schreibtisch. 

Außerdem möchte er als Landrat dazu beitragen, die Demokratie zu stärken. Er wolle die Bürgerinnen und Bürger stärker beteiligen und in Entscheidungen einbeziehen, sagt er. Auch auf seine Kommunikation legt er zunehmend Wert. Auf Instagram berichtet er jede Woche 90 Sekunden lang aus seinem Amtsalltag. Zum Beispiel von seinem Besuch im Feuerwehr- und Katastrophenschutzzentrum.

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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