Mehr Respekt im Rat
Körber-Stiftung / Angela Gerlach
In Stadt- und Gemeinderäten werden Entscheidungen für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort getroffen. Ehrenamtlich streiten Ratsmitglieder um die beste Politik, doch – das zeigt eine qualitative Studie der Körber-Stiftung – das Gesprächsklima verhindert häufig konstruktive Lösungen. Der Tonfall ist rau, die Atmosphäre polarisiert: Verbale Angriffe schwächen die Entscheidungskraft und Motivation der Räte. Provokationen, konfliktsuchende Einzelpersonen und verstärkte Fraktionierung erschweren das Engagement nach Feierabend. Frauen empfinden die Gesprächskultur als besonders belastend.
Was tun gegen eine verrohte Streitkultur? Es braucht einen Verständigungsprozess über die Standards der Debatten. Im Programm „Respekt im Rat” der Körber-Stiftung erarbeiten Ratsmitglieder – fraktionsübergreifend und angeleitet durch eine professionelle Moderation – einen Kodex der Diskussionskultur. Dieser wirkt präventiv, indem Standards vereinbart werden, auf die in der Hitze des Gefechts verwiesen werden kann. Das gemeinsame Ringen um den selbstformulierten Anspruch eröffnet ein Gespräch über das „Wie“ der gemeinsamen Ratsarbeit.
Projekt hat Prozess angestoßen
In drei Kommunen wurden die Kodizes, begleitet von der Körber-Stiftung, bereits erarbeitet. „Das Projekt Respekt im Rat ist sehr wichtig für uns. Es hat einen sehr produktiven Prozess der Selbstverständigung über unsere Gesprächskultur angestoßen“, berichtet der Stadtpräsident von Neubrandenburg Jan Kuhnert. Fachliche Vorbereitung, ausgewogene Dauer der Wortbeiträge und respektvoller Umgang, auch außerhalb der Ratsversammlung und in den sozialen Medien, sind beispielsweise Themen, bei denen Ratsmitglieder den Anspruch formulieren, effizient, rücksichtsvoll und fair miteinander umzugehen. Verankert werden die Kodizes durch Zustimmung der Fraktionen und gegebenenfalls die Aufnahme in die Geschäftsordnung des Rates.
„Es darf und muss gestritten werden um die beste Lösung – das ist das Wesen und die Würde der Demokratie“, sagt der Kommunikationspsychologe Friedemann Schulz von Thun. Dafür braucht es aber den gemeinsamen Willen für eine konstruktive und respektvolle Streitkultur.