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Sachsen-Anhalt knüpft Bürgermeisterinnen-Netzwerk

Initiatorin Steffi Trittel hat 29 Jahre eine große Gemeinde geführt. Sie beobachtet: Viele Frauen resignieren zu schnell. Trittel ermutigt Frauen zu kandidieren und unterstützt frisch gewählte Bürgermeisterinnen.
von Harald Lachmann · 16. Juni 2024
Steffi Trittel (r.) und die Gleichstellungsbeauftragte Lisa Schulz: Ihre Erfahrungen aus drei Jahrzehnten Kommunalpolitik will Trittel an andere Frauen weitergeben.

In Kürze wird angebadet in Hohe Börde: Zum Saisonstart öffnet in ­Niederndodeleben – einem der 21 Orte der Gemeinde – nach langem Tiefschlaf das beliebte Familiensportbad wieder. Für die aufwändige Sanierung erstritt Bürgermeisterin Steffi Trittel auch zwei Millionen vom Bund. Zudem setzte sie durch, dass das Bad nun professionell von der Kommune betrieben wird, statt wie früher durch einen ehrenamtlichen Verein.

Aktion für mehr Frauen in der Kommunalpolitik

Es war nicht nur ein Paukenschlag, mit dem sich die Landwirtin unlängst nach 29 Jahren an der Gemeindespitze verabschiedete. Es beinhaltete für sie auch viel Symbolik. „Denn das meiste, was wir in Kommunen entscheiden“, so die mehrfache Mutter und Oma, „berührt eben soziale Dinge: Kindergarten, Schule, Belange der Familien. Und das muss dann auch aktiv mit Frauen ­beraten werden!“

Was wie selbstverständlich klingt, ist es dennoch nicht. Denn nur 37 der 218 Kommunen in Sachsen-Anhalt werden von Bürgermeisterinnen regiert. Auch in den Gemeindeparlamenten halten Frauen oft kaum ein Viertel der Mandate. Für Steffi Trittel ein unhaltbarer Zustand, weshalb sie im Herbst 2023 eine Aktion startete, um mehr Frauen in die Kommunalpolitik zu holen. Mit Nicole Golz, Kommunalchefin in der Gemeinde Elbe-Parey, initiierte sie ein Netzwerk für Bürgermeisterinnen in Sachsen-Anhalt. Zweimal traf man sich bereits, um ­Strategien zu entwickeln.

Trittel meint: Es geht auch ohne Frauenquote

Dabei ist Steffi Trittel gegen Frauenquoten. „Ich sage, wer gut ist, der kriegt das allein hin.“ Das Wollen sei entscheidend! Und Männer wollten eben: „Sie geben ihr Ziel nicht ohne Kampf auf. Anders viele Frauen: Sie resignieren zu schnell“, vor allem, wenn es unfair werde. Also sei das wichtigste Ziel des Netzwerkes, „Frauen Mut zu machen, für ihre Anliegen zu kämpfen“.

Denn zu oft habe sie es erlebt, so die 69-Jährige, die altersbedingt nicht erneut kandidieren durfte: Viele Frauen kämen hochmotiviert an, aber träfen sie das erste Mal auf jenen Männerclan, der seit 30 Jahren im Ort Politik mache, seien sie verunsichert. „Da muss man schon eine harte Schale haben“, weiß sie. Hinzu kämen oft familienunfreundliche Tagungszeiten in den Gemeinderäten – und nicht selten die Weigerung der Männermehrheit, die Sitzungen speziell für Mütter online zu übertragen. Eben damit fehle oft „der weibliche Blick im Rat“.

Seminare, Zuspruch und Unterstützung

Um Frauen dennoch zur Kandidatur zu ermuntern, veranstaltete Steffi ­Trittel mit ihrer jungen Gleichstellungsbeauftragten Lisa Schulz in Hohe Börde zwei offene Seminare. In einem zweiten Schritt bewegten sie danach interessierte Frauen, nun selbst für den Gemeinderat zu kandidieren. Und in einer dritten Runde wollen sie jene, die gewählt werden, für ihr Wirken fit machen. Und jenes Modell wendeten sie über das Bürgermeisterinnen-Netzwerk nun auch landesweit an, berichtet sie.

Autor*in
Harald Lachmann

  ist diplomierter Journalist, arbeitete zunächst als Redakteur bei der Leipziger Volkszeitung, zuletzt als Ressortleiter Politik, und schreibt heute als freier Autor und Korrespondent für Tages-, Fach- sowie Wirtschaftszeitungen. Für die DEMO ist er seit 1994 tätig.
 
 

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