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Sichtbare Zeichen gegen Rechte und Rassisten

Wie die Stadt Gevelsberg mit Projekten, Aktionen und einem breiten Programm die Demokratie schützt.
von Petra Kappe · 8. Januar 2024
Gevelsberg zeigt klare Kante mit Stadteingangsschildern.

Wer nach Gevelsberg kommt, den empfängt ein Schild mit der Aufschrift „Gevelsberg hat keinen Platz für Rassismus und Gewalt“. Die Botschaft am Stadteingang ist ein sichtbares Zeichen des breiten Engagements für ein friedliches und menschenwürdiges Miteinander. In der 32.000-Einwohner-Stadt im Ennepe-Ruhr-Kreis ist der Kampf gegen Rechtsextremismus fest verankert.

Soeben ist die 15. Woche für Zivilcourage und gegen rechte Gewalt zu Ende gegangen. Jahr für Jahr stellen die Mitwirkenden ein reichhaltiges Programm aus Vorträgen, Diskussionen, Lesungen und Aktionen auf die Beine, um das Bewusstsein gegen die Gefahren des Rechstextremismus zu stärken und die Demokratie zu schützen.

Das hat sich ganz im Sinne von Gerd Vollmerhaus entwickelt, der am 5. Dezember 2006 als damaliger Fraktionsvorsitzender der SPD im Rat der Stadt einen Antrag stellte und anregte: „Vor dem Hintergrund immer stärker werdender rechtsextremistischer Tendenzen möge die Verwaltung eine künftig jährlich stattfindende ‚Woche gegen Rechtsextremismus‘ einrichten und gemeinsam mit allen lokal relevanten Kräften, wie beispielsweise Schulen, Jugendverbänden, Kirchen und Gewerkschaften, eine entsprechende inhaltliche und didaktische Konzeption erarbeiten.“

„Nein“, erinnert sich Gerd Vollmerhaus heute, „einstimmig fiel der Beschluss des Rates damals nicht aus“. Doch mittlerweile sei aus der Initiative eine feste Institution geworden. Mehr als die Hälfte der Veranstaltungen werde von den Schulen getragen, und er sehe sich in der Überzeugung bestärkt, die er in der Antragsbegründung formuliert habe: Die Projekte fördern, die Bürgerbeteiligung am politischen Prozess ermöglichen und „positive Erfahrungen mit Politik und demokratischer ­Partizipation“.

Gelder aus dem Bundes-Programm „Demokratie leben“

Mit der Förderung durch das Bundesprogramm „Demokratie leben“ hat sich das Engagement gegen rechts seit 2015 ausgeweitet und über die jährliche Woche hinaus verstetigt. „Mit den Geldern aus dem Programm können wir namhafte Personen in die Stadt holen“, erläutert die stellvertretende Direktorin der Volkshochschule Ennepe-Ruhr-Süd Iris Baeck.

In diesem Jahr kamen zum Beispiel Tim Pröse mit seiner Hommage an ­Oskar Schindler und Patrick Buber mit dem Thema Falschmeldungen und Verschwörungstheorien, es gab eine Gedenkveranstaltung zum 30. Jahrestag des Brandanschlags in Solingen, außerdem Beiträge in der Stadtbücherei, dem Jugendzentrum, dem Kino und in den Schaufenstern der City.

Das Jugendforum arbeitet kontinuierlich an Projekten gegen Diskriminierung und erhält dafür einen eigenen Etat in Höhe von 10.000 Euro aus dem Bundesprogramm. Iris Baeck nennt exemplarisch das Stadteingangsschild, die Jutebeutel-Aktion „Rassismus kommt nicht in die Tüte“ und mehrere Kunstprojekte im öffentlichen Raum, die sich auch dem Klimaschutz und dem Eine-Welt-Gedanken widmen. Solche sichtbaren Zeichen prägen nach Baecks Auffassung das gesellschaftliche Klima, indem sie „zeigen, wie wir in unserer Stadt zusammen­leben wollen“.

Das Programm „Demokratie leben“ laufe im Jahr 2024 aus, sagt sie, und dass sie nicht wisse, was danach komme. Es mache ihr „große Sorge, dass all die Dinge hier auseinanderfallen“. Für Gerd Vollmerhaus steht fest, dass die kommunalpolitische Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus „gemeinsame Aufgabe aller Demokraten“ ist, wie er es bereits in dem Antrag von 2006 schrieb. Und er ist davon überzeugt, dass das breite Engagement der Bürgerschaft Früchte trägt. Zwei Mitglieder der AfD, die in den Rat gewählt wurden, seien ­inzwischen aus der Partei ausgetreten. Zu Anfeindungen und Beschimpfungen von rechts komme es in der Gevelsberger Kommunalpolitik nicht.

Regelmäßige Erinnerung an nationalsozialistische Diktatur

Der Kampf gegen den Rechtsextremismus zeichne Gevelsberg aus, sagt der 72-Jährige, der selbst seit den 1980er Jahren im Antifaschistischen Arbeitskreis mitwirkt. Dort wurde unter anderem ein „Statt-Plan“ erarbeitet, der 50 Erinnerungsorte aus der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur aufführt. Regelmäßig bietet die stellvertretende Bürgermeisterin Sonja Dehn (SPD) „Statt-Rundgänge“ an. Sie folgen den Spuren der Menschen, die Gevelsberg heute fehlen. Auf den Rundgängen erfahren junge Leute ab 14 Jahren von den Greueltaten der Nazis in ihrer Stadt: das Kaufhaus und die ehemalige Arztpraxis, die für das Schicksal jüdischer Familien stehen, das landwirtschaftliche Gut, das die Zwangsarbeit schildert, die Klinik, die an Zwangssterilisation und Euthanasie erinnert, das „Zigeunerlager“, in dem Sinti und Roma zusammengepfercht wurden, das ehemalige Realgymnasium, das jüdische Kinder nicht mehr aufnahm. Jede Station macht klar: Es geschah hier, mitten in unserer Stadt. Und jede Station vermittelt die Botschaft „Nie wieder“.

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