So schreibt Frank Dudda an der Herner Erfolgsgeschichte
Frank Dudda hat bewiesen, dass die SPD in Nordrhein-Westfalen noch Wahlen gewinnen kann. Auch, weil er einen klaren Plan für die Stadt hat.
Uta Wagner
Frank Dudda im Treppenhaus des Herner Rathauses: Die Wiederwahl zum Oberbürgermeister ist ihm schon im ersten Wahlgang geglückt.
In Herne gibt es wieder Flusskrebse! Eine Erfolgsnachricht, mit der Oberbürgermeister Frank Dudda klarmachen will: Es tut sich was in der flächenmäßig kleinsten Großstadt Deutschlands, die sich selbst das Motto „Mit Grün. Mit Wasser. Mittendrin“ gegeben hat. Zehn neue Parks seien seit seinem Amtsantritt als Oberbürgermeister im Jahr 2015 entstanden, sagt Dudda. „Herne ist Azubi-Hotspot.“ Alleine 3.000 Ausbildungsstellen gibt es im Gesundheitswesen. Ab 2027 kommt noch die Neuansiedlung der Hochschule für Polizei und Verwaltung mit 5.000 Studierenden und 300 Mitarbeitenden hinzu. Derzeit verzeichnet die Stadt die meisten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aller Zeiten. Und auch die Emscher ist wieder so sauber, dass hier Edelkrebse leben können.
Mit Frank Dudda holt die SPD viele Stimmen
Bei der Kommunalwahl im September erreichte die SPD 37 Prozent. Ein Wert, von dem die Partei bundesweit nur träumen kann. „Die SPD ist ein Erfolgsparameter, weil sie hier sehr geschlossen und außergewöhnlich engagiert noch die Rolle der Kümmerer wahrnimmt. Wir sind noch in jedem Stadtbezirk präsent. Das macht einen wesentlichen Teil des Erfolgs aus“, lobt Dudda. Er selbst wurde trotz sechs Gegenkandidatinnen und -kandidaten im ersten Durchgang wiedergewählt. Anschließend präsentierte Parteichefin Bärbel Bas ihn auf einer Pressekonferenz im Berliner Willy-Brandt-Haus als eines von zwei Musterbeispielen für Wahlerfolge in Nordrhein-Westfalen. Dort sagte er: „Wir stehen als SPD dafür, dass wir starke Gemeinschaften auch in Zukunft möglich machen.“
Also alles in bester Ordnung in Herne? Nicht ganz. Mehr als jeder Fünfte hat bei der Kommunalwahl die rechtsextreme AfD gewählt. Als einzige Partei profitierte diese von einer gestiegenen Wahlbeteiligung. Die Stadt hat immer noch mehr als 10.000 Arbeitslose. Und sie ist chronisch pleite. In diesem Jahr droht ein Minus von 120 Millionen Euro. Das nächste Jahr könne noch irgendwie finanziert werden, danach sehe es düster aus, schlägt Dudda Alarm.
Dudda setzt auf Stabilität
Auch deswegen gab es für den alten und neuen Oberbürgermeister am Wahlabend zwar große Freude, in den Tagen danach aber wenig Zeit zum Durchatmen. Stattdessen standen Verhandlungen über die kommenden Projekte an. „Ich setze auf stabile Mehrheiten“, sagt er und führt das bisherige Bündnis mit der CDU fort. Die AfD soll weiter politisch keine Rolle spielen. Weder im Rat der Stadt Herne noch im Ruhrparlament, als dessen Präsident Dudda mit den Stimmen aller 91 Abgeordneten kürzlich wiedergewählt wurde, wie er stolz erzählt.
Viele Medien hatten wochen- und monatelang von einer „blauen Welle“ geschrieben, die das Ruhrgebiet überrollen könne. Doch es kam anders. Zwar verzeichnete die AfD deutliche Zugewinne, die SPD blieb jedoch mit mehr als 28 Prozent klar stärkste Kraft im Ruhrgebiet. Darauf blickt Dudda zufrieden. Während der Pressekonferenz in Berlin hielt er einen Ausdruck der Wahlergebnisse in die Kameras. Fast vier Millionen Menschen waren wahlberechtigt, mehr als bei Landtagswahlen in den meisten deutschen Bundesländern.
Dudda kommt aus einer Bergmannsfamilie
Das Ruhrgebiet ist Duddas Heimat. Hier in Herne wurde er 1963 geboren, als Kind einer klassischen Bergmannsfamilie. Dass er überhaupt das Gymnasium besuchen durfte, war einem geographischen Zufall geschuldet. Die Schule lag in unmittelbarer Nachbarschaft seines Elternhauses. Dort erlebte er, wie sich die Kinder von Steigern als was Besseres fühlten.
Doch Dudda hat sich durchgebissen. Diesen Kampfgeist hat er sich heute bewahrt. Um fit zu bleiben, geht er zweimal pro Woche joggen. Am liebsten am Wasser. Dort, wo neuerdings wieder Flusskrebse schwimmen.
Wegen Helmut Kohl in die SPD
1982 trat er mit 19 Jahren in die SPD ein. „Das lag an Helmut Kohl“, erzählt er beim Interview in seinem holzvertäfelten Dienstzimmer. Dessen angekündigte „geistig-moralische Wende“ habe ihn aufgeregt. „Das habe ich als Albtraum empfunden, weil er das bisschen, was an sozialem Aufstieg erreicht worden war, auch noch zurückdrehen wollte. Dagegen wollte ich mich engagieren.“ Im Grunde ist Dudda das Musterbeispiel einer sozialdemokratischen Aufstiegsgeschichte. Nach dem Abitur folgte ein Jura-Studium an der Ruhr-Universität Bochum, die in den 1960er Jahren gegründet worden war, um auch Arbeiterkindern wie ihm ein Studium zu ermöglichen. Dem Rat seiner Heimatstadt Herne gehört er bereits seit 1994 an. Lange war er SPD-Fraktionsvorsitzender, seit 2015 ist er Oberbürgermeister.
In seinem 113 Jahre alten Rathaus liegen Postkarten mit der Aufschrift „Ich bin stolz auf Herne” aus. Doch worauf genau? Dudda nennt als erstes den sozialen Zusammenhalt der Stadtgesellschaft. Diese Gemeinschaft mit Menschen aus 136 Nationen zu stärken und neu zu kreieren, werde eine „Herkulesaufgabe“ der kommenden Jahre, seiner dritten und womöglich letzten Amtszeit. Der 62-Jährige will Begegnungsräume schaffen, aber auch Arbeitsplätze und neue Formen der Mobilität. Eine seiner Visionen dafür hängt in einer Ecke des Amtszimmers am Weihnachtsbaum: das Modell einer Seilbahn, die möglichst schon ab 2030 den Hauptbahnhof Herne-Wanne-Eickel mit dem jenseits der Gleise liegenden Stadtentwicklungsprojekt Blumenthal verbinden soll, das derzeit noch eine Brache ist.
Das soll sich ändern. Dudda will Herne, den geografischen Mittelpunkt des Ruhrgebietes, zu einem Hotspot für Kreative machen, zu einem Musterbeispiel in Sachen Klimafreundlichkeit. „Wir wollen eine moderne europäische Großstadt werden“, sagt er. Und da kommt die Seilbahn ins Spiel. Denn aktuell ist der Verkehr im Ruhrgebiet, der am dichtesten besiedelten Industrieregion Europas, von Blechlawinen geprägt. Ein „modernes, ökologisches Verkehrsmittel“ soll in Herne gleich zwei Funktionen erfüllen: weniger Stau und eine belebtere Innenstadt in Wanne-Mitte.
Dudda meint: Die SPD braucht einen klaren Plan
Der Kampf ums Gelingen dieses Projekts ist auch Duddas Kampf um eine positive Erzählung für Herne – und gleichzeitig für die SPD im Ruhrgebiet. Denn nur wenn das in die Tat gesetzt werde, könne auch in Zukunft weiter erfolgreiche Politik gemacht werden, ist er überzeugt. „Man muss einen klar vermittelbaren Plan haben. Dieser muss für die Menschen spürbar sein“, schreibt der erfolgreiche Oberbürgermeister seiner Landespartei ins Stammbuch, auch mit Blick auf die Landtagswahlen 2027 in NRW.
DIRK BLEICKER
ist Redakteur des vorwärts im Berliner Vorwärts Verlag. Er hat Politikwissenschaft studiert.