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Wie „Jung-kauft-Alt-Programme“ Familien helfen

Viele Kommunen gewähren Familien im Rahmen von „Jung kauft alt“-Programmen einen Zuschuss für Kauf und Sanierung eines Altbaus, eine davon ist Steinhagen. Nun startet zudem das gleichnamige Bundesprogramm der KfW. 
 

von Karin Billanitsch · 2. September 2024
Steinhagen

Ortskern Steinhagen 

Wenn Stadtplaner vom „Donut-Effekt“ sprechen, meinen sie nicht die Gewichtsprobleme, die aus dem übermäßigen Genuss von in Fett ausgebackenen Gebäckringen folgen. Vielmehr ist ein Phänomen im ländlichen Raum gemeint: In den betroffenen Kommunen leeren sich in der Mitte die Ortszentren und die älteren Einfamilienhausgebiete aus den 50er bis 70er Jahren – während rundherum Neubausiedlungen am Rand entstehen. 

Vielerorts kämpfen die Kommunen gegen diese Entwicklungen an. Zum Beispiel mit kommunalen Förderprogrammen der Kategorie „Jung kauft Alt“. Dabei geht es im Grundsatz darum, dass die Kommune junge Menschen beim Kauf älterer Häuser unterstützt. Sie werden so bei der Eigentumsbildung gefördert, Leerstand wird abgebaut oder vermieden. Eine Empirica-Studie aus dem Jahr 2022 hat das Potenzial solcher Programme untersucht. Vor allem dort, wo trotz vorhandenen Leerstands im innerörtlichen Bereich Wohnungen nachgefragt werden, sehen die Wissenschaftler gute Chancen, dem Altbaubestand erfolgreich Leben einzuhauchen. Die Autoren haben rund 7.800 Kleingemeinden mit bis zu 5.000 Einwohnern auf ihren Leerstand hin untersucht. In deren innerörtlichen Lagen macht die Studie 617.000 Wohnungen aus, von denen rund 29.000 leer stehen und für die „Jung kauft Alt”-Programme infrage kommen. Und das sind nur die kleineren Kommunen. 

Jung-kauft-Alt-Programm in Steinhagen

Insgesamt hat Empirica rund 120 Gemeinden in Deutschland mit einem „Jung kauft Alt”-Programm ausgemacht. Eine davon ist die nordrhein-westfälische Kommune Steinhagen im Kreis Gütersloh. Rund 21.000 Menschen leben in den drei Ortsteilen Amshausen, Brockhagen und Steinhagen. Dort ist es gefragt, wie Sarah Süß (SPD), Bürgermeisterin der Gemeinde Steinhagen, erläutert: „Es gibt das Programm bei uns schon seit 2011. Seitdem sind 206 Anträge gestellt und auch bewilligt worden, pro Jahr also 15 bis 16, in 2024 sind es bereits sieben.“ Eine Familie mit mindestens einem minderjährigen Kind im Haushalt bekommt beim Kauf einer mindestens 25 Jahre alten Immobilie maximal 9.000 Euro, verteilt auf sechs Jahre. 

Trotz des demografischen Wandels hatte Steinhagen zuletzt laut Süß etwa 500 Zuzüge – „recht viel für eine kleine Gemeinde mit rund 21.000 Einwohnern“. Bei dem Programm sind immerhin mehr als ein Drittel der geförderten Familien von außerhalb zugezogen. Wie in Steinhagen verlangen die allermeisten Kommunen nicht, dass das Gebäude bei Erwerb leer stehen muss, das tun laut Empirica nur 7,5 Prozent der Kommunen. In Steinhagen ist die Vermeidung von Leerstand indes – anders als bei vielen anderen – kein vordringliches Ziel. Süß: „Es gibt zwar leer stehende ältere Wohnungen und Häuser, das sind aber eher Einzelfälle, wo aus persönlichen Gründen Eigentümer oder Erben kein Interesse haben, zu vermieten oder zu verkaufen. Der Bedarf nach Wohnraum ist hier sehr groß.“ Es würden auch nach wie vor Neubaugebiete ausgewiesen, die „enormen Zulauf“ hätten.  

Vorreiter Hiddenhausen

Andernorts, etwa in Hiddenhausen, ­einem Vorreiter des Konzeptes „Jung kauft Alt“, gelten ähnliche Förderbedingungen – doch die Gemeinde hat vor Jahren drohenden Leerstand in den Blick genommen und verzichtete im Zuge der Auflegung des Programms auf die Ausweisung von Neubaugebieten. So wurde der Blick der Interessenten auf den Altbestand gelenkt. Auch Sarah Süß glaubt, dass das Programm ein Anreiz für die Leute ist, „nach Bestandsimmobilien zu schauen“. 

In Steinhagen zielt das Konzept weniger auf die Belebung des Ortskerns an sich. Es gebe zwar einen Marktplatz mit vereinzeltem Einzelhandel und wenige kleinere inhabergeführte Geschäfte. Süß: „Wir sind eher eine Flächengemeinde, wir haben zwei Einkaufszentren, wo man alles für den täglichen Bedarf bekommt.“ Aber, so räumt sie ein: „Der Zuzug junger Familien belebt natürlich auch insgesamt den Ort.“ Das sorge dafür, dass Leute unterwegs seien und den Einzelhandel, den es noch gebe, sowie Veranstaltungen aufsuchten. „Wir stellen ein Kulturprogramm für alle Altersgruppen auf die Beine“, betont Süß. Allein des Geldes wegen kämen die Familien nicht, glaubt Süß. Es komme auch auf die Rahmenbedingungen an, die attraktiv sein müssten: „Es leben viele Familien hier, unsere Schulen sind mehr als gut besucht.“ 

Auch das Thema Nachhaltigkeit liegt ihr am Herzen: „Das ist ein ganz wichtiger Hintergrund.“ Die Gemeinde hat ein Klimaschutzkonzept aufgelegt, wo es auch darum geht, Einsparpotenziale beim Energieverbrauch zu finden. „Bei den klassischen Siedlungen aus den 50er, 60er Jahren ist energetisch richtig was rauszuholen.“

Gleichnamiges Bundesprogramm startet

Auf Bundesebene findet man das Grund-Konzept ebenfalls interessant: Das Bundesbauministerium unter Ministerin Klara Geywitz (SPD) legt ab dem 3. September ein neues Programm „Jung kauft Alt“ auf. Der Bund will jungen Familien beim Kauf der eigenen vier Wände zu helfen. Franziska Mascheck, die zuständige Berichterstatterin der SPD-Fraktion sagte: „Mit „Jung kauft Alt“ stärken wir die Eigentumsförderung vor allem für junge Familien. Gerade in kleinen Städten und Gemeinden stehen ältere Häuser zum Verkauf oder gar leer. Das ist eine Chance für junge Familien, die sich für eine bestehende Immobilie interessieren.“

Als Auflage fordert die KfW eine energetische Sanierung der Wohnung oder des Hauses.  Damit helfe „Jung kauft Alt“ auch beim Klimaschutz im Gebäudebestand. Gerade in älteren Gebäuden sei mit weniger Aufwand viel erreichbar, so Maschek. Gleichzeitig sollen laut Maschek „Dorfkerne und Innenstädte neues Leben erhalten, wenn eine neue Generation alte Wohnungen und Häuser übernimmt“. Im Haushalt sind dafür 350 Millionen Euro vorgesehen. 

Autor*in
Karin Billanitsch

ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.

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