Änderung der Schuldenbremse: Wie Kommunen den Gesetzentwurf bewerten
SPD und Union wollen mehr Geld für Verteidigung und Infrastruktur ausgeben. Jetzt äußern sich Expert*innen im Haushaltsausschuss des Bundestages zu den Plänen, die Schuldenbremse zu reformieren. Was in den Stellungnahmen der Kommunalverbände steht.
IMAGO / Wolfilser
500 Milliarden Euro soll das geplante Sondervermögen umfassen. Ein Teil davon wird voraussichtlich in die Kommunen fließen.
Für SPD, CDU und CSU wird es jetzt ernst. Ihr Gesetzentwurf zur Reform der Schuldenbremse wird am Donnerstag erst im Plenum des Bundestags diskutiert und dann in den Haushaltsausschuss überwiesen. Dort sollen Sachverständige das Vorhaben bewerten. Der Zeitplan sieht vor, dass der Haushaltsausschuss am Freitag eine Beschlussempfehlung verfasst. Am kommenden Dienstag (18. März) soll der Bundestag über die nötige Grundgesetzänderung abstimmen. Die Hürden sind hoch: Sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat wird eine Zweidrittelmehrheit benötigt.
Im Haushaltsausschuss werden auch die kommunalen Spitzenverbände angehört. Bereits im Vorfeld haben sie Stellungnahmen zu dem Gesetzentwurf abgegeben. Dieser sieht vor, ein Sondervermögen für die Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro zu schaffen. Darüber hinaus sollen die Verschuldungsspielräume der Länder erhöht werden. Verteidigungsausgaben, die ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes überschreiten, sollen nach dem Willen von Union und SPD von den Regeln der Schuldenbremse ausgenommen werden.
Landkreistag verweist auf kommunale Defizite
„Ohne Zweifel besteht gerade auf der kommunalen Ebene ein massiver Investitionsstau“, schreibt der Deutsche Landkreistag (DLT) in seiner Bewertung. Als einziger Teilsektor des Staates wiesen die Kommunen seit 2003 durchgängig negative Nettoanlageinvestitionen aus. Das bedeutet: Die Investitionen reichen nicht aus, um den Verfall der Infrastruktur aufzuhalten, weshalb sie Jahr für Jahr an Wert verliert.
Weitaus dringlicher sei es aber in der aktuellen Situation, die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen zu sichern, so der DLT. Das Defizit der Kommunen im vergangenen Jahr liege zwischen 20 und 25 Milliarden Euro. Das sei das Zwei- bis Dreifache der bisherigen Höchstwerte. Hauptgrund seien die stark steigenden Ausgaben im Sozialbereich. Vor allem die Kosten der Unterkunft, die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung und die Kinder- und Jugendhilfe seien für die Kommunen deutlich teurer geworden.
Mit Blick auf das geplante Sondervermögen Infrastruktur merken die Landkreise an, dass die Frage der Kapazitäten und Verfahren beachtet werden müsse, damit das Geld tatsächlich „auf die Straße gebracht“ wird. Keinesfalls dürften bisherige Ausgaben für die Infrastruktur ins Sondervermögen verschoben werden, um so im regulären Bundeshaushalt mehr Geld für konsumtive Ausgaben zur Verfügung zu haben. Zudem sieht der Landkreistag einen steigenden Konsolidierungsbedarf: staatliche Ausgaben müssten auf den Prüfstand gestellt und priorisiert werden.
Städte schlagen Zusätzlichkeit als Kriterium vor
Der Deutsche Städtetag stellt sich mit seiner Stellungnahme klar hinter den Gesetzentwurf: Dessen Zielsetzungen, mehr finanzielle Spielräume zu schaffen, um auf eine veränderte Sicherheitslage, Investitionsbedarfe und die herausfordernde Finanzsituation der Länder und Kommunen reagieren zu können, „teilen wir uneingeschränkt“.
Doch auch die Städte betonen, die neuen Spielräume müssten tatsächlich für zusätzliche Investitionen in Infrastruktur und Bildung verwendet werden. „Eine Lockerung der Schuldenbremse darf nicht dazu führen, dass der Konsolidierungs- und Reformdruck der öffentlichen Hand abgemildert wird“, warnen die Städte. Deshalb regen sie eine Regelung vor, dass aus dem Sondervermögen nur Investitionen finanziert werden dürfen, die über das bisherige Investitionsniveau hinausgehen.
Zweitens schlagen die Städte vor, den Anteil der Länder und Kommunen am Infrastruktur-Sondervermögen zu erhöhen. Bisher ist geplant, dass von den 500 Milliarden im Topf 100 Milliarden an die Länder und Kommunen fließen – also 20 Prozent. Dabei fänden staatliche Investitionen mehrheitlich in den Städten und Gemeinden statt, argumentiert der Städtetag. „Derzeit entfallen auf die kommunale Ebene knapp 60 Prozent der Investitionsausgaben.“ Zusammen mit den Ländern seien sie sogar für 80 Prozent der Investitionen verantwortlich.
Länder sollen Geld weiterleiten
Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) meint, es sei „essenziell, dass ein großer Teil des Geldes auch in den Städten und Gemeinden ankommt, da es dort am dringensten gebraucht wird“. Es müsse gelingen, Straßen, Brücken und Schulen zu sanieren. Der Investitionsstau der Kommunen betrage 186 Milliarden Euro.
Der Verband appelliert an die Länder, ihren Anteil am Sondervermögen vollständig an die Kommunen weiterzuleiten. So könnten diese wenigstens ihr bisheriges Investitionsniveau halten. Denn wegen der prekären kommunalen Finanzlage müssten die Städte und Gemeinden ihre Investitionen sogar deutlich zurückfahren, wenn der Status quo erhalten bliebe. Darüber hinaus fordert der DStGB die Länder auf, den Kommunen auch aus eigenen Mitteln mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Auch sollten die Kommunen nicht dazu verpflichtet werden, Investitionen aus eigener Tasche kozufinanzieren, meint der Städte- und Gemeindebund.
Wie der Städtetag fordert auch der DStGB, dass Mittel aus dem Sondervermögen nur für zusätzliche Investitionen ausgegeben werden dürfen.
Weitere Informationen zur Sitzung des Haushaltsausschusses:
bundestag.de
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.