Was die Pläne für ein Infrastruktur-Sondervermögen für Kommunen bedeuten
SPD und CDU/CSU wollen die Schuldenregeln ändern und ein 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Infrastruktur schaffen. Dies wird von kommunaler Seite als bedeutender Schritt begrüßt. Niedersachsens Länderchef Stefan Weil spricht von einem „Durchbruch“.
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500 Milliarden für Infrastruktur in einem Sondervermögen wollen SPD und Union noch auf den Weg bringen. Dazu gehören auch Ausgaben für Verkehrsinfrastruktur, wie Straßen, Brücken und Schienenverkehr.
Es ist ein Paukenschlag: 500 Milliarden Euro für Infrastruktur und Verteidigung, das haben die Sondierungspartner der SPD und CDU/CSU verabredet. Das umfangreiche Paket hätte große Bedeutung für Kommunen und deren Stadtwerke. Die Städte und Gemeinden weisen seit Langem darauf hin, dass sie ihren Investitionsrückstand aus eigener Kraft nicht mehr bewältigen können. Laut KfW-Kommunalpanel, einer regelmäßigen Befragung der Kämmereien, beträgt der Investitionsstau mehr als 186 Milliarden Euro.
Am Dienstagabend haben die Verhandler von SPD und Union ihren Plan verkündet, ein neues Sondervermögen für Infrastruktur zu schaffen. 500 Milliarden Euro sollen für die kommenden zehn Jahre bereitgestellt werden, davon sollen 100 Milliarden an die Bundesländer und Kommunen fließen. Darüber soll noch der alte Bundestag abstimmen. Außerdem soll auch die Schuldenbremse angepasst werden: Künftig sollen die Länder neue Schulden in Höhe von bis zu 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) aufnehmen dürfen, was den Ländern mehr finanzielle Spielräume verschaffen würde.
Lob von kommunaler Seite
Für die kommunale Ebene und die Stadtwerke hätte ein Infrastrukturprogramm bedeutende Auswirkungen: Als „sehr bedeutenden Schritt um den Standort Deutschland zu stärken und die Lebensqualität für die Menschen zu verbessern“ lobte André Berghegger diese Einigung einem Bericht des Hamburger Abendblattes zufolge. Berghegger ist Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB). Er bezeichnete die Investitionsoffensive als „überfällig“.
Nach den Plänen der Sondierer von SPD, CDU und CSU sollen die Milliardengelder in Infrastruktur fließen, insbesondere soll es für eine Sanierung der Verkehrsinfrastruktur, wie Straßen und Brücken, für Krankenhaus-Investitionen und für die Energieinfrastruktur verwendet werden. Außerdem werden auch der Bildungs-, Betreuungs- und Wissenschaftsbereich genannt, ebenso wie Digitalisierung sowie Zivil- und Bevölkerungsschutz.
SGK-Chef Thorsten Kornblum: „Befreiungsschlag für die Kommunen“
Thorsten Kornblum, Vorsitzender der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (Bundes-SGK) erklärte mit Blick auf das Sondervermögen, es werde ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Investitionsfähigkeit der Städte, Gemeinden und Kreise getätigt. Außerdem lobte er, „durch die Erweiterung der Handlungsspielräume der Länder bei der Schuldenaufnahme wird die Finanzausstattung der Kommunen verbessert“.
Kornblum erläutert darüber hinaus, dass auch eine Expertenkommission eingesetzt werden soll, die bis zum Jahresende einen Vorschlag für eine Modernisierung der Schuldenbremse entwickelt, um dauerhaft zusätzliche Investitionen in die Stärkung unseres Landes zu ermöglichen.
Kornblums Fazit: „Diese Maßnahmen zusammengenommen können der ersehnte Befreiungsschlag für die Kommunen aus ihrer aktuellen Finanzmisere sein und ihre Handlungsfähigkeit deutlich stärken.“
Städte wollen schnelle Entscheidung
Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, äußerte sich ebenfalls positiv. „Die Bundespolitik hat jetzt endlich den Ernst der Lage erkannt und handelt. Die zusätzlichen Mittel, die im Raum stehen, sind beachtlich.“ Deutschland fahre bei der Infrastruktur seit Jahren auf Verschleiß. Das dürfe so keinesfalls weitergehen, sagte Dedy.
Dass nun massive Investitionen angeschoben würden, mache viel Hoffnung. „Jetzt muss der Bundestag schnell für Klarheit sorgen und dem Finanzpaket zustimmen.“ Das Geld müsse dann schnell und ohne Umwege direkt vor Ort in den Städten ankommen, damit die Kommunen Schulen, Straßen und Brücken sanieren könnten.
Landkreistag warnt vor möglichen Nebenwirkungen
Der Deutsche Landkreistag bewertete das Sondervermögen kritischer. Neue Schulden in gigantischer Höhe könnten allein nicht die Antwort auf die drängenden Herausforderungen im Land sein, kommentierte Präsident Achim Brötel. „Wenn das Geld seinen Zweck erfüllen soll, dann muss es zügig, in vollem Umfang und ohne überbürokratisierte Zuteilungsverfahren einfach und schnell dorthin kommen, wo es tatsächlich gebraucht wird, nämlich in den Kommunen vor Ort.” Förderprogramme mit umständlichen Vorgaben seien nicht hilfreich.
Der Bund dürfe die neue Freiheit auch nicht dazu nutzen, um sich selbst aus bestehenden Investitionsprogrammen zurückzuziehen und mit dem eingesparten Geld konsumptive Ausgaben zu finanzieren. Auch dürfe der Bund nicht wieder in den Fehler verfallen, Probleme mit Geld zuzudecken, anstatt sie beherzt anzugehen. „Unser Grundproblem ist die drohende finanzielle Handlungsunfähigkeit unserer Kommunalhaushalte, die schlicht und ergreifend daher rührt, dass der Staat den Kommunen in den letzten Jahren immer mehr, immer kompliziertere und vor allem auch immer teurere Aufgaben übertragen hat, ohne für eine ausreichende Gegenfinanzierung zu sorgen”, so Brötel. Der Anteil der Kommunen am Aufkommen der Umsatzsteuer müsse erhöht werden.
Lauterbach: „Durchbruch für unser Land“
Dass mit dem Milliarden-Topf auch Investitionen in Krankenhäuser ermöglicht werden sollen, lobte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) als „Durchbruch für unser Land“. Auch im Krankenhaussektor sei seit mehr als zehn Jahren an den Investitionen gespart worden, so der Minister. Er betonte: „Die Krankenhäuser brauchen unsere Unterstützung, um den jetzt notwendigen Transformationsprozess zu bewältigen.“
Lauterbach verwies auf die beschlossene Krankenhausreform, deren Weichen so gestellt seien, „dass die Milliardenhilfen auch zielgerichtet eingesetzt werden können“. Für ein modernes Krankenhausnetz auch die Mittel aus dem Sondervermögen einzusetzen, würde Patienten eine bessere Versorgung garantieren und die Krankenversicherten entlasten. Lauterbach sprach sich auf der anderen Seite dagegen aus, „teure und ineffiziente Strukturen künstlich am Leben zu halten.“
Kommunale Unternehmen begrüßen Pläne für Sondervermögen
Ingbert Liebing, der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU), sagte: „Wir müssen in Deutschland dringend massiv in den Ausbau und die Ertüchtigung unserer Infrastrukturen investieren. Daher begrüßen wir es, dass hierfür kurzfristig die notwendigen Weichenstellungen mit Verankerung eines Sondervermögens vorgenommen werden sollen.“
Er forderte außerdem, Bund, Länder und Kommunen müssten mehr Geld in Infrastruktur investieren. Allein für die Energiewende zur Erreichung der Klimaziele würden bis zum Jahr 2030 zusätzliche Investitionen in Höhe von rund 721 Milliarden Euro nötig sein, rechnete Liebing vor. Hinzu kämen notwendige Milliardeninvestitionen für Wasser- und Abwasserinfrastrukturen, um sie klimaresilient aufzustellen. Er gehe davon aus, dass Mittel des Sondervermögens auch für die Investitionen in die Energiewende zur Verfügung stehen, betont er. Schließlich sei Energieinfrastruktur in der Vereinbarung ausdrücklich genannt.
Weil: „Großer Schritt in Richtung Sanierung der Infrastruktur“
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) lobte in einer ersten Stellungnahme die Ergebnisse und den schnellen Durchbruch. Er zeigte sich „sehr angetan davon, dass die zukünftig Verantwortlichen in Berlin einen großen Schritt in Richtung Sanierung der Infrastruktur gehen wollen und dabei auch die Situation von Ländern und Kommunen berücksichtigen“. Das Land Niedersachsen könne insofern mit einer wesentlichen Ergänzung der eigenen finanziellen Anstrengungen rechnen.
Wie die Stärkung der Infrastruktur dann im Einzelnen umsetzt wird, müsse laut Weil „auf der Basis der noch von der Bundesebene zu treffenden Detailregelungen entschieden werden“. Der niedersächsische Ministerpräsident geht jedenfalls davon aus, dass das Land aufgrund der in Aussicht gestellten Finanzmittel die Investitionsbedarfe des Landes und der Kommunen schneller erfüllen kann.
Saarlands Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) erklärte gegenüber der DEMO: „Wir modernisieren die Schuldenbremse. Deutschland wird so viel wie nie zuvor in Infrastruktur investieren und damit auch die Grundlage für Wirtschaftswachstum legen.” Auch Länder und Kommunen seien dabei speziell berücksichtigt, was einen großen Fortschritt darstelle. „Wie die genauen Verteilmechanismen aussehen, wird in Bundestag und Bundesrat noch zu beraten sein, im Moment geht es erstmal darum, sich die Finanzierungsmöglichkeiten zu erarbeiten.“
Hintergrund: Die Kommunen sind verfassungsrechtlich Teil der Länder. Geld fließt also nur in Ausnahmefällen direkt vom Bund an die Kommunen. Die Kommunen dürften daher die weiteren Entwicklungen genau verfolgen.
Dieser Artikel wird laufend aktualisiert.
Ralf Bauer
ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.