Digitalisierung: Groß denken und einfach machen
Experten diskutieren beim 19. Kommunalkongress über Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung. Themen wie Künstliche Intelligenz, Prozessoptimierung und der Weg zu einer modernen Verwaltung kamen dabei zur Sprache.
Dirk Bleicker
Von links: Marc Groß (KGSt), Frauke Janßen (PD Berater der öffentlichen Hand GmbH), Claudia Brandes (Bürgermeisterin Petersberg) und Moderatorin Katharina Gerlach
Groß denken und einfach mal machen – dies ist die Formel zum Gelingen der Digitalisierung in der Verwaltung. Mit dieser Empfehlung endete das Fachgespräch „Digitalisierung, OZG und KI: Wo stehen die Kommunen?“ beim diesjährigen Kommunalkongress. Darin diskutierten Privatdozentin Frauke Janßen, Beraterin der öffentlichen Hand GmbH, Marc Groß, Vertreter des Vorstands der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt), und die Petersberger Bürgermeisterin Claudia Brandes.
Große Baustelle
Die Digitalisierung ist eine der großen Baustellen der Verwaltung. Darin waren sich alle einig – die Fachleute auf dem Podium und die zahlreichen Zuhörenden ebenso. Die Verantwortlichen in den Rat- und Kreishäusern müssten aufpassen, dass sie nicht von der abzusehenden zweiten Welle der Digitalisierung überrollt werden, wenn die erste Welle vielfach noch gar nicht bewältigt ist. Doch auch wenn einerseits das Faxgerät und die Papierakte noch allzu weit verbreitet sind, gibt es andererseits zahlreiche gute Ansätze zur Digitalisierung. Diese sei kein Jobkiller, sondern diene vor allem der Prozessvereinfachung und -optimierung.
KGSt-Mann Groß etwa meinte, dass alleine mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) bis zu 80 Prozent der oftmals standardisierten Prozesse vereinfacht werden können: „KI soll eine Hilfe, ein Werkzeug sein.“ Aber sie könne nicht alles. Brandes ergänzte: „Digitalisierung ist die Basis von KI.“ Die Petersberger Rathauschefin und studierte Prozessmanagerin war der Auffassung, dass durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz auch dem Fachkräftemangel zumindest teilweise begegnet werden kann, „der uns in den nächsten Jahren ins Haus steht.“ Janßen sieht einen weiteren Aspekt: „KI ist auch eine Frage von Haltung. Das heißt, wie wäge ich Risiken ab und werden alle Mitarbeitenden mitgenommen?“ Sie sprach von einem „Kulturwandel“ mit neuen Aufgaben und dem Wegfall von alten.
Zustimmung für einheitliche Standards
Alsbald stand die Frage im Raum, inwieweit zum Beispiel ein Bundesland wie Nordrhein-Westfalen Standards definieren oder gar vorgeben kann. Einige der Zuhörenden warfen die Frage auf, ob dadurch kommunale Selbstverwaltung infrage gestellt wird. Die Antwort insbesondere von Groß und Brandes war deutlich: Nein! Vor allem Groß forderte dazu auf, sich von Insellösungen zu verabschieden. Aber: „Wir kriegen es nicht größer gedacht!“ Brandes und Janßen sehnten beide einheitliche Standards herbei. Damit erntetet sie Zustimmung.
Wie schnell die Digitalisierung gehen kann, zeigte Brandes am Beispiel ihrer eigenen Kommune: Innerhalb weniger Monate seien sämtliche Arbeitsabläufe digitalisiert worden. „Man bracht nur den richtigen Fördermittelgeber.“ Und: „Der Weg ist das Ziel.“ Ein anderes positives Beispiel ist die Stadt Bad Oeynhausen. Die Kommune hat jüngst für die Fragen von Bürgern einen Chatbot eingeführt. Ergebnis: Die Mitarbeitenden müssen rund 25 Prozent weniger Anfragen von Bürgern beantworten, zum Beispiel bei der Hundesteueranmeldung. Ein Zuhörer aus Hattingen freute sich, dass die Stadt „letzte Woche die Papierakte beerdigt hat.“
Groß, Janßen und Brandes machten den Interessierten Mut, das Thema anzugehen. Auch wenn sich in den Rat- und Kreishäusern das Gefühl von Überforderung breit mache, lasse sich dieses lösen: durch eine geschickte und zugewandte Personalführung. Am Ende stehe das, was sich die Bürgerinnen und Bürger wünschen: eine funktionierende Kommune beziehungsweise einen funktionierenden Staat.
Torsten Kropp
Ulf Buschmann ist freier Journalist in Bremen. Für die DEMOKRATISCHE GEMEINDE ist er seit 1998 als Autor tätig.