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Gebühren für Polizeieinsätze: Was das Urteil für die Kommunen bedeutet

Die Länder dürfen Fußballvereine an den Kosten von Polizeieinsätzen beteiligen, das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Drohen jetzt auch für Veranstaltungen wie das Oktoberfest Polizeigebühren? Und hat die Entscheidung Folgen für präventive Fanprojekte?

von Carl-Friedrich Höck · 16. Januar 2025
Zwei Polizisten laufen über einen Rummelplatz

Polizeikräfte beim Oktoberfest 2024: Der Wiesn-Cheft geht nicht davon aus, dass Volksfeste künftig Gebühren für Polizeieinsätze zahlen müssen.

In der Sportwelt hat ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom Dienstag hohe Wellen geschlagen. Die Richter*innen haben klargestellt, dass das Bremer Gebühren- und Beitragsgesetz verfassungskonform ist. Im Klartext: Die Bundesländer dürfen den Fußball-Bundesligisten einen Teil der Kosten in Rechnung stellen, die ihnen für Polizeieinsätze in Zusammenhang mit Hochrisiko-Spielen entstehen.

Polizei-Rechnungen für Karneval und Oktoberfest?

Mit Unverständnis reagierte die Fanvereinigung „Unsere Kurve“ auf das Urteil. Schließlich sei die Gewährleistung öffentlicher Sicherheit und Ordnung eine Kernaufgabe des Staates, erklärte der Verein in einer Stellungnahme. Thomas Kessen, Sprecher von „Unsere Kurve“, forderte: „Das heutige Urteil muss fair und gleich auf alle öffentlichen Großveranstaltungen angewendet werden. Wir erwarten nun vom Freistaat Bremen jährliche Rechnungen an die Veranstalter des Bremer Freimarkts. Auch das Münchner Oktoberfest, der Kölner Karneval und die Silvesterpartys am Brandenburger Tor müssen den Veranstaltern in Rechnung gestellt werden. Ob wir als Gesellschaft das allerdings wollen, darf bezweifelt werden.“ Ähnlich äußert sich Michael Gabriel, Leiter der Koordinierungsstelle Fanprojekte: „Das Urteil wird Folgen weit über den Profifußball hinaus haben.“

Dass auf öffentliche Großveranstaltungen nun höhere Kosten zukommen, weil sie Gebühren für Polizeieinsätze bezahlen müssen, gilt allerdings als unwahrscheinlich. Das Karlsruher Urteil hat dem Gesetzgeber zwar einen gewissen Entscheidungsspielraum eingeräumt. Ob tatsächlich Gebühren erhoben werden, ist aber eine Frage des politischen Willens. Schon das Anliegen, die milliardenschwere Fußball-Branche an einem Teil der Polizeikosten zu beteiligen, wird längst nicht von allen Bundesländern mitgetragen. Bayern, Nordrhein-Westfalen, Berlin und Brandenburg haben sich bereits dagegen ausgesprochen. Weitergehende politische Initiativen, auch Volksfeste oder ähnliche Veranstaltungen finanziell zu belangen, sind bisher nicht bekannt.

Wiesn-Chef betont Unterschiede zum Fußball

„Finger weg von Volksfesten“, fordert Münchens Wirtschaftsreferent und Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner (CSU) im Gespräch mit der DEMO. Ein öffentliches Volksfest wie das Oktoberfest könne nicht mit Hochrisiko-Spielen im Fußball verglichen werden. Er sei dankbar für den Begleitschutz, den die Polizei leiste. Im Gegenzug profitiere das Finanzamt aber auch von dem Oktoberfest als Wirtschaftsfaktor, das einen Wirtschaftswert („Umsatzrentabilität“) von 1,5 Milliarden Euro habe. Kürzlich habe man noch diskutiert, wie Schausteller*innen in schwierigen Zeiten wirtschaftlich überleben können, merkt Baumgärtner an.

Auch in Köln gibt man sich nach dem Urteilsspruch aus Karlsruhe entspannt. Tanja Holthaus, Pressesprecherin des Festkomitees Kölner Karneval, erklärt auf DEMO-Nachfrage: „Eine Situation wie bei einigen Fußballspielen mit Gewaltbereitschaft unter den Fans und regelmäßigen Ausschreitungen haben wir weder beim Rosenmontagszug noch bei den rund 50 Veedelszöch in Köln.“ Das seien friedliche, fröhliche Veranstaltungen, die zum anerkannten und besonders schützenswerten Kulturgut Karneval gehörten. „Daher sehen wir bei diesem Urteil keine Relevanz für uns.“ Nebenbei bemerkt werde der Rosenmontagszug von einer gemeinnützigen, nicht gewinnorientierten GmbH durchgeführt.

Zukunft der Präventionsprojekte

Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) hatte im Vorfeld des Urteils immer wieder betont, dass sie auf Präventionsarbeit setze, um die Sicherheit rund um Fußballspiele zu erhöhen (und somit zusätzliche Polizei-Einsatzstunden gar nicht erst entstehen zu lassen). Dazu gehören unter anderem Fanprojekte, die sozialpädagogische Arbeit leisten und von den Fußballverbänden gemeinsam mit Kommunen und Ländern finanziert werden. Im Jahr 2023 hätten die Fußballverbände neun Millionen Euro in die kommunale Jugendhilfe investiert, etwa fünf Millionen davon kamen von der DFL, teilt die Liga auf ihrer Website mit.

Dem Leiter der Koordinierungsstelle Fanprojekte (KOS) Michael Gabriel macht das Karlsruher Urteil Sorgen. Es stehe zu befürchten, dass das Urteil der gesamten Palette der Präventionsanstrengungen, zu denen auch die Fanprojekte gehören, schade. „Dabei müssten genau hier die Anstrengungen intensiviert werden.“ Die DFL betont auf Nachfrage allerdings, dass sie keinesfalls vorhabe, ihre finanzielle Beteiligung an Präventionsprojekten infolge des Karlsruher Urteils zu kürzen. „Nein“, antwortet ein Sprecher kurz und knapp auf Nachfrage.

Verfassungsgerichts-Urteil sorgt für Verunsicherung

Für problematisch hält KOS-Leiter Gabriel des Urteil noch aus anderen Gründen. Es werde „in der Praxis zu Verunsicherungen und Differenzen im Netzwerk beitragen“, was man aktuell schon an den unterschiedlichen Positionen der Bundesländer und auch innerhalb der Fußballverbände beobachten könne, „wo wir doch eigentlich ein gemeinschaftliches Vorgehen aller Beteiligten brauchen.“

Weiter fragt der KOS-Leiter: „Soll in Zukunft Sicherheit nur noch für den zu haben sein, der es sich leisten kann?“ Was passiere zum Beispiel an den Standorten, wo die Vereine in der Regionalliga spielen? „Die sind nach einem sogenannten Hochsicherheitsspiel pleite.“

Der Karlsruher Verfassungsrichter Heinrich Amadeus Wolff hat allerdings im Zuge der Urteilsverkündung erklärt, dass Gebühren für Polizeieinsätze nicht erhoben werden dürfen, wenn sie abschreckend oder gar „erdrosselnd” wirken. Insofern lässt sich das Urteil auf unterklassige Ligen mit geringen finanziellen Umsätzen nicht ohne weiteres anwenden.

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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