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Große Baurechts-Reform: Was Ministerin Klara Geywitz plant

Das Bundesbauministerium will das Baugesetzbuch novellieren. Nun liegt der Entwurf für das Gesetz vor. Was die Reform für Kommunen, Mieter*innen und Musikclubs verändert.

von Carl-Friedrich Höck · 1. August 2024
Porträtfoto Klara Geywitz

Sie hat sich viel vorgenommen: Bundesbauministerin Klara Geywitz plant umfangreiche Änderungen im Baugesetzbuch.

Die Regeln für die Stadtentwicklung in Deutschland werden neu geschrieben. Denn das Bundesbauministerium von Ministerin Klara Geywitz (SPD) plant umfangreiche Änderungen im Baugesetzbuch. Dieses ist eine zentrale Rechtsgrundlage für Kommunen, um die Entwicklung der Städte und Gemeinden zu steuern.

Verfahren sollen beschleunigt werden

„Wer modern, schneller und klimabewusst bauen will, muss hier ran“, wird Geywitz in einer Mitteilung ihres Ministeriums zitiert. Dieses hat am Dienstag den Entwurf für ein „Gesetz zur Stärkung der integrierten Stadtentwicklung“ vorgelegt. Nun startet die Länder- und Verbändeanhörung zur Baugesetzbuch-Novelle. Geywitz hofft, dass der Gesetzentwurf im September vom Kabinett verabschiedet und bis Ende des Jahres vom Bundestag beschlossen wird.

„Planen, Genehmigen und Bauen werden bürokratieärmer“, wirbt Geywitz für den Entwurf. Die Anwendung des Städtebaurechts werde vereinfacht. Gemeinden sollen künftig besser auf lokale und regionale Veränderungen reagieren und bei Bedarf schneller Baurechte schaffen können, so die SPD-Politikerin. Denkbar seien zum Beispiel „Baurechte für die Errichtung von Anlagen für erneuerbare Energien, für die Umnutzung leerstehender Gewerbeimmobilien in den Innenstädten oder zur Vergrößerung von Einzelhandelsstandorten“.

Die wichtigsten Punkte

Laut Bauministerium sieht die Novelle unter anderem diese Neuerungen vor:

Aufstockungen werden vereinfacht: Dachausbau oder andere Gebäudeerweiterungen sollen in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt möglich werden, ohne dass der Bebauungsplan eigens geändert werden muss. „Bisher gibt es diese Möglichkeit nur im Einzelfall, der häufig schwer zu begründen war“, teilt das Ministerium mit.

Mehr Verdichtung: Ein zusätzliches Haus in zweiter Reihe, im großen Garten oder im Hof: Das soll leichter umsetzbar werden. Bisher scheitere das daran, dass eine solch verdichtete Bebauung nicht dem bisherigen Charakter des Quartiers entspricht.

Bauland statt Geld: Wenn die Planungsbehörden Grundstücke neu ordnen, zum Beispiel um aus einer Ackerfläche ein Wohnviertel mit Straßen und Grünflächen zu machen, spricht man von Baulandumlegung. Für den Eigentümer der Fläche heißt das oft, dass der Wert des Grundstücks steigt. Im Gegenzug kann die Gemeinde unter bestimmten Voraussetzungen einen Wertausgleich, also Geld verlangen. Mit der Baugesetzbuch-Novelle soll nun ein sozialer Flächenbeitrag eingeführt werden. Das heißt: Statt Geld stellt der Eigentümer der Kommune eine Fläche zur Verfügung – und diese verpflichtet sich, darauf Sozialwohnungen zu bauen. Dieses Verfahren soll in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt zur Anwendung kommen.

Vorkaufsrecht wird gestärkt: Ein häufig genutztes Schlupfloch, um das kommunale Vorkaufsrecht für Häuser und Grundstücke zu unterlaufen, sind sogenannte Share Deals. Dabei wird offiziell nicht das Grundstück selbst verkauft, sondern Anteile einer Gesellschaft (zum Beispiel eines Unternehmens), der das Grundstück gehört. Dieser Trickserei will das Bauministerium einen Riegel vorschieben. Die Einbringung eines Grundstücks in eine Gesellschaft soll einem Kaufvertrag gleichgestellt werden. Außerdem sollen kommunale Vorkaufsrechte „zukünftig auch dann ausgeübt werden können, wenn ein in Eigentumswohnungen geteiltes Gebäude als Ganzes veräußert wird“, meldet das Bauministerium.

Mehr Schutz für Musikclubs: Die Baunutzungsverordnung regelt, welche Nutzungen auf einem Grundstück zulässig sind – zum Beispiel Wohnungen, Gewerbe oder Erholung (darunter fallen etwa Campingplätze). Neben diesen allgemeinen Kategorien sieht das Baurecht eng definierte Sondergebiete vor, beispielsweise für Kliniken, Häfen oder Hochschulen. Nun sollen auch Musikclubs als eigene Sondergebiete-Kategorie in die Baunutzungsverordnung aufgenommen werden. Das soll den Gemeinden helfen, Musikclubs planerisch zu sichern. Denn diese könnten ein wichtiges Element des kulturellen Lebens sein, heißt es dazu aus dem Bauministerium.

Schutz für Mietwohnungen wird verlängert: Die Bundesländer können Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt ausweisen und für sie einen Umwandlungsschutz einführen. Das bedeutet, dass Mietwohnungen hier nicht ohne Genehmigung in Eigentumswohnungen umgewandelt werden dürfen. Diese Regelung läuft nach bisherigem Recht Ende 2025 aus. Nun ist geplant, die Frist auf Ende 2027 zu verschieben.

Mehr Zeitdruck für Kommunen: Bis ein neuer Bebauungsplan aufgestellt ist, vergehen häufig mehrere Jahre. Künftig sollen Gemeinden die Pläne im Regelfall innerhalb von zwölf Monaten nach Ende der Beteiligungsverfahren veröffentlichen.

Beschränkungen für Umweltprüfung und -bericht: Auch hier will das Ministerium die Verfahren vereinfachen. Es teilt mit: „Der Umfang des Umweltberichts soll künftig nur ein Drittel der Begründung des Bebauungsplans umfassen. Die Prüftiefe soll konzentriert werden auf diejenigen Belange, die tatsächlich auf der abstrakten Planebene (ohne konkretes Vorhaben) bewertbar sind.“

Aktualisierung von Bebauungsplänen: Grundsätzlich muss für einen Bebauungsplan immer die Fassung der Baunutzungsverordnung angewendet werden, die zum Zeitpunkt der Planaufstellung galt. Wenn die Kommune eine neuere Fassung anwenden will, muss die Kommune also den Bebauungsplan ändern – was einen enormen bürokratischen und organisatorischen Aufwand nach sich zieht. Mit einer „Innovationsklausel“ will das Bauministerium den Aufwand deutlich reduzieren, indem vereinfachte Verfahren zur Anwendung kommen. So kann auf eine erneute Umweltprüfung verzichtet werden und auch die vorgeschriebenen Beteiligungsverfahren dürfen gestrafft werden.

Digitalisierung: Bekanntmachungen etwa zu Flächennutzungs- und Bebauungsplänen sollen auch digital veröffentlicht werden – zusätzlich zu analogen Informationswegen.

Mehr Handhabe bei Klimaanpassung: Viele Bauprojekte in Städten werden ohne Bebauungsplan durchgeführt. Denn laut § 34 des Baugesetzbuches dürfen Bauherren im unbeplanten Innenbereich bauen, wenn sich das neue Gebäude in die umgebende Bebauung einfügt. Für Kommunen ist diese Regelung manchmal problematisch, weil sie – anders als in einem B-Plan-Verfahren – kaum Möglichkeiten haben, das Baurecht an Bedingungen zu knüpfen. Mit der Baurechts-Novelle sollen sie zumindest für die Klimaanpassung mehr Vorgaben machen können. Zum Beispiel, indem sie dezentrale Versickerungsanlagen oder ein Gründach anordnen.

Frist für Ausgleichsmaßnahmen: Wenn gebaut und dafür Natur zerstört wird, müssen Bauherren für Ersatz sorgen, etwa indem sie Bäume pflanzen oder Dächer begrünen. Doch manche nehmen es mit diesen Pflichten nicht so genau oder schieben sie auf die lange Bank. Deshalb soll nun die Regel eingeführt werden, dass Bauherren innerhalb einer bestimmten Frist gegenüber der Behörde nachweisen müssen, dass sie die Ausgleichsmaßnahmen umgesetzt haben. 
 

Mehr Informationen:
Website des Bundesbauministeriums

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

1 Kommentar

Gespeichert von Dietmar Kunisc… (nicht überprüft) am Mo., 05.08.2024 - 20:39

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Die Zulassung von Musikclubs ist viel zu wenig und eine Einzelfallregelung, die nur in wenigen Fällen hilft und interessiert. Mir fehlt eine grundlegende Vereinfachung in der BaunutzungsVO, z.B. was die Zulassung der Umwandlung von Büroflächen in Wohnungen anbelangt und die Zulassung von Wohnungen in Industriegebieten gem. §8. Hier ist die Begrenzung auf "Betriebswohnungen" viel zu eng und verhindert Wohnraumschaffung. Es wird dabei völlig verkannt, daß es für viele interessant ist in Gewerbegebiete zu ziehen. wegen der nächtlichen Ruhe und Nutzung entsprechender Loft-Angebote. Der Schutzgedanke des § 8, daß sich Wohnungsnutzer durch ansässige Gewerbebetriebe gestört fühlen könnten ist so nicht mehr haltbar, zumal jedem bewußt sein wird, daß es im Gewerbegebiet Störungen geben kann und man dies auch in dem Vertragsgespräch einbringen kann/sollte, sodaß sich Mieter nicht nachträglich überrascht fühlen und gegen eine Beeinträchtigung klagen. Der hier verankerte Schutzgedanke ist veraltet und nicht mehr zeitgemäß. Da die Behördenvertreter sich aber nicht trauen die Norm weiter auszulegen und sich den gesellschaftlichen Veränderungen anzupassen und gar den Antragsstellern raten doch gegen die abgelehnte Nutzung zu klagen, wird es keine Veränderung und echte Entbürokratisierung gebe und weiterhin Investoren abschrecken. Der Hinweis auf den Klageweg ist zwar rechtens aber nicht zielführend. Es ist der falsche Weg, da dadurch Gerichte unnötig belastet und mittelbar, als Reformgeber missbraucht werden. Es wäre besser, wenn die Politik die Gesetzte von sich aus den gesellschaftlichen Veränderungen anpasst. Sprich ihn Gewerbegebieten z.B. die Umwidmung von Büroflächen in Wohnungen zugelassen/erleichtert wird bzw. der Bau von Wohnungen in einem Bürogebäude nicht auf Betriebswohnungen beschränkt wird.
Die Gesetzesänderung trägt nicht zur Schaffung von Wohnraum und trägt auch nicht sinnvoll zur Entbürokratisierung bei. Ich bedauere sehr, daß hier die Politik wieder mal nicht weitgenug gedacht hat und sich nicht traut echte Maßnahmen zur Entbürokratisierung und Erleichterung zu schaffen.
Ein anderer Punkt, um die Entbürokratisierung im Baurecht zu fördern wäre die Möglichkeit bei Bauanträgen abgeschichtet vorzugehen und Teile eines Bauantrags zu genehmigen und nicht darauf warten bis alle Unterlagen komplett und fehlerfrei in der erforderlichen Anzahl vorliegen. Bestimmte Anforderungen können auch nachgeholt werden. Hier traut sich aber oftmals die Bauverwaltung nicht abgeschichtet zu entscheiden, weil man keine Fehler machen will und es natürlich bedeutet die Schnittstellen von sich beeinflussenden Normen rechtzeitig und ganzheitlich zu erfassen. Hier wäre es gut die Verwaltungen zu unterstützen und z.B. abgeschichtete Prüfverfahren zu empfehlen, zu gestatten.
Es gibt viele weitere Punkte, die meist Prozessabläufe und die Ermessensausübung betreffen, wo es an Regelungen fehlt, um es den Verwaltungsmitarbeitern zu erleichtern schneller und bedarfsgerecht zu entscheiden. Das würde den Bürger zufrieden stellen und das Vertrauen in die Politik und Verwaltung wieder herstellen. Die Zulassung von Musikclubs in Industriegebieten trägt dazu nicht bei, da es nur in wenigen Fällen interessieren wird.

Die mit der Novelle geplanten Änderungen erreichen nach meiner Auffassung nicht das gewünschte Ziel. Ganz im Gegenteil werden sich viele Investoren weiterhin überlegen in Deutschland zu investieren, solange nicht grundlegende Änderungen, die die Baugenehmigungsverfahren wirklich erleichtern und beschleunigen stattfinden. Die Halbherzigkeit bei den Reformvorschlägen führt auch dazu, dass die populistischen Kräfte in unserer Republik wiedermal in ihren Äußerungen: „ die echten Interessen der Bürger werden verkannt und die Wirtschaft außerlandes getrieben“ sich bestätigt sehen und die Politik und Verwaltung schlechtreden.

Ich bin gerne bereit das Thema (intelligente, investorenfreundliche Baurechtsreform) an anderer Stelle zu vertiefen.

Mit besten Grüßen
D. Kunisch-Quadflieg