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Kommunale Wärmeplanung: Warum Mannheim bis 2035 sein Gasnetz stilllegt

Die Kommen bauen ihr Wärmenetz massiv aus. Wohin das führt, macht der Mannheimer Energieversorger MVV vor: Er legt sein Gasnetz bis 2035 still. Ein Schritt, dem viele Kommunen bald folgen dürften.

von Uwe Roth · 18. Dezember 2024
Der Mannheimer Energieversorger MVV will sein Gasnetz bis 2035 stilllegen.

Der Mannheimer Energieversorger MVV will sein Gasnetz bis 2035 stilllegen.

Kaum hatte die MVV Energie AG Ende November ihren Plan zur Stilllegung des Gasnetznetzes bis 2035 bekanntgegeben, wurden in den Medien erste Verbraucher*innen zitiert, die sich empört und verunsichert gaben. War die kürzliche Anschaffung einer Gasheizung ein Fehler? Was mache ich mit dem in die Jahre gekommenen Heizkessel, den ich im nächsten Jahr austauschen wollte? Die Geschäftsführung des Energieversorgers muss seither beruhigend eingreifen und versichern, dass sie die Kundschaft nicht allein lassen werde.

In Mannheim sind laut MVV 25.000 Haushalte von der Nachricht betroffen. Die Verbraucherzentrale lobt die frühe Information: „Wenn innerhalb der nächsten zehn Jahren eine Gasheizung ersetzt werden muss, wissen die Verbraucher*innen nun, dass es sich für sie nicht mehr lohnt, eine neue Gasheizung zu kaufen“, heißt es aus dem Bundesverband. Außerdem warnt er vor weiter steigenden Gaspreisen und verweist auf Fördermittel, die einen Umstieg auf alternative Wärmequellen erleichterten.

Steigende Preise führen zu Rückbau der Gasnetze

Die MVV fügt hinzu: „Die CO2-Preise werden sich stark erhöhen und die Netzentgelte werden wegen der sinkenden Kundenzahlen ebenfalls stark steigen.“ Hinzu kämen höhere Kosten für das Gas selbst aufgrund des gesetzlich geforderten wachsenden Anteils an Erneuerbaren Energien. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erwartet bis zum Jahr 2035 bundesweit einen Rückgang des Erdgas-Verbrauchs zwischen 28 Prozent und 63 Prozent im Vergleich zum Jahr 2022. „Das bedeutet zwangsläufig einen schrittweisen Rückbau der Gasnetze, da sich diese nicht mehr wirtschaftlich betreiben lassen“, heißt es in der Veröffentlichung „Warum sich der Gasnetz-Rückbau wirtschaftlich lohnt“. 

Knapp jeder zweite Haushalt heizt noch mit Gas 

Tatsächlich wiederholt sich in Mannheim und Umgebung die Empörung, die nach Bekanntgabe des Heizungsgesetzes (Gebäude-Energiegesetz) bundesweit entstanden war. Kritiker*innen trieben die Verunsicherung in der Bevölkerung auf die Spitze und der Absatz von Wärmepumpen geriet ins Stocken. Das Handwerk wartete vergeblich auf Aufträge. Nun hat die CDU angekündigt, das Heizungsgesetz kippen zu wollen, sollte sie in die Regierung kommen.

Jörg Dittrich, der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, warnt davor. In einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen forderte er Planungssicherheit für Handwerksbetriebe und Immobilienbesitzer: „Es ist an der Zeit, dass die Politik klare Signale sendet und die notwendigen Voraussetzungen schafft, um Verbindlichkeit und Kontinuität zu gewährleisten.“  

Letztlich steht das Handwerk mit dem Einbau von Wärmepumpen im Wettbewerb mit den Energieversorgern, die die Haushalte mit Fernwärme oder Tiefen-Geothermie versorgen wollen. Sie kämpfen um einen großen Markt. Denn laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft wird noch knapp jeder zweite Haushalt mit Gas beheizt. Die MVV macht vor, was die Gasversorger nachmachen werden: Gaslieferungen einstellen.

Stilllegung von Gasnetzen: Betreiber in der Pflicht

Deutschland soll bis 2045 klimaneutral werden. Dazu gehört auch der weitgehende Ausstieg aus fossilen Energieträgern wie Erdgas. Das Interesse an der Gasversorgung lässt bereits seit Jahren nach. In vielen Neubaugebieten wurden und werden mangels Nachfrage keine Gasleitungen mehr verlegt. Zudem ist im August dieses Jahres die Richtlinie der Europäischen Union zum Wasserstoff-Binnenmarkt in Kraft getreten. Sie verpflichtet die Betreiber von Gasnetzen, bis August 2026 Pläne zur Stilllegung vorzulegen. Alternativ können sie Pläne zum Umstieg auf grüne Gase wie Biomethan und Wasserstoff vorlegen. 

Das DIW empfiehlt: Kommunen sollten schnellstmöglich Wärmepläne erarbeiten, die sicherstellen, dass eine geordnete Stilllegung der Gasnetze und Alternativen für Gaskund*innen ermöglicht werden. Insbesondere müssten Kommunen aufpassen, „dass sie nicht dem Trugschluss erliegen, eine mögliche Rekommunalisierung sei die Lösung. Diese kann sehr teuer sein, zudem müssen die Kosten für die Stilllegung und Umstellung berücksichtigt werden.“ Ab Juli 2028 ist eine kommunale Wärmeplanung ohnehin verpflichtend, in Großstädten bereits ab Juli 2026.

Kein Wasserstoff als Ersatz für den Privatverbraucher 

Wer in Mannheim hofft, künftig über das bis dahin ehemalige Gasnetz mit Wasserstoff versorgt zu werden, wird dagegen enttäuscht werden: „Die Umstellung der Gasversorgung von Letztverbrauchern im Niederdruckbereich auf Wasserstoff ist aus Kapazitäts- und Kostengründen leider nicht realisierbar“, gibt die MVV auf ihrer Internetseite Auskunft. Wasserstoff sei für diesen Zweck „nicht ausreichend effizient und sehr teuer“. Außerdem werde Wasserstoff „in absehbarer Zeit nicht in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen und deshalb – ebenso wie Biomethan – primär eine Lösung für die Industrie sein“. 

Autor*in
Uwe Roth

ist freier Journalist. Er ist Mitglied im Verein Deutsches Institut für Normung und dort im Redaktionskreis für eine DIN Einfache Sprache. Webseite: leichtgesagt.eu

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