Landratskandidat von Malottki: „Ich will etwas gegen den Frust tun”
Der Noch-Bundestagsabgeordnete Erik von Malottki (SPD) kandidiert für das Landratsamt in Vorpommern-Greifswald. Im Interview erklärt er, warum ihn Kommunalpolitik mehr reizt als der Bundestag und mit welcher Vision er sich gegen die AfD behaupten will.
Ida Fries
Erik von Malottki
DEMO: Vor wenigen Tagen haben Sie den Wiedereinzug in den Deutschen Bundestag verpasst. Kurz darauf haben Sie Ihre Kandidatur für die Landratswahl im Kreis Vorpommern-Greifswald erklärt. War das eine spontane Entscheidung?
Nein. SPD, Grüne und Linke haben schon seit September 2024 eine gemeinsame Kandidatur für die Landratswahl geplant. Diese Kandidatur hätte ich ohnehin gerne übernommen. Doch dann wurde die Bundestagswahl vorgezogen. Dadurch stand ich plötzlich vor der Wahl, entweder wieder selbst für den Bundestag anzutreten oder das Feld Enrico Komning von der AfD und Philipp Amthor von der CDU zu überlassen. Ich musste mich mit meinen Genossinnen und Genossen in den Wind stellen. Wäre ich in den Bundestag gewählt worden, hätte ich das Mandat auch angenommen. Einfach, weil ich es den Wählerinnen und Wählern schuldig gewesen wäre.
Das Landratsamt reizt Sie also noch mehr als ein Bundestagsmandat. Warum?
Man hat im Bundestag viele Möglichkeiten, aber ich bin seit elf Jahren Kommunalpolitiker. Ich will vor Ort etwas verändern und gegen den Frust und die Perspektivlosigkeit der Leute tun. Dieser Frust führt aus meiner Sicht auch dazu, dass viele die AfD wählen. Dem will ich den Gedanken an einen Aufbruch und eine positive Vision für unsere Region entgegenstellen. Ich glaube, so kann ich mehr gegen die AfD unternehmen, als ich es im Bundestag hätte tun können.
Erik von Malottki
Die Region fühlt sich abgehängt und zu wenig beachtet von Berlin.
In Ihrem Wahlkreis haben 45 Prozent der Wähler*innen dem AfD-Kandidaten ihre Stimme gegeben. Wie erklären Sie sich das?
Die Region fühlt sich abgehängt und zu wenig beachtet von Berlin. Da geht es um fehlende Bahnverbindungen und Radwege oder um kaputte Kreisstraßen. Die AfD vermengt das zu einem Diskurs nach dem Motto: An unseren ländlichen Raum wird zu wenig gedacht und deshalb müsst ihr AfD wählen! Natürlich ist das genau die falsche Maßgabe. Der AfD-Abgeordnete hier hat bisher fast nichts für die Region getan. Das geht dann aber in der öffentlichen Wahrnehmung unter.
Stimmt es denn, dass im politischen Berlin zu wenig an den ländlichen Raum gedacht wird?
Als Bundestagsabgeordneter habe ich öfter gemerkt, dass Belange des ländlichen Raums häufig hinten runterfallen. Ich nenne Ihnen zwei Beispiele. Der Extrem-Frühchen-Station in Neubrandenburg wurde ein Behandlungsverbot erteilt, weil sie Mindestfallzahlen unterschreitet, die im ländlichen Raum nur sehr schwer erreicht werden können. Ich habe lange um die Station gekämpft, aber es gab bisher wenig Bewegung. Zweitens hat die Bundesregierung bessere Bahnverbindungen versprochen auf der sogenannten Vorpommern-Magistrale zwischen Berlin und Rügen. Dieses Versprechen wurde bisher nicht eingehalten. So etwas zahlt auf den Frust gegenüber der Regierung in Berlin ein.
Sie sind seit elf Jahren im Kreistag aktiv. Eben haben Sie von einer Vision gesprochen, die Sie der AfD entgegenstellen wollen. Welche Themen wollen Sie setzen?
Ich glaube, dass unsere Region sehr große Chancen hat. Wir haben im Norden eine prosperierende Universitätsstadt mit Greifswald. Wir haben mit Usedom eines der Top-Tourismusgebiete Deutschlands. In Lubmin gibt es das Potential für ein Wasserstoff-Hub mit Produktion und Forschung. Mit Anklam und dem IKAREUM haben wir einen Leuchtturm für die deutsche Luftfahrtgeschichte und im Süden des Landkreises liegt die Stadt Pasewalk schon fast im Vorgarten von Berlin. Mein Ziel ist es, aus diesen Möglichkeiten etwas zu machen.
Dabei ist wichtig, dass wir die Bürgerinnen und Bürger aktivieren und mitentscheiden lassen. Das heißt, ich will Bürgerräte auf lokaler Ebene einrichten, sogenannte Zukunftsräte, die mich als Landrat direkt beraten. Und ich wünsche mir mehr direktdemokratische Entscheidungen für unseren Landkreis. Außerdem müssen wir die Verwaltung fitter machen und stärker dezentralisieren. Die oberste Verwaltungsebene besteht zu großen Teilen aus CDU-Mitgliedern. Da können wir mal das Fenster aufmachen und neue Ideen reinlassen. Als Landrat will ich für unsere Region kämpfen. Das macht der Amtsinhaber mir zu wenig. Ein Beispiel ist die angesprochene Bahnverbindung. Viele Bürgermeister machen sich dafür stark, ich habe mich als Abgeordneter auch dafür eingesetzt. Aber der Landrat kümmert sich kaum darum, obwohl der Landkreis wirklich profitieren würde.
Erik von Malottki
Ich höre jetzt häufig Leute sagen: Wir wollen unser Vorpommern nicht der AfD überlassen.
Bei der Bundestagswahl haben die Kandidaten von AfD und CDU in Ihrem Wahlkreis mehr Stimmen geholt als Sie. Was macht ihnen Hoffnung, dass bei der Landratswahl ein anderes Ergebnis herauskommt?
Erstens werde ich von drei Parteien unterstützt. Zusammen sind ihre Stimmenanteile so hoch, dass es für die Stichwahl reichen könnte. Und wenn die Menschen die Wahl haben zwischen einem Kandidaten von CDU oder AfD und mir, also zwischen Rückschritt und Aufbruch, dann werden sie sich mehrheitlich für den Aufbruch entscheiden. Zweitens gehörte meine Heimatstadt Greifswald nicht zu meinem Wahlkreis, ist aber Teil des Landkreises.
Ich höre jetzt häufig Leute sagen: Wir wollen unser Vorpommern nicht der AfD überlassen, deshalb kämpfen wir mit dir und unterstützen dich! Vor ein paar Tagen habe ich eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, da beteiligen sich jetzt schon viele Menschen, darunter einige Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten aus anderen Landesteilen Ich spüre eine gewisse Trotzreaktion auf das Wahlergebnis. Wer auch diesen Trotz verspürt und jetzt anpacken will, ist herzlich eingeladen, unsere Kampagne vor Ort oder durch Spenden zu unterstützen.
Sie haben vier Jahre lang Erfahrung als Bundestagsabgeordneter gesammelt. Welche Erkenntnisse nehmen Sie aus dieser Zeit mit, die Ihnen auch als Landrat helfen könnten?
Ich verfüge in Berlin über ein belastbares Netzwerk, welches wahrscheinlich auch zukünftig in die Bundesregierung reichen wird. Dazu kommt: Ich habe über drei Jahre für die Bundestagsfraktion viele sozialpolitische Themen verantwortet oder begleitet, deren Umsetzung auf kommunaler Ebene erfolgt. Dazu zählt die Kinder- und Jugendhilfe und im Speziellen Kitas, aber eben auch Themen wie Pflege. Die Aufwendungen für Soziales, Jugend und Gesundheit im Landkreis Vorpommern-Greifswald umfassen fast 70 Prozent aller Aufwendungen. Das sind also Themenfelder, die auch für die finanzielle Zukunft des Landkreises entscheidend sind. Ich wünsche mir, dass wir mehr auf Prävention setzen, gerade bei Kindern. Mit Angeboten der frühen Hilfe müssen wir ab Geburt unterstützen. Es muss darum gehen, das Abrutschen von Kindern und Familien in herausfordernde Lebenslagen zu verhindern. Man könnte vieles tun, um das System vom Kopf auf die Füße zu stellen.
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.