Lob und Kritik für Gesetz zur Stärkung der Öffentlichen Gesundheit
Die Ampel-Koalition plant ein neues Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit – das nun wohl anders heißen wird. Wie die Sachverständigen im Gesundheitsausschuss des Bundestages das Vorhaben bewerteten.
IMAGO / Michael Gstettenbauer
Kritik am Gesetzentwurf kam unter anderem vom Apothekerverband
Die Gesundheitsaufklärung muss besser werden. Darin waren sich die Expert*innen im Bundestagsausschuss für Gesundheit einig. Dafür geplant ist eine Bundesoberbehörde (BIPAM). Mit der Aufgabenbeschreibung taten sich die Sachverständigen schwer.
BIPAM steht für „Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin“. Nach dem Gesetzentwurf zur „Stärkung der Öffentlichen Gesundheit“ (hier als PDF) soll es im kommenden Jahr als selbständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) eingerichtet werden. Dafür sind einmalig 15,5 Millionen Euro vorgesehen. Für die Sachausgaben ist jährlich eine Summe in Höhe von 14,5 Millionen Euro eingeplant.
Nach dem Entwurf soll BIPAM den Zweck erfüllen, „Maßnahmen und Aktivitäten im Bereich der Öffentlichen Gesundheit“ zusammenzuführen und neu zu ordnen. Das Gesetz ruft „Akteure der Öffentlichen Gesundheit und des Öffentlichen Gesundheitsdienstes“ auf, sich dafür zu vernetzen – allerdings freiwillig. Ein Teil der eingeladenen Expert*innen fände eine Verbindlichkeit jedoch sinnvoller, um dem Gesetz eine höhere Schlagkraft zu geben. BIPAM soll nicht zuletzt Vorsorge treffen, um Deutschland auf eine kommende Pandemie besser vorzubereiten. Dafür sei es wichtig, die zuständigen Behörden auf kommunaler, Länder- und Bundes-Ebene verbindlich im Boot zu haben, hieß es.
31 Sachverständige wollten ihre Meinung vortragen
Mit dem Namen der neuen Behörde zeigten sich einige in der Anhörung wenig einverstanden. Ausschussmitglied und gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Heike Baehrens (SPD), fragte gleich zum Auftakt Raimund Geene von der Alice-Salomon-Hochschule, was er über BIPAM denke. Dieser antworte, aus seiner Sicht zeige der Name „ein veraltetes Verständnis von Gesundheitsförderung“. Einen direkten Bezug zur Medizin werde die neue Einrichtung nicht haben. Sein Alternativvorschlag lautete: Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit (BIÖG) – dieser Name war ursprünglich auch im Koalitionsvertrag angedacht gewesen – oder Bundesinstitut für Gesundheitsförderung (BIG).
Der Entwurf des Gesetzes steht insgesamt unter großer Beobachtung des Gesundheits- und Pflegewesens, der Versicherungen und Forschung: Beim Gesundheitsausschuss des Bundestags waren zum Entwurf 24 Stellungnahmen eingegangen. Insgesamt 31 Namen standen auf der Liste der Sachverständigen, die im Ausschuss ihren Kommentar zum Entwurf abgeben wollten. Jede Organisation fand dort ihre kritischen Punkte, an denen sie Eingriffe in ihre Kompetenzen oder Mehrkosten fürchteten.
Apotheken dürfen mehr impfen und testen
Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) lobte beispielweise, dass Apotheken mit dem Stärkungsgesetz mehr impfen und testen dürfen. Das werde die allgemeine Impfquote verbessern, zeigten sich auch andere in der Anhörung überzeugt. Dass pflegebedürfte Menschen die Möglichkeit erhalten sollen, eine Apotheke zu ihrem Favoriten zu erklären, um die Versorgung mit Medikamenten zu vereinfachen, lehnten die Apotheker-Verbände hingegen ab. „Die Regelungen bieten ein Einfallstor für Apotheken ohne Versorgungsvertrag, die als Favorisierte Apotheke benannt werden und auf dieser Basis große Teile der Versorgung übernehmen“, lautete die Befürchtung.
Auch der Deutsche Städtetag hatte eine Stellungnahme abgegeben. Über den Namen heißt es darin: Dieser setze einen falschen Fokus. Es fehle „eine besondere Herausstellung eines bevölkerungsbezogenen Ansatzes“ oder „der direkte namentliche Bezug auf die Öffentliche Gesundheit“. Der kommunale Verband begrüßte „Bestandteile und Zielrichtungen des Gesetzes“, die dazu geeignet seien, „die Kommunen und den von ihnen getragenen örtlichen Öffentlichen Gesundheitsdienst zu unterstützen“. Das Gesetz und seine Ausführung müssten aber stärker auf örtliche Bedarfe ausgelegt werden. Welche Bedarfe dies seien, wisse die lokale Ebene am besten.
Kinder und Jugendärzt*innen lehnen Entwurf ab
Fundamental-Kritik kam vom Berufsverband der Kinder und Jugendärzt*innen (BVKJ). Dieser begrüßte lediglich das „Ansinnen, insbesondere aus den Erfahrungen der Corona-Pandemie, die Strukturen der Öffentlichen Gesundheit und Prävention zu stärken“. Der Entwurf werfe jedoch Fragen bezüglich „seiner Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit“ auf. Es fehle ein „erkennbarer Mehrwert gegenüber der derzeitigen Konstellation“. Der BVKJ plädiert in seiner Stellungnahme dafür, die Aufgaben bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und dem Robert-Koch-Institut (RKI) zu belassen beziehungswiese neue Aufgaben ihnen zu übertragen.
BIPAM soll seinen Sitz in Köln erhalten, wo auch die BZgA ihre Adresse hat. Nach dem Gesetzesentwurf soll das neue Bundesinstitut die BZgA-Aufgaben übernehmen sowie auch „Teilaufgaben aus dem bisherigen Aufgabenspektrum des Robert-Koch-Instituts“. Dies trage „den Erfordernissen eines modernen öffentlichen Gesundheitswesens Rechnung“.
ist freier Journalist. Er ist Mitglied im Verein Deutsches Institut für Normung und dort im Redaktionskreis für eine DIN Einfache Sprache. Webseite: leichtgesagt.eu