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Nach Messerattacke von Solingen: Kommunale Schutzkonzepte auf dem Prüfstand

Die Stadt München plant nach dem Anschlag in Solingen schärfere Sicherheitsmaßnahmen. Thüringen erleichtert den Kommunen, Waffen- und Messerverbotszonen einzurichten. 

von Karin Billanitsch · 28. August 2024
Oktoberfest

Polizeipräsenz auf dem Oktoberfest 2023. Oberbürgermeister Dieter Reiter will die Kontrollen 2024 verschärfen. 

Nach dem Anschlag von Solingen sind viele Menschen erschüttert und verunsichert. Ein mutmaßlich islamistisch motivierter Attentäter hat bei einer Messerattacke drei Menschen getötet und acht weitere verletzt. Viele Städte und Gemeinden prüfen nun ihre Vorkehrungen bei Volksfesten oder anderen Großveranstaltungen. 

Reiter: „Kontrollen werden intensiviert“

So hat Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter schärfere Oktoberfest-Kontrollen angekündigt. Laut Stadtportal muenchen.de verkündete er eine „Intensivierung der Kontrollen“. Ein Messerverbot gelte auf dem Festgelände ohnehin. Reiter zeigte sich „fassungslos und schockiert über die brutale und menschenverachtende Tat“ in Solingen. 

Schon in der Vergangenheit habe die Stadt bereits diverse Sicherheitsmaßnahmen ergriffen, merkte der OB weiter an. Das Gelände sei von einem Zaun umgeben, es gelte ein Messer- und Glasflaschenverbot, Rucksäcke dürften nicht mitgeführt werden.

Lewe: „Schutz der Bürger ist zentrales Anliegen“

Nach geltendem Recht haben die Kommunen verschiedene Möglichkeiten, für Sicherheit rund um eine Veranstaltung zu sorgen. Nach dem islamistischen Lastwagen-Anschlag am Berliner Breitscheidplatz im Jahr 2016 haben die Behörden vielerorts die Sicherheitskonzepte überarbeitet. 

„Der Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor Anschlägen im öffentlichen Raum ist den Städten ein zentrales Anliegen“, stellte Markus Lewe, Präsident des Deutschen Städtetags, in einem Statement fest. So seien an belebten Plätzen der Städte Poller eingebaut worden oder es würden bei Veranstaltungen mobile Barrieren errichtet.

„Die Sicherheitsbehörden entscheiden vor Ort, welche Maßnahmen für Großveranstaltungen, Stadtfeste und Open Air-Veranstaltungen nötig sind“, so Lewe. Sicherheitskonzepte für Veranstaltungen und Volksfeste würden regelmäßig angepasst. Dazu gehörten auch aktuelle Lagebesprechungen der beteiligten Behörden, Sicherheitskräfte, Veranstalter oder Marktstandbetreiber. Allerdings, so der Städtetags-Präsident, könne der Schutz vor Terrorgefahren „nie hundertprozentig“ sein. 

In einem Statement des Deutschen Städte- und Gemeindebundes gegen über dem RND hieß es, natürlich würden die Städte und Gemeinden als Reaktion auf die Ereignisse in Solingen noch einmal prüfen, ob Verbesserungen notwendig seien. „Gleichzeitig gilt es zu beachten, dass alle Sicherheitskonzepte eine Abwägung zwischen bestmöglichem Schutz und größtmöglicher Freiheit darstellen. Leider gehört zur Wahrheit, dass sich Taten wie in Solingen auch mit den umfassendsten Schutzvorkehrungen niemals zu 100 Prozent ausschließen lassen.“  

Neue Rechtsverordnung in Thüringen 

Nach dem Anschlag in Solingen werden insbesondere Waffen- und Messerverbotszonen verstärkt diskutiert. Kommunen können in Deutschland solche Zonen einrichten. Die rechtliche Grundlage dafür schaffen die Landesregierungen. Mannheim in Baden-Württemberg hat von dieser Möglichkeit bereits Gebrauch gemacht. 

An diesem Dienstag hat auch in Thüringen die Landesregierung eine Rechtsverordnung erlassen, die es den Landkreisen und kreisfreien Städten ermöglicht, solche Zonen einzurichten. „Diese kennen die Situation vor Ort und können bedarfsgerecht und zeitnah auf Gefahren reagieren“, sagte Innenminister Georg Maier. „Nicht erst der abscheuliche Anschlag in Solingen macht deutlich, dass bundesweit ein starker Anstieg von Messerdelikten zu verzeichnen ist, dem mit allen Mitteln begegnet werden muss“, so der SPD-Politiker. 

Der Innenminister stellte klar: „Wir geben den Kommunen ein wirksames Instrument zur Gefahrenabwehr an die Hand. Verbotszonen funktionieren aber mit starker Polizeipräsenz und hoher Kontrolldichte.“ Darüber hinaus solle sich die Gewaltprävention der Thüringer Sicherheitsbehörden nicht allein auf das Tatmittel beschränken. „Dem unkalkulierbaren Risiko solcher Angriffe können wir nur Herr werden, wenn wir den Fokus zusätzlich auf die Täter selbst und deren Motive richten“ so Maier.

Erfahrungen in Mannheim 

Seit 1. Dezember 2023 gibt es in den Bereichen der Mannheimer Innenstadt, in denen es vermehrt zu schweren Straftaten mit Messern oder anderen Waffen kommt, auf bestimmte Tage beschränkte Verbotszonen. Die Polizei kontrolliert das Verbot „im Rahmen ihrer bestehenden polizeirechtlichen Befugnisse“, wie es auf der Internet-Seite mannheim.de heißt. Ob die Polizei in solchen Zonen nur mit konkretem Verdachtsmoment oder ohne Anlass kontrollieren kann, wird unter Rechtsexperten kontrovers diskutiert. Einigkeit besteht indes weitgehend darüber, dass Verbotszonen ohne Kontrollen ins Leere laufen würden. 

 

Update, 29. August 2024

Am Donnerstagnachmittag hat die Bundesregierung sich auf ein Sicherheitspaket geeinigt. Vorgesehen ist unter anderem ein absolutes Messerverbot bei Volksfesten, Sportveranstaltungen oder Märkten. Den Ländern soll ermöglicht werden, an kriminalitätsbelasteten Orten ein absolutes Messerverbot zu erlassen – anders als bisher unabhängig von der Klingenlänge. Im Nahverkehr sollen die Länder Messer ab einer Klingenlänge von mehr als vier Zentimetern verbieten können.

Weiterführende Informationen:
Bekanntmachung der Bundesregierung als PDF zum Download

Autor*in
Karin Billanitsch

ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.

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