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Neuer Landrat: Wie der SPD Rheinland-Pfalz ein historischer Erfolg gelang

Das gab es noch nie. Mit Marko Boos übernimmt im konservativ geprägten Landkreis Mayen-Koblenz zum ersten Mal ein Sozialdemokrat den Landratsposten. Sein Wahlsieg soll nun als Blaupause für weitere Erfolge dienen.

von Jonas Jordan · 17. Juli 2024
Marko Boos

Marko Boos ist ab Januar 2025 neuer Landrat im Kreis Mayen-Koblenz.

Es ist eine Sensation. Mit 57,3 Prozent entscheidet Marko Boos die Landratswahl für sich. Noch nie zuvor gab es im Landkreis Mayen-Koblenz einen Landrat der SPD. Manch einer verweist sogar überspitzt auf eine Historie von CDU-Landräten, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreiche. 

Entsprechend groß ist der Jubel über den Sieg von Marko Boos im konservativ geprägten Landkreis, der von der Eifel bis vor die Tore Koblenz reicht. Zum 1. Januar wird er hier der erste Landrat der SPD. Doch wie hat Boos das geschafft?

Der 48-Jährige hätte wohl vor einigen Jahren selbst noch nicht damit gerechnet. Denn ursprünglich stammt der Winzersohn aus der Nähe von Cochem an der Mosel und orientierte sich in jungen Jahren eher in Richtung Köln. In der Domstadt studierte er, besuchte die Spiele seines „Effzeh“ und feierte Karneval, wo er an Weiberfastnacht seine heutige Frau kennenlernte. 

In Nickenich, der Heimat seiner Frau, gab es dann einen Bauplatz, erzählt Boos im Gespräch mit dem „vorwärts“. In der knapp 4.000 Einwohner*innen zählenden Ortsgemeinde wohnt er mit seiner Frau, seinen vier Kindern und Hund „Schröder“ bis heute. 

Die ersten auf dem Platz

2007 trat er hier in die SPD ein. „Ich war dann Nickenicher und angekommen“, sagt Boos. Speziell während der Corona-Pandemie habe er noch einmal mehr gemerkt, wie schön der Landkreis sei. Zu Beginn des vergangenen Jahres reifte bei ihm die Entscheidung, als Landrat kandidieren zu wollen.

Im Juni 2023 dann der große Wahlkampfauftakt mit einer Pressekonferenz. „Wir waren die ersten, die auf dem Platz waren“, sagt Marc Ruland, Generalsekretär der rheinland-pfälzischen SPD, aber auch Kreisvorsitzender in Mayen-Koblenz und stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Kreistag.

Langer Atem und breite Unterstützung

Fast ein Jahr lang machte Marko Boos Wahlkampf und wurde von einem engagierten Team unterstützt. Das zahlte sich aus.

Marko Boos Wahlkampf Kommunalwahlkampf Rheinland-Pfalz

„Marko kann MYK“, „Neustart für MYK“ und „Marko Boos – einer von hier“ waren die Slogans, mit denen der SPD-Kandidat loszog, um sich im gesamten Landkreis bekannt zu machen. Dorf für Dorf, Straße für Straße, von Tür zu Tür, an der Mosel, am Rhein und in der Eifel. 

„Wir waren wirklich täglich unterwegs und haben ganz tolle, lustige Geschichten erlebt“, schwärmt Boos von den Begegnungen mit den Menschen. Er spricht von einer Mammutaufgabe, bei deren Bewältigung er auch auf die Unterstützung seiner Familie vertrauen konnte. Sie begleitete ihn zur Dorfkirmes in der Vordereifel oder auch auf Social Media. Ein Video, das Boos‘ zehnjährige Tochter Anni aufnahm, ging bei Instagram durch die Decke und wurde mehr als 100.000-mal angeklickt.

Mit Geschlossenheit und Ehrlichkeit zum Erfolg

Nicht nur deswegen sagt Maximilian Mumm, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Maifeld und SPD-Fraktionsvorsitzender im Kreistag: „Wir haben ziemlich früh gemerkt, dass etwas gehen könnte.“ Was als Prinzip Hoffnung in einem tiefschwarzen Landkreis begann, wurde zu einem echten Glauben an den Wahlerfolg. Ausschlaggebend dafür sei die Kombination aus Geschlossenheit und Ehrlichkeit den Menschen gegenüber gewesen. Mumm glaubt: „Er ist genau der richtige Landrat und wird diesem Landkreis gut tun.“ Denn nach jahrzehntelanger CDU-Vorherrschaft habe es auch unter vielen der 850 bis 900 Mitarbeiter*innen in der Kreisverwaltung einen Wunsch nach Veränderung gegeben.

Das zeigte sich bereits mit dem Ergebnis des ersten Wahlganges. Denn kurz nach einem „echten Wahlkrimi“ war um 22 Uhr klar, dass der CDU-Bewerber es nicht in die Stichwahl geschafft hatte. Die Wahl wurde also zwischen Boos, „einem von hier“, und dem Bewerber der Freien Wähler aus Koblenz entschieden. „Vor der Stichwahl haben uns selbst viele CDUler unterstützt und nach Flyern gefragt“, berichtet Marc Ruland. Auch die frühere SPD-Vorsitzende Andrea Nahles, die im Kreis wohnt, habe in drei Orten selbst Flyer verteilt und Plakate aufgehängt.

Andrea Nahles packt mit an

Zum Wahlkampf-Abschluss in Andernach kam Ministerpräsident Alexander Schweitzer eigens aus der Südpfalz. „Marko Boos ist eine starke Persönlichkeit und hat einen super engagierten Wahlkampf gemacht. Er hat deutlich gemacht, dass Menschen auch bereit sind, selbst da, wo es der SPD heute noch nicht so gut geht, einen Unterschied zu machen, wenn die Persönlichkeit so stark ist, dass es sie überzeugt. Daraus kann man lernen“, lobt Schweitzer im Gespräch mit dem „vorwärts“. 

Marc
Ruland

Der rheinland-pfälzischen SPD tut dieser Sieg unheimlich gut.

Auch Ruland sieht den Wahlerfolg als Blaupause dafür, wie die SPD mit dem richtigen Kandidaten, einem tollen Wahlkampf und der optimalen Strategie Wahlen für sich entscheiden kann. „Der rheinland-pfälzischen SPD tut dieser Sieg unheimlich gut, weil er zeigt, dass wir Wahlen selbst in strukturschwachen Bereichen gewinnen können, wenn wir einen geschickten und klugen Wahlkampf führen und die richtigen Kandidaten aufstellen. Das haben wir unter Beweis gestellt und gibt Ansporn für die nächsten Wahlen, die anstehen“, sagt der Generalsekretär.

Und wie nutzt Boos das verbleibende halbe Jahr bis zu seinem Amtsantritt? Aktuell ist er noch Geschäftsführer des Bernardshofes in Mayen, der größten Jugendhilfeeinrichtung in Rheinland-Pfalz, mit rund 250 Mitarbeiter*innen. 

„Es wird mir wehtun, hier wegzugehen“, sagt er. In den vergangenen Jahren habe er den Bernardshof saniert und um 180 Grad gedreht. „Das haben wir als Team geschafft, mit Transparenz und flachen Hierarchien. Die Leute müssen wissen, was sie tun. Das nehme ich mit in die Kreisverwaltung“, sagt Boos. Dort will er ab sofort bereits einen Tag pro Woche sein, um sich vorzustellen und sich mit den Referats- und Fachbereichleitern zu unterhalten, „damit sie merken, dass ein neuer Stil Einzug erhalten wird“.

 

Autor*in
Jonas Jordan

ist Redakteur des vorwärts im Berliner Vorwärts Verlag. Er hat Politikwissenschaft studiert.

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