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So wollen die Ampel-Parteien das Infektionsschutzgesetz ändern

Da die epidemische Lage noch in diesem Monat ausläuft, wollen SPD, Grüne und FDP das Infektionsschutzgesetz anpassen und die Pandemiebekämpfung auf eine neue rechtliche Grundlage stellen. Für den Deutschen Städtetag reichen die Pläne nicht weit genug.
von ohne Autor · 10. November 2021
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Noch ist die alte Bundesregierung geschäftsführend im Amt. Doch die sich anbahnende Ampel-Koalition hat ihre inhaltliche Arbeit bereits aufgenommen und strebt, gestützt auf eine parlamentarische Mehrheit der drei Parteien, eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes an. Die Pläne dafür stellten die zuständigen Fachpolitikerinnen Sabine Dittmar (SPD), Maria Klein-Schmeink (Bündnis 90/Die Grünen) und Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) am Dienstagvormittag in einer gemeinsamen Pressekonferenz vor. Der Gesetzesentwurf soll bereits am Donnerstag in erster Lesung im Bundestag beraten werden.

Warum ist die rechtliche Anpassung notwendig?

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Dirk Wiese ist der Meinung: „Wir haben in den vergangenen Tagen in intensiven Gesprächen zwischen der FDP, Bündnis 90/Die Grünen und der SPD-Fraktion festgestellt, dass unter Berücksichtigung des Impffortschritts die Voraussetzungen für eine erneute Feststellung einer epidemischen Lage nationaler Tragweite nicht mehr vorliegen.“ Ähnlich sieht das die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Sabine Dittmar. Aus ihrer Sicht gebe es keine Notwendigkeit, „den verfassungsrechtlichen Ausnahmezustand aufrecht zu erhalten“.

Somit wird die epidemische Lage von nationaler Tragweite, die bislang die gesetzliche Grundlage für alle im Infektionsschutzgesetz aufgeführten Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie bildet, zum 25. November auslaufen und nach dann insgesamt 20 Monaten nicht mehr verlängert werden.

Welche gesetzliche Grundlage soll künftig gelten?

Anders als von einigen Kritiker*innen befürchtet, bedeutet das Auslaufen der epidemischen Lage jedoch keinen „Freedom Day“ nach britischem Vorbild. Auch da die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz aktuell so hoch ist wie nie zuvor seit Beginn der Pandemie und noch immer nicht genügend Menschen geimpft sind, sollen grundlegende Maßnahmen weiterhin gelten. Dafür soll das veränderte Infektionsschutzgesetz mit einem bundeseinheitlich anwendbaren Maßnahmenkatalog die Grundlage bilden. „Es ist notwendig, dass die Länder alles, was sie brauchen, an die Hand bekommen, um das Infektionsgeschehen in den Griff zu bekommen“, sagt Sabine Dittmar. 

Der erwähnte Maßnahmenkatalog kann unabhängig von der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite bis zum 19. März 2022 zur Anwendung kommen. Einer gesonderten Entscheidung der jeweiligen Landesparlamente bedarf es nicht mehr.

Welche Maßnahmen sind weiterhin möglich?

Der Katalog ist auf auf Maßnahmen beschränkt, die in der gegenwärtigen Phase der Pandemiebekämpfung sinnvoll und angemessen sein können. Dazu zählen beispielsweise Maskenpflicht, Abstandsregelungen und Hygienekonzepte. Zudem wird die Anfang des Jahres beschlossene Ausweitung der Kinderkrankentage auch auf das Jahr 2022 ausgedehnt. Im beruflichen Kontext sollen grundlegenden Vorgaben wie die Kontaktreduzierung, die Testangebotspflicht sowie die Verpflichtung zur Erstellung und Aktualisierung betrieblicher Hygienekonzepte weiterhin gelten.

Was ist künftig nicht mehr möglich?

Schwerere Grundrechtseinschränkungen wie beispielsweise Ausgangssperren, Schulschließungen oder Kontaktbeschränkungen sollen mit der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes nicht mehr möglich sein. „Das ist verfassungsrechtlich nicht mehr haltbar bei einer Impfquote von fast 80 Prozent bei Erwachsenen“, sagt SPD-Gesundheitsexpertin Sabine Dittmar. Dennoch mahnt sie: „Aus der Pandemie kommen wir nur mit Impfen, Impfen, Impfen, und zwar mit höherem Tempo als bislang.“

Was planen die Ampel-Parteien darüber hinaus?

Noch nicht im Gesetzesentwurf enthalten ist die Verpflichtung zu 3G am Arbeitsplatz, auf die sich SPD, Grüne und FDP am Dienstagmorgen final geeinigt haben. Dittmar spricht von einem Konsens zwischen allen beteiligten Fraktionen. Das Bundesarbeitsministerium habe den Auftrag erhalten, „einen Formulierungsvorschlag zu machen, damit das im parlamentarischen Verfahren noch Teil des Gesetzesentwurfes wird“. Die Regelung würde bedeuten, dass sich ungeimpfte oder nicht von einer Corona-Erkrankung genesene Personen täglich testen lassen müssen. Denkbar sei auch eine wöchentliche PCR-Pooltestung von bereits Geimpften, auch zum Schutz von besonders vulnerablen Gruppen wie Menschen in Alten- und Pflegeheimen.

Künftig soll es auch wieder ein großflächiges Angebot an kostenlosen Bürgertests geben, nachdem diese Anfang Oktober abgeschafft worden waren. Sabine Dittmar sagt dazu: „Es war kein Fehler, die kostenlosen Tests auslaufen zu lassen, aber bei dieser Dynamik des Infektionsgeschehens ist es wichtig, den Menschen, die sich testen lassen wollen, wieder großzügig ein Angebot zu machen.“ Weitere Änderungen am Gesetzesentwurf seien insbesondere nach einer in der kommenden Woche geplanten Anhörung denkbar.

Städtetag übt Kritik

Der Deutsche Städtetag kritisiert den Gesetzentwurf zur Novellierung des Infektionsschutzgesetzes als unzureichend. „Bund und Länder müssen konsequenter gegensteuern, damit die Infektionszahlen nicht weiter davon galoppieren“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Mit dem vorgelegten Entwurf sei eine Chance vertan worden, die 2G-Regel im Freizeitbereich bundesweit einzuführen. Nun müssten die Länder dafür Sorge tragen.

Der Text ist zuerst auf vorwaerts.de erschienen.

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