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Syrer in Deutschland: Rückführungen hätten spürbare Konsequenzen

Nach dem Sturz des Assad-Regimes forderten Stimmen aus Union und AfD Rückführungen der Syrer*innen in Deutschland. Doch Gewerkschaften und Verbände warnen: Der Fachkräftemangel könnte so noch weiter verschärft werden.

von Finn Lyko , Carl-Friedrich Höck · 18. Dezember 2024
Im Jahr 2023 arbeiteten etwa 5.000 syrische Ärzt*innen in deutschen Krankenhäusern.

Im Jahr 2023 arbeiteten etwa 5.000 syrische Ärzt*innen in deutschen Krankenhäusern.

Mit dem Sturz des syrischen Diktators Baschar Al-Assad scheint die Zukunft von einer knappen Million Syrer*innen in Deutschland plötzlich ungewiss. Zum einen sind da diejenigen, die überlegen, in ihre Heimat zurückzukehren. Doch viele wollen das Leben, das sie sich in Deutschland aufgebaut haben, nicht aufgeben. Beruf, Freunde, Familie; für viele liegt all das nun in Deutschland. Gleichzeitig wurden bereits kurz nach dem Sturz Assads Stimmen aus Union und AfD laut, die eine Rückkehr der Syrer*innen in ihr früheres Heimatland forderten. Laut Katja Mast, der Ersten Parlamentarischen Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, sei das eine „unmenschliche und wirtschaftsfeindliche“ Debatte.

Denn egal ob freiwillig oder erzwungen, sollten große Teile der Syrer*innen Deutschland verlassen, so hätte das erhebliche Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft, den Arbeitsmarkt und damit auch auf das Leben in den Kommunen. Nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) arbeiten aktuell 62 Prozent der Syrer*innen in Deutschland in systemrelevanten Berufen, in denen ohnehin an vielen Stellen ein Fachkräftemangel herrscht, so beispielsweise in Verkehrs- und Logistikberufen oder im Gesundheitswesen. In einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ist von etwa 80.000 Syrer*innen die Rede, die hierzulande in Engpassberufen arbeiten.

Dramatische Konsequenzen für Gesundheitsversorgung befürchtet

Im Gesundheitswesen ist die Sorge vor einem Verlust der syrischen Fachkräfte groß. Laut Daten der Bundesärztekammer arbeiteten 2023 rund 5.800 syrische Ärzt*innen in Deutschland, etwa 5.000 von ihnen in Krankenhäusern.

Was bei insgesamt 220.000 Ärzt*innen in deutschen Krankenhäusern zunächst nicht weiter ins Gewicht zu fallen scheint, könnte dennoch erhebliche Konsequenzen mit sich ziehen. So warnte Gerald Gaß, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) vor „spürbaren Versorgungsengpässen in deutschen Kliniken“. Vor allem für die Krankenhäuser kleinerer Städte spielen syrische Ärzt*innen eine wichtige Rolle, gab Gaß zu bedenken.

Auch die Allianz kommunaler Großkrankenhäuser (AKG), die knapp 10 Prozent der gesamtdeutschen Krankenhausversorgung repräsentiert, erklärte, dass der Fachkräftemangel ohnehin bereits in „nahezu allen Bereichen des Krankenhausbetriebs“ spürbar sei. Daher sei man darum bemüht, dass auch weiterhin „ausländische Arbeitskräfte nach Deutschland kommen und hier eine langfristige Perspektive erhalten“.

Fachkräftemangel in der Pflege könnte sich weiter verschärfen

In der Pflege wäre die Lage ähnlich dramatisch, sollten die dort beschäftigten Syrer*innen nicht in Deutschland bleiben. Nach Angaben des Arbeitgeberverband Pflege waren 2023 insgesamt 7.596 Menschen mit syrischem Pass in Pflegeberufen tätig. „In mindestens jeder zehnten stationären Einrichtung oder ambulanten Dienst arbeitet eine Person aus Syrien“, erklärte Isabell Halletz, die Geschäftsführerin des Arbeitgeberverband Pflege.

Vor allem in kleineren Einrichtungen könnte der Wegfall syrischer Pflegekräfte schnell und konkret spürbar werden. Denn eine dadurch mögliche Unterschreitung der geforderten Personalquote hätte zur Folge, dass pflegebedürftige Menschen schlichtweg nicht mehr aufgenommen werden könnten, so Hallertz. Sie warnte: „In der ambulanten Pflege könnte sogar die Schließung des ambulanten Dienstes drohen.“

Entwicklung in Syrien „wesentlich für die weitere Perspektive“

Auch in den kommunalen Betrieben droht ohne die beschäftigten Syrer*innen ein Fachkräftemangel. „Viele unserer kommunalen Betriebe haben Geflüchtete und Migranten – nicht nur aus Syrien – als Fachkräfte ausgebildet und in Arbeitsprozesse integriert“, erklärte Ingbert Liebing, der Hauptgeschäftsführer Verband kommunaler Unternehmen (VKU). Gleichzeitig könnten sich die in Deutschland erworbenen Qualifikationen in der Unterstützung beim Wiederaufbau für die Syrer*innen, die zurückkehren wollen, als wertvoll erweisen, gab Liebing zu bedenken.

Noch ist unklar, wie sich die Lage in Syrien entwickeln wird – entsprechend unklar ist auch die Perspektive der Syrer*innen in Deutschland. Der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke mahnte daher, in der Debatte um die geforderten Rückführungen „einen kühlen Kopf“ zu bewahren.

Die Entwicklungen in Syrien müssten nun von der Bundesregierung genau verfolgt werden – besonders mit Blick auf „möglichst demokratische Verhältnisse“ vor Ort. „Das ist ja auch für die vielen Menschen, die in Deutschland als Geflüchtete sind, wesentlich für die weitere Perspektive“, so Werneke. Würde man die Syrer*innen durch Rückführungen zwingen, Deutschland zu verlassen, sei das „gegen die Interessen der Menschen und übrigens auch gegen die Interessen der Arbeitswelt, zumindest in Teilen in Deutschland“, warnte er.

Autor*in
Finn Lyko

ist Volontärin in der Redaktion des vorwärts.

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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